9. September 2016

Berthold Schneider: Identifizieren Sie sich mit der Oper

Wuppertal hat einen neuen Opernintendanten: Berthold Schneider. Ihm eilt eine beeindruckende Vita voraus. Wir wollten wissen, wie der neue Mann tickt, der Wuppertals Musiktheater in den nächsten Jahren prägen und nach vorne bringen soll.

Opernintendant Berthold Schneider – © Jörn Hickmann

Berthold Schneider ist Wuppertals neuer Opernintendant: Welche Pläne und Visionen hat er eigentlich und welche Ziele hat er für das wuppertaler Opernhaus?  Sven Rühlemann unterhielt sich mit dem neuen Chef der Wuppertaler Oper.

DS: Wie kamen Sie eigentlich zum Wuppertaler Opernhaus?

Berthold Schneider: „Freunde haben mich darauf hingewiesen, dass diese Vakanz besteht. Nach intensiveren Gesprächen mit meinen Freunden, habe ich mich dazu entschlossen mich hier zu bewerben.“

DS: War die Oper in unserer Stadt schon vorher für Sie geläufig?

Berthold Schneider: „Ja, ich kannte die Oper schon vorher durch Besuche und natürlich auch von vielen Erzählungen, da die Wuppertaler Oper ein Haus ist, das auf unserer Theaterlandkarte präsent ist.“

DS: Wie ging es dann nach Ihrer Bewerbung weiter?

Berthold Schneider: „Im Rahmen des Findungs-Verfahrens, habe ich dann letzten Endes den Zuschlag bekommen, und seit letztem Mai stand fest, dass ich der neue Intendant für die Wuppertaler Oper werde. Natürlich gab es auch eine Vorberei-tungsphase für meine erste Spielzeit hier, die seit letztem Jahr in Gange war. Am 1. August bin ich dann offiziell als Opernintendant gestartet.“

DS: Ihr Vorgänger wollte ja kein festes Ensemble. Wie sehen da Ihre Vorstellungen aus?

Berthold Schneider: „Wir sind fest entschlossen, ein festes Ensemble aufzubauen, da wir der Überzeugung sind, dass eine Stadt wie Wuppertal ein festes Ensemble braucht. Es ist wichtig, dass die Sänger vor Ort sind und über einen längeren Zeit-raum miteinander und auch mit der Stadt arbeiten. Mir persönlich war mit meiner Bewerbung klar, dass ich wieder ein festes Ensemble aufbauen möchte. Es ist auch wichtig für die Identifikation der Stadt, die jungen Karrieren zu begleiten und die Entwicklungen der einzelnen Künstler beobachten zu können.“

DS: Steht dieses Ensemble schon oder sind Sie da noch eher in der Findungsphase?

Berthold Schneider: „Ein Stück weit haben wir das schon vollbracht, denn dieses Ensemble probt gerade für unsere Eröffnungspremieren am 17. und 18. September. Wir haben sechs Sänger fest ins Ensemble engagiert und arbeiten mit weiteren Sängern in sogenannten „Residenzen“. Sie werden also auch in mehreren Produktionen zu erleben sein. “

DS: Auf welche Stücke dürfen sich die Wuppertaler Opern-Fans als Eröffnungspremieren freuen?

Berthold Schneider: „Das wird am 17. September „Three Tales“ sein, eine Video-Oper von Steve Reich, die an unserem Haus erstmalig überhaupt außerhalb eines großen Festivals laufen wird und am 18. September „Hoffmanns Erzählungen“, die große fantastische Oper von Jacques Offenbach. Das Besondere an dieser Produk-tion ist, dass die Oper erstmalig in ihrer Aufführungsgeschichte von vier Regisseu-ren gleichzeitig inszeniert wird – jeder Regisseur übernimmt einen Akt. Dazu möchte ich erwähnen, dass wir mit Charles Edwards, Christopher Alden, Nigel Lowery und Inga Levant vier international gefragte Künstlerinnen und Künstler gewinnen konnten!

DS: Wie sehen Sie denn der Zukunft der Oper in unserer Stadt entgegen, eher kritisch oder sehen wir in eine blühende Zukunft?

Berthold Schneider: „Man kann durchaus optimistisch in die Zukunft dieser Oper schauen. Natürlich sind auch bestimmte Punkte, zum Beispiel was das Budget an-geht, nicht spurlos an uns vorbeigezogen. Wir haben einen gut ausgestatteten Be-trieb, motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und ein Opernhaus, das erst vor einigen Jahren grundsaniert wurde. Darüber steht uns ein ausgezeichnetes Orchester zur Verfügung, und wir haben einen leistungsstarken Chor. Und mit unse-rem künstlerischen Programm, möchten wir ein unverwechselbares Profil gestal-ten.“

DS: Wie sieht ihre künstlerische Vision aus?

