15. Dezember 2016

Martina Steimer: Mit schwarzer Perücke getarnt im Rex

Die Frau, die die Wuppertaler Kultur-Szene entscheidend mitgeprägt hat Martina Steimer und das Rex – zwei Namen, die zusammen gehören wie „Lennon & McCartney“ oder wie „Siegfried & Roy“. Die Wuppertaler Theatermacherin und ihr Haus hatten Strahlkraft weit über die Bergische Metropole hinaus.

Kultur-Managerin Martina Steimer – © Joerg Lange

Bekannte Künstler wie Götz Alsmann, Eckart von Hirschhausen, Tim Fischer oder Hagen Rether standen in ihrem Kultur-Tempel zum ersten Mal im Rampenlicht. Das Rex ist längst Geschichte, zumindest als Kleinkunst-Bühne. Doch Martina Steimer verwöhnt die Wuppertaler immer noch mit Kultur-Leckerbissen, jetzt allerdings in verschiedenen Event-Locations. Den Mittelpunkt ihres künstlerischen Schaffens hat sie inzwischen nach Bonn verlegt. Im Gespräch mit Peter Pionke verrät Martina Steimer in unserer Interview-Reihe „Hand aufs Herz“, warum sie nach wie vor in Wuppertal lebt und warum ihr die Kultur-Szene hier so sehr am Herzen liegt.

DS: Sie haben die Kulturgeschichte in dieser Stadt geprägt. Erfüllt Sie das mit Stolz?

Martina Steimer: „Ja, das erfüllt mich schon mit Stolz, aber auf der anderen Seite bedauere ich sehr, dass es mir nicht gelungen ist, das Rex zu halten. Ich hätte es so gerne als Theater weitergeführt. Aber die Sanierung wäre so aufwendig gewesen, das hätte ich einfach nicht stemmen können. Das nötige Geld war mit Kultur nicht zu verdienen. Insofern sind meine Gefühle gespalten.“

DS: Das Rex-Theater ist ja inzwischen zum Kino geworden. Was empfinden Sie bei dem Gedanken daran?

Martina Steimer: „Ich finde es ganz ganz toll, dass das Rex überhaupt gerettet wurde. Es stand ja über fünf Jahre lang leer. Ich habe immer befürchtet, dass das Gebäude eines Tages zusammenbricht. Insofern bin ich sehr froh, dass es der Stadt erhalten wurden. Meine Kollegen und ich haben schon gescherzt: Das Rex ist ja schon einmal vom Kino zum Theater geworden – vielleicht wiederholt sich die Geschichte irgendwann einmal.“

DS: Alle Entscheider der Stadt haben Ihnen ja immer anerkennend auf die Schulter geklopft, aber so richtig geholfen hat Ihnen letztlich niemand. Fühlen Sie sich da ein wenig im Stich gelassen?

Martina Steimer: „Es war sicher ein Problem, dass die Chemie zwischen OB Peter Jung und mir nicht gestimmt hat. Das war einer der Gründe, warum ich aufgehört habe. Ich habe ja nie wahnsinnige Gelder von der Stadt gefordert, sondern immer gehofft, dass es der Stadt Wuppertal wichtig wäre, das 1887 erbaute und somit älteste Theater im bergischen Städte-Dreieck zu erhalten. Man hätte für die Sanierung sicher öffentliche Gelder beim Land und beim Bund beantragen können. Aber die Stadt hat auf andere Einrichtungen gesetzt. Wobei wir uns immer bemüht haben, für den Unterhalt unseres Hauses selbst zu sorgen. Die Grund-Sanierung hätten wir aber auf keinen Fall finanzieren können. Ich fühle mich nicht im Stich gelassen, es gab eben unterschiedliche Sichtweisen. Aber dass der Stolz auf das Rex-Theater von der Stadt eigentlich nie nachempfunden wurde, das hat mir schon weh getan.“

DS: Nun gibt es ja inzwischen mit Andreas Mucke einen OB, der ein Mann des Theaters ist. Haben Sie einmal mit ihm über das Rex geprochen?

Martina Steimer: „Klar haben wir mal über das Rex gesprochen. Aber das Thema ist ja im Moment nicht aktuell. Einmal gibt es in Wuppertal keine geeignete Location, zum anderen bin ich mit der Leitung des Pantheon-Theaters in Bonn sehr eingespannt. Andreas Mucke hat ja damals bei uns erstmals auf der Bühne gestanden, gemeinsam mit Dr. Stefan Kühn als Kabarett-Duo „Don Promillo & Peperoni“.“

DS: Sie sind noch in Wuppertal mit Veranstaltungen präsent und sie wohnen auch noch hier. Was macht dies Stadt für Sie so liebenswert?

Martina Steimer: „Dafür gibt es viele Gründe. Beispielsweise kann man hier günstig leben. In vielen Großstädten könnte ich mir eine Dachgeschosswohnung wie die, in der ich jetzt lebe, gar nicht leisten. Dann wohnen hier meine ganzen Freunde. Dazu kommt, dass sich in Wuppertal in den letzten Jahