14. Februar 2016Peter Pionke
WSV-Legenden: „Schlangen Franz“ sollte Heilsbringer werden
Man nannte ihn den „Schlangen-Franz“. Dies stand in Zusammenhang mit dessen Vorliebe für Reptilien. Als der Wuppertaler SV 1974 den Torjäger verpflichtete, hatte man sich mit ihm den Klassenerhalt in der ersten Bundesliga erhofft. Franz Gerber kam aus der Jugend des FC Bayern München und feierte hier 1972 sein Bundesliga-Debüt unter Trainer Udo Lattek. Doch gegen die übermächtige Konkurrenz von Gerd Müller und Uli Hoeneß hatte er keine Chance. Gerber wechselte zum FC St. Pauli in die zweite Liga.
Mit den Hamburgern wurde er Meister. Doch mit dem Aufstieg in die Bundesliga klappte es zweimal nicht. Franz Gerbers 33 Tore in der Saison 1973/74 ließen den Wuppertaler SV auf den damals 20jährigen aufmerksam werden und schließlich unter Vertrag nehmen. Gerber schoss für die Rot-Blauen zwölf Tore in 30 Spielen – zu wenig, um den Bundesliga-Abstieg der Wuppertaler am Ende der Saison zu verhindern. 1974/75 musste sich die als überaltert angesehene Mannschaft als Schlusslicht in die 2. Bundesliga verabschieden.
Der Wuppertaler SV hatte in dieser Spielzeit nur zwölf Punkte erreicht – und damit nur vier mehr als der SC Tasmania 1900 Berlin. Damit manifestierte sich der WSV, einst der beste Aufsteiger, den es je gegeben hatte, als zweitschlechtester Bundesligaabsteiger aller Zeiten. Der einzige Lichtblick der Saison: Mit Franz Gerber besiegte der WSV das Star-Ensemble des SC Bayern München mit 3:1.
Junge Spieler hatten es schwer
„Wir hätten nicht absteigen müssen“, sagte uns Franz Gerber jetzt in seiner Retrospektive. Es sei eine sehr schöne Zeit in Wuppertal gewesen, besonders der große Enthusiasmus der Fans ist ihm in Erinnerung geblieben. Es seien dumme Fehler gemacht worden. Und junge Spieler hätten es in der eingespielten Mannschaft sehr schwer gehabt. Obwohl Franz Gerber in 32 Zweitliga-Spielen 19 Tore erzielte, belegte der WSV nur den 5. Tabellenplatz. Der erhoffte Wiederaufstieg blieb Franz Gerber und seinen Mannschaftskameraden versagt.
Enttäuscht wechselte Franz Gerber wieder zurück zum FC St. Pauli. Vor ihm lag eine bewegte sportliche Zukunft. Früher nannte man Spieler wie ihn „Wandervogel“. Insgesamt bestritt Franz Gerber in seiner Laufbahn 93 Bundesligaspiele. Er lief für Bayern München, den WSV, den FC St. Pauli, 1860 München und zuletzt in der Saison 1985/86 für Hannover 96 in der höchsten deutschen Spielklasse auf. Dazu kamen 213 Zweitligaspiele. Zu den Höhepunkten seiner 16jährigen Profikarriere gehörte seine Zeit in Kanada und den USA, wohin es ihn1982 im Alter von 29 Jahren verschlug. Hier war er für die Calgary Boomers (Kanada), die Tulsa Roughnecks und die Tampa Bay Rowdies (USA) aktiv.
Seine aktive Laufbahn ging schliesslich in Hamburg zu Ende. Für den Zweitligisten FC St. Pauli schoß er in der Saison 1986/87 in 34 Spielen 15 Toren und war damit am Erreichen des dritten Tabellenplatzes maßgeblich beteiligt. Am 22. Juli 1987 – beim 3:0-Auswärtssieg bei der SG Union Solingen – verletzte er sich so schwer, dass er seine Karriere beenden musste.
Danach erlebte Franz Gerber eine Zeit als Manager und Trainer, u.a. bei Hannover 96 und dem FC St. Pauli und ganz zuletzt dann noch bis 2013 beim Drittligisten Jahn Regensburg. Hier schaffte Sportchef Gerber dreimal das Wunder, mit minimalen Mitteln das Maximum zu erreichen. Als Gerber im Februar 2010 den Posten übernahm, stand Regensburg auf dem 16. Tabellenplatz der 3. Liga. Zwei Jahre später stieg Regensburg mit einem der geringsten Etats in die zweite Bundesliga auf. Wegen Meinungsverschiedenheiten mit dem Vorstand kam es jedoch im Mai 2013 kurzfristig zu seiner Beurlaubung, später zur Kündigung, des bis 2015 laufenden Vertrages. Erst vor Gericht gab es eine gütliche Einigung. Jahn Regensburg ist heute ohne Franz Gerber wieder (nur) Drittligist.
Sohn Fabian ein Klopp-Schüler
Für Schlagzeilen hatte Franz Gerber auch gesorgt, als er 2007den Job des Teamchefs und Beraters der Nationalmannschaft von Madagaskars übernahm. Ein Job, der quasi vom Himmel fiel. Und das kam so: Eines Frühlingstages klingelte das Telefon bei Gerber, in der Leitung ein Attaché des madagaskarischen Oberhaupts, das gerade auf Staatsbesuch in Deutschland weilte. Der bat den Ex-Fußballspieler zur Audienz. Gerber flog nach München und erfuhr von Marc Ravalomanana (Staatspräsident von 2002 bis 2009), dass die Not groß, die Kasse leer und nur er der Heilsbringer sein könne. Außerdem war zu erfahren, dass jemand dem Präsidenten von Gerald Asamoah, von Fabian Ernst und von Sebastian Kehl erzählt haben musste. „Die habe ich entdeckt, die kannte keiner, bevor sie deutsche Nationalspieler wurden“, erzählte Franz Gerber. Er sollte Nationaltrainer von Madagaskar werden. Das aber war nicht drin, schließlich hatte er in Deutschland verschiedene Aufgaben zu erfüllen. Mit seinem Bruder betrieb er eine Spedition und beriet damals den Goslarer SC 08 und einige Spieler.
Zwei Söhne hat Franz Gerber, insbesondere Fabian (heute 34) trat in die Fußstapfen seines Vaters. Er erlernte bei Jürgen Klopp, Thomas Tuchel und Christian Streich das Fußball-Handwerk. Fabian Gerber spielte beim SV Mainz 05 und beim FC St. Pauli in der Bundesliga. Bei St. Pauli und später bei Hannover 96 war Vater Franz sein Trainer. Fabian wechselte inzwischen seinerseits ins Trainergeschäft, wenn auch bisher ohne großen Erfolg. Aus dem Fußball-Business will sich Franz Gerber (63) nicht zurückziehen. „Sicher werde ich irgendwo noch einmal angreifen“, sagte er. Aber erst einmal genießt er in seiner Freizeit das Skifahren und arbeitet ganz nebenbei noch als Immobilienmakler in Österreich. Zum Abschluss fügte er noch hinzu: „Grüßen Sie mir Wuppertal!“
Text: Siegfried Jähne
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