16. April 2016Peter Pionke
Trainer-Zauberer Horst Buhtz: Unerfüllter Traum
Man nannte ihn den „Aufstiegskönig“. Seine Bilanz ist so einmalig, wie seine Fußballkarriere selbst. Horst Buhtz führte mit Borussia Neunkirchen (1964), Wuppertaler SV (1972), 1. FC Nürnberg (1978) sowie Bayer Uerdingen (1979) gleich vier Vereine aus der Zweitklassigkeit in die Bundesliga. Seine schönste Zeit als Trainer war nach eigenen Bekunden aber die Zeit beim Wuppertaler SV, die von 1968 bis 1974.
Ein Glanzpunkt einer an Höhepunkten reichen internationalen Karriere. Horst Buhtz war einer der erfolgreichsten deutschen Trainer überhaupt und vorher auch einer der besten deutschen Fußballer. Die Frage, warum der herausragende Spielmacher nicht neben Fritz Walter in der deutschen Nationalmannschaft spielen durfte, konnte nie geklärt werden. Horst Buhtz schoss in der Oberliga Süd für Offenbach und Mühlberg in 143 Spielen 69 Tore, und das oft vor den Augen Bundestrainers Sepp Herberger. Alle rechneten mit seiner Nominierung. Aber sie kam nicht. 1951 wirkte er im allerersten B-Länderspiel Deutschlands (gegen die Schweiz) mit, was als Sprungbrett für die A-Elf hätte dienen können. Doch Herberger ignorierte ihn.
Der 1923 in Magdeburg geborenen Horst Buhtz war ein so überragender Spieler, dass er schon als 16jähriger mit einer Ausnahmegenehmigung des Deutschen Fußballbundes (DFB) in der Seniorenmannschaft von Fortuna Magdeburg zum Einsatz kam. Nach dem Zweiten Weltkrieg flüchtete er als junger Mann vor den Sowjets in den Westen. Als technisch beschlagene Offensivspieler fand er von 1947 bis 1950 bei den Offenbacher Kickers schnell ein neues Zuhause.
Mit den Hessen stand er 1950 vor 95.000 Zuschauern im Berliner Olympiastadion im Endspiel um die Deutsche Meisterschaft, unterlag dort dem VfB Stuttgart 1:2. Die Presse nannte ihn, den Offenbacher Torschützen, damals den besten Mann auf dem Platz. Buhtz erhielt ein Angebot vom FC Barcelona, lehnte aber ab, weil er in Deutschland bleiben wollte, um Nationalspieler zu werden.
Der Schatten „Fritz Walter“
Eine Länderspielkarriere blieb im letztlich versagt. Er stand zwar im legendären Notizbuch von Bundestrainer Sepp Herberger, blieb aber im Schatten von Fritz Walter, Der hatte als Mittelfeld-Regisseur die gleiche Spielanlage wie Buhtz. „Herberger hat mich vertröstet und gesagt: Horst, Sie haben doch noch Zeit, der Fritz ist doch älter als Sie.“ Drei Jahre waren es, die sie trennten. „Ich wäre alt und grau geworden“, sagte er später in einem „11-Freunde-Interview“.
Als zweiter Deutscher überhaupt (nach Ludwig Janda) wechselte Buhtz schließlich 1952 nach Italien zum AC Turin. Fünf Jahre lang war er hier absoluter Starspieler. „Ich verdiente 150.000 Mark. „Das war ein Haufen Geld. Ich habe in Turin fürstlich gelebt“, berichtete er. In Deutschland hätte er maximal 6.000 DM im Jahr verdienen können. „Für mich als Fußballer war Italien ein Paradies. Ich habe mir mit dem ersten Handgeld gleich ein VW-Cabriolet mit roten Ledersitzen für damals 6.500 DM gekauft“ verriet er. Bereits im zweiten Jahr wurde er von den Journalisten zum besten Ausländer gewählt.
