Manni Reichert – das Herz der WSV-Aufstiegs-Elf

Unsere Serie WSV-Legenden (7): Manfred Reichert hatte das talienische Erfolgsrezept. Als taktischer Linksaußen war er das „Herz“ der WSV-Elf, die in die Bundesliga aufstieg.

 

Er war der Schlüssel zum bisher größten WSV-Erfolg der Vereinsgeschichte: ohne Manfred Reichert hätte es die Bundesliga-Ära der Rot-Blauen vermutlich nie gegeben. Er war der Kopf der Mannschaft und nicht von ungefähr der Kapitän. Der kinderlose WSV-Trainer Horst Buhtz war von ihm so angetan, dass er im privaten Kreis manchmal äußerte: „Den würde ich sofort adoptieren!“

Als Abwehrspieler bestritt Manni Reichert mit dem WSV 67 von 68 Bundesligaspiele. Er war 1962 einst als torgefährlicher Halbstürmer (mit Emil Meisen) zum WSV gekommen und erzielte in 296 Regionalliga-Einsätzen 60 Tore. Der in Remscheid aufgewachsene Reichert spielte in seiner Wehrdienstzeit für den 1. SC Göttingen 05 in der zweitklassigen Amateurliga Niedersachsen-Ost, wo Bundesligisten wie Eintracht Braunschweig, der 1. FC Köln und der 1. FC Nürnberg auf ihn aufmerksam wurden. Die seinerzeit von „Zapf“ Gebhardt trainierten Wuppertaler erhielten jedoch von dem bodenständigen Reichert den Vorzug. Beim WSV spielte er insgesamt elf Jahre.

Als die Wuppertaler 1972 in die Bundesliga aufstiegen, war Manfred Reichert fast 32 Jahre alt. Der ehrgeizige Techniker, eigentlich erlernter Halbstürmer und intelligenter Spielgestalter, wurde von Trainer Horst Buhtz als Außenverteidiger in die Abwehr gestellt, wo er einen „Offensivverteidiger moderner Prägung“ abgab. Horst Buhtz machte ihn zu seinem verlängerten Arm auf dem Spielfeld. „Buhtz brachte aus Italien neue taktische Konzepte mit, unter anderem offensive Verteidiger und den bei uns mit Erfolg praktizierten taktischen Linksaußen“, sagte Reichert einst über das Erfolgsrezept. Was dann kam ist bekannt: Ungeschlagen stieg die Mannschaft 1972 in die Bundesliga auf. Der WSV erntete die Früchte dieser auch von Reichert geprägten taktischen Finesse.

Verlängerter Arm von Trainer Buhtz

Der WSV stieß in der ersten Bundesliga-Saison zeitweise auf den zweiten Platz vor. Am Saisonende 1972/73 war der Neuling hinter dem Meister FC Bayern München, 1. FC Köln und Fortuna Düsseldorf Tabellenvierter und qualifizierte sich für den UEFA-Pokal. Es war der Zenit in Reicherts Karriere, aber letztlich auch für den Verein selbst. Im europäischen Wettbewerb scheiterte man am polnischen Vertreter Ruch Chorzów. Das erste Spiel in Polen ging mit 4:1 verloren und da nutzte der 5:4-Erfolge im Rückspiel im Stadion am Zoo mit einem Reichert-Tor nichts mehr. Im Mai 1974 bestritt Reichert als knapp 34-Jähriger sein letztes von 364 Pflichtspielen. Ohne ihn musste sich die Mannschaft dann in der Saison 74/75 in die 2. Bundesliga verabschieden. 1983 kehrte Reichert noch einmal kurzfristig als Berater zum Verein zurück und übernahm später zweimal kurzzeitig das Traineramt bei der nur noch in der Oberliga Nordrhein agierenden ersten Mannschaft des WSV.

Reichert war vielseitig. Schon während seiner aktiven Zeit trat er als wöchentlicher Sport-Kolumnist bei der damaligen Neuen-Rhein-Zeitung (NRZ) unter der Überschrift „So sehe ich es“ auf. Nach seiner Fußball-Laufbahn war Reichert als Werksleiter beim Automobilzulieferer Delphi sehr erfolgreich.

Wie viele ehemaligen Fußballer fand er einen Ausgleich im Tennis, wo er ebenfalls außergewöhnliche Erfolge hatte. Er spielte für Rot-Weiß Passau, wurde im Jahr 2000 Bayerischer Meister seiner Altersklasse und Dritter bei der Senioren-Europameisterschaft. Dies gelang ihm trotz einer schwerer Knochen-Erkrankung, gegen die er fast 20 Jahre lang ankämpfte. Deretwegen wurde er mehrfach operiert und letztlich musste ihm ein Arm amputiert werden. „Ich bin ein Bewegungsmensch“, war seine Devise.

Opfer eines Flüssigkeitsmangels?

Freunde äußerten den Verdacht, dass die Erkrankung des ehrgeizigen Sportsmanns Folge eines jahrelangen Flüssigkeitsmangels gewesen seien. Die moderne Wissenschaft hat bei 15 Prozent der Fußballspieler dieses Phänomen beobachtet. Früher nahmen viele Sportler – so auch Reichert – während des Trainings oder in der Halbzeitpause zur Vermeidung des Schwitzeffektes häufig kein oder zu wenig Wasser zu sich. Das Thema Flüssigkeitshaushalt bei Sportlern wird spätestens seit den Olympischen Spielen in Los Angeles (1984) anders diskutiert. Damals torkelte die Schweizer Marathon-Läuferin Andersen-Schiess dehydriert, völlig entkräftet ins Olympia-Stadion. Spätestens seitdem rät die Wissenschaft Leistungssportlern dazu, den Flüssigkeitshaushalt durch genügend Salzsticks und mineralstoffhaltige Getränke (Elektrolyte) rechtzeitig und gezielt zu ergänzen. Erkenntnisse, die es in den frühen Jahren der Bundesliga so noch nicht gab.

Der vorbildliche, faire Sportsmann verstarb an den Folgen seiner Erkrankung am 10. April 2010 im Alter von 69 Jahren. Manfred Reichert hinterließ seine Frau, zwei Söhne und drei Enkelkinder. Die WZ titelte seinerzeit einen Nachruf von Jürgen Eschmann: „Das Herz der WSV-Aufstiegself schlägt nicht mehr“.

Text: Siegfried Jähne

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