„Nehmt die Langen auf jeden Fall mit..“

Martina Kehrenberg ist die eine Hälfte der berühmten „Kehrenberg-Zwillinge“ aus Wuppertal - mit ihrer Schwester, Petra Kremer, hat sie ab den 90er Jahren Basketball-Geschichte geschrieben und diesen Sport in Wupppertal - und bis weit über die Grenzen unserer Stadt hinaus - populär gemacht. Knapp zwanzig Jahre hat sie sowohl mit dem BTV in der 1. Liga als auch in der Basketball-Nationalmannschaft gespielt.

 

Was macht sie heute? Wie sehr bestimmt dieser Sport auch 13 Jahre nach ihrer aktiven Zeit noch ihren Alltag? Und wie steht es um den sportlichen Nachwuchs in Wuppertal? Ich treffe Martina Kehrenberg in ihrem Haus in Wuppertal zu einem Gesspräch über Basketball, Prominenz, alte Zeiten und über Ausblicke in die Zukunft.

Zunächst ist es ihre Körpergröße, durch die Martina Kehrenberg auffällt und mit der sie Eindruck macht. Als sich die Tür des Einfamilienhauses öffnet, steht mir eine 1,87m große Frau gegenüber – ich kann nicht leugnen, dass mir ihre Größe imponiert, und so kommt mir ein etwas plumpes „Sie sind aber groß!..“ über die Lippen. Im folgenden Gespräch sind es jedoch die Art und Weise, wie sie von ihrer Karriere und von „damals“ erzählt, die mich beeindrucken, und mir wird sehr schnell klar, wie „normal“ und bodenständig diese Frau ist, und dass ihr die Erfolge der Vergangenheit nicht zu Kopf gestiegen sind.

Sportlich waren Martina Kehrenberg und ihre Zwillingsschwester schon immer, jedoch war es nicht nur Basketball – ihr sportliches Repertoire reichte vom Schwimmen über Kunstturnen bis hin zur Leichtathletik. Jedoch kam irgendwann der Punkt, an dem sie sich für eine Sportart entscheiden mussten. Ihre Eltern waren ebenfalls beide Basketballer und engagierten sich umfangreich in der Basketballabteilung des Barmer TV. Martina Kehrenberg berichtet mir, dass sie es waren, die maßgeblich dafür verantwortlich waren, dass sie und ihre Zwillingsschwester sich letztlich für Basketball entschieden haben. „Unsere Wiegen standen quasi schon in der Sporthalle.“

So fiel der Startschuss für die folgende Karriere bereits mit sieben Jahren beim BTV Wuppertal. Martina Kehrenberg durchlief sämtliche Jugendnationalmannschaften und wurde eine der tragenden Stützen des Erstligisten BTV. Den ersten großen Erfolg konnte sie 1989 feiern – mit dem Double ‚Deutsche Meisterschaft‘ und ‚Deutscher Pokalsieg‘. Ein weiterer Pokalsieg folgte im Jahr 1992 – und von da an gewann sie bis 2002, mit dem in dieser Zeit konkurrenzlosen BTV, sämtliche nationalen Titel, und darüber hinaus im Jahr 1996 noch den Europapokal der Landesmeister – das höchste, was eine Vereinsmannschaft erreichen kann.

Parallel dazu war sie von 1985 bis 1997 Spielerin in der Deutschen Nationalmannschaft und erreichte bei 225 Einsätzen ihren karrieremäßigen Höhepunkt mit der Bronzemedaille bei der Europameisterschaft 1997 in Ungarn. Sämtliche dieser Erfolge hat sie gemeinsam mit ihrer Schwester erzielt. Und es gibt kaum einen Wuppertaler, dem seither „Die Kehrenberg-Zwillinge“ kein Begriff sind.

In der Saison 2002/2003 hatte Martina Kehrenberg ihr letztes aktives Jahr beim BTV. Durch das kurzfristige Abspringen eines Hauptsponsors musste sich der BTV aus der Liga abmelden, und stieg somit automatisch ab. Martina Kehrenberg erzählt mir, dass sie es nach wie vor bedauert, dass sie durch diesen Zwangsabstieg nicht bewusst Abschied nehmen konnte: „Mein letztes Spiel hätte ich gerne bewusst erlebt und den Abschied auch ein wenig zelebriert. Das ist mir leider genommen worden.“ Nach ihrem spielerischen Ende in Deutschland wechselte sie in der Folgesaison für ein Jahr nach Frankreich und gewann dort mit dem französischen Erstligisten Aix en Provence 2003 den FIBA-Europe-Cup.