Nach Jahren als Spielertrainer in der Schweiz startete Buhtz 1962 seine erfolgreiche Trainerlaufbahn in Deutschland und in der Türkei (1976 Pokalsieger). Seine späteren Erfolge wurden durch die Erfahrungen in Italien erst möglich. In Europa wurde traditionell im WM-System mit elf taktischen Positionen gespielt, in Italien gab es bereits 15 und damit ein fußballerisch flexibleres Denken.
Die taktische Aufstellungen variierten von Spiel zu Spiel. Das Besondere: Er hatte in seiner Trainer-Tätigkeit nicht immer einen herausragende Kader, musste sich also etwas einfallen lassen. Und das tat er dann auch. In Wuppertal ließ er Dieter Lömm sehr erfolgreich eine Art hängender Linksaußen spielen und Manni Reichert als Außenverteidiger in die Sturmspitze gehen. Die gegnerischen Trainer verstanden diese taktischen Maßnahmen manchmal gar nicht…
Als Buhtz nach Wuppertal kam, war er nach Misserfolgen bei Hannover 96 genauso angeschlagen wie viele seiner Spieler, die anderswo gescheitert waren und beim WSV quasi um ihre letzte Chance spielten, was sehr zur Motivation beigetragen hat. Auch der WSV selbst lag am Boden. Horst Buhtz konnte sich richtig entfalten. 1972 stiegen er mit dem WSV in die Bundesliga auf und qualifizierten sich im ersten Jahr sogar als Vierter für den Uefa-Cup.
Das Stadion am Zoo war eine Macht, und in über sechzig Heimspiele von der Regionalliga bis zur Bundesliga blieb man ungeschlagen. Aber im Erfolg lagen auch bereits die Gründe für den späteren Abstieg. „Wir hatten ein Jahr in der Regionalliga verschenkt, als uns 1971 auf dem Aachener Tivoli ein Torwartfehler den sicheren Aufstieg gekostet hatte“, erklärte der Erfolgs-Coach.
Ein Jahr später stellte der WSV in der Aufstiegsrunde mit acht Siegen in acht Spielen einen Rekord auf. Aber durch das Jahr Verspätung kam die Mannschaft in der Bundesliga schnell in ein hohes Alter, und der Verjüngungsprozess wurde viel zu spät eingeleitet. Man hatte ihn, vom Erfolg geblendet, versäumt. Sein letztes Jahr in Wuppertal wurde auch dadurch beeinträchtigt, dass Buhtz schwer von einer Affäre mit einer Australierin namens Jackie beeinträchtigt wurde und oft gar nicht zum Training erschien. Ein Spruch machte die Runde: „Manni, übernehmen Sie!“ Gemeint war Kapitän Reichert.
„Es war für mich ein wirklich trauriger Moment, als ich in Wuppertal erkannte: „Das war es jetzt! Als aktiver Trainer muss man die Boulevardpresse lesen, damit man weiß, wann und wem die Stunde schlägt.“ Buhtz mußte mitten in der Saison des gehen und wurde im Oktober 1974 von dem Ungarn Janos Bedl abgelöst, der den Abstieg indes auch nicht mehr verhindern konnte. Die letzte Trainerstation von Horst Buhtz waren 1983 die Stuttgarter Kickers, wo er auch Jürgen Klinsmann und Guido Buchwald trainierte.
„Ich habe meinen Lebenstraum total erfüllt. Schon als Kind wollte ich immer nur einen Ball haben: Zu Ostern, zum Geburtstag und zu Weihnachten. Mehr gab es für mich nicht. Wenn dann wieder so ein Ball auf einem rostigen Nagel seinen Geist aufgab, war es immer ein Elend von ein paar Tagen, bis sich mein Vater erbarmte und mir einen neuen kaufte“, berichtet Horst Buhtz in seiner Lebensgeschichte, die im 11-Freunde-Magazin für Fußballkultur veröffentlicht wurde. Der fließend italienisch sprechende Horst Buhtz verstarb im März 2015 im Alter von 91 Jahren im rheinischen Langenfeld, wo er auch die letzten Jahre seines Lebens mit Ehefrau Hilde verbrachte.
Text: Siegfried Jähne
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