Berthold Schneider: „Wir wollen die Bedeutung des Genres Oper für die Menschen im 21. Jahrhundert aufzeigen, d.h. wir suchen immer wieder nach den Bezügen zu den Lebenswirklichkeiten in der heutigen Zeit – ganz gleich, ob wir einen Klassiker oder ein modernes Stück auf die Bühne bringen. So soll in Wuppertal vor allem viel-fältiges und relevantes Musiktheater entstehen. “

DS: Natürlich möchte man auch wissen, wer hinter der Person des Intendanten steht. Welche Musik hören Sie privat?

Berthold Schneider: „Ich bin, glaube ich einer der wenigen Menschen im Opernbu-siness, der auch privat viel klassische Musik hört. Ich höre aber auch gerne Pop-Musik und davon eigentlich am liebsten Folk. Je nach Laune, die Mischung macht es.“

DS: Sind Sie eher der häusliche Mensch, der mit einem Buch zu Hause sitzt, oder doch eher öfter unterwegs?

Berthold Schneider: „Ich bin eher jemand, der ziemlich viel und gerne unterwegs ist. Ich mache gerne Ausflüge und da kommt mir die Stadt mit dem, was um sie herum ist, sehr gelegen. Wuppertal bietet mir die Möglichkeit, die Natur zu genießen. Das ist mir wirklich sehr wichtig und auch ein Stück weit Lebenselixier und hier muss ich dafür keine Stunde fahren. Auf der anderen Seite bin ich sehr kunstinteressiert und dafür gibt es in und um Wuppertal sehr viele Museen, in denen ich neue Ideen schöpfen kann.“

DS: Gibt es so etwas wie ein kreatives Idyll, bei dem man sich regeneriert und sich noch weiter inspirieren lässt?

Berthold Schneider: „Da ist es für mich ganz wichtig, etwas zu machen, was nichts mit dem Theater zu tun hat. Ich nenne es immer Low Action Games, also Dinge, die mich nicht sonderlich belasten oder beschäftigen. Sei es das Reparieren eines Fahrrades oder Gartenarbeit, und dabei läuft im Hinterkopf ein Prozess ab, durch den ich am Tag danach vielleicht eine neue Idee habe. Aber wichtig ist dabei für mich, wie gesagt, dass ich etwas mache, was mich nicht komplett belegt.“

DS: Vielen Dank für das interessante Gespräch

Vita Berthold Schneider

Berthold Schneider wurde 1965 in Marburg an der Lahn geboren. Nach dem Abitur absol-vierte er eine Ausbildung zum Pianisten an der Musikakademie Kassel (1984-’89) und setzte seine Studien an der University of Iowa (USA) fort, die er mit dem Master of Arts der Opern-regie abschloss. Anschließend arbeitete er eine Spielzeit lang in der Dramaturgie und im Betriebsbüro der Hamburgischen Staatsoper mit. Darauf folgten Engagements als Musik-dramaturg am Staatstheater Braunschweig (1992-93), den Städtischen Bühnen Münster (1993-95) und dem Nationaltheater Mannheim (1995-98). 1998 ging Berthold Schneider nach Berlin, wo er zunächst als freier Librettist sowie als Konzepter für Medienfirmen arbei-tete. Von 1999 bis 2005 war er Künstlerischer Leiter der „staatsbankberlin“, einem interdis-ziplinären Aufführungsort am Berliner Gendarmenmarkt. Hier wurden unter seiner Leitung Konzerte, Ausstellungen, Opern und Diskussionsreihen realisiert.

In der Spielzeit 2005/06 war Berthold Schneider als Chefdramaturg der Oper Dortmund tä-tig, um im Sommer 2006 als Operndirektor an das Saarländische Staatstheater zu wechseln. Unter seiner Leitung erhielt die Saarbrücker Oper den “Preis der Deutschen Theaterverlage” für das beste Opernprogramm. Von 2012 bis 2014 war Berthold Schneider als Referent für internationale Kooperationen an der English National Opera, London, tätig. Anschließend wechselte er als Operndirektor ans Staatstheater Darmstadt. Am 8. Mai 2015 wurde er zum zukünftigen Opernintendanten der Wuppertaler Bühnen gewählt.

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