Während sie mir von den einzelnen Stationen ihrer Karriere berichtet, schwappt die Begeisterung und die Leidenschaft auch auf mich über. Aus dem Keller ihres Hauses holt sie spontan ein paar Kisten mit Fotos aus der damaligen Zeit, und beim Herumkramen in den alten Aufnahmen merke ich, wie ihre Erzählungen auf einmal fast lebendig werde.

Aber bei all den Erfolgen und aller Euphorie darf man nicht vergessen, wie das Leben hinter dem Blitzlichtgewitter aussieht. Im Gespräch erfahre ich, dass Sport immer schon ihr Lebensmittelpunkt war und sie während ihrer aktiven Zeit bis zu 13 Mal pro Woche hart trainiert hat – dass sie parallel dazu seit mittlerweile 30 Jahren bei einer Bank arbeitet, kann man sich nur schwer vorstellen. Wie findet so etwas Platz in einem einzigen Leben?

Fast nahtlos scheint sich bei Martina Kehrenberg alles aneinander zu reihen, und so erzählt sie, dass sie froh darüber ist, nach ihrer Rückkehr aus Frankreich ziemlich bald schwanger geworden zu sein. „Ich hätte sonst Angst gehabt, in ein Loch zu fallen – aber so hatte ich direkt wieder die nächste Herausforderung vor mir“, sagt sie.

Und der Kreis schliest sich, wenn man erfährt, dass ihre mittlerweile 12jährige Tochter Amelie in die Fußstapfen ihrer Mutter tritt. Seit sie acht Jahre alt ist, spielt sie ebenfalls Basketball beim BTV, mittlerweile in der U13 und mit sehr iel Talent. Trainiert wird sie von Mama Martina Kehrenberg höchstpersönlich. Und Amelie trägt auch die gleiche Trikotnummer wie damals ihre Mutter, der Nummer 13. Vier bis fünf Mal pro Woche trainiert Amelie, und dass ihre Tochter einen Mannschaftssport ausübt, ist Martina Kehrenberg sehr wichtig: „Man bekommt dort wie selbstverständlich wichtige Eigenschaften wie Verlässlichkeit und Teamfahigkeit vermittelt, und Sport öffnet einem generell so viele Türen. Ich wünsche mir für Amelie, dass sie vielleicht durch ein Stipendium die Möglichkeit bekommt, im Ausland zu studieren, das wäre wunderbar.“.

Martina Kehrenberg berichtet mir in diesem Zusammenhang, welche Schwierigkeiten und Herausforderungen es mit sich bringt, speziell eine Mädchen-Mannschaft zu trainieren „Mädchen müssen nicht nur talentiert, sondern auch noch überdurchschnittlich groß sein – schließlich hängt der Korb für sie nicht tiefer, als bei den Jungs“. So lautet dann dementsprechend auch die Vorgabe des Verbandes „Nehmt die Langen auf jeden Fall mit“. Sie erzählt mir auch, dass Mädchen ab einem gewissen Alter irgendwann „abdriften“ – sie interessieren sich dann für Jungs, vernachlässigen den Sport und setzen andere Prioritäten.

Wird sie eigentlich von den Wuppertalern auf der Straße erkannt? „Ja, immer mal wieder. Ich habe es damals genossen, ‚prominent‘ zu sein, aber heute bin ich eher überrascht, wenn mich jemand anspricht – aber wenn es passiert, freue ich mich sehr darüber.“

Bei der Verabschiedung in der Diele fällt mir ein altes, fast lebensgroßes, gerahmtes Foto von Martina Kehrenberg auf – es zeigt sie in einer Momentaufnahme während einer Spielsituation – sie lächelt und sagt: „Tja, es trägt halt jeder so eine gewisse Art von Narzissmus in sich.“ – und bei der so charmanten Art, dies zu formulieren, und bei all ihren Erfolgen gönnt man ihr diese kleine, vermeintliche Schwäche von Herzen.

Text: Nina Reinhardt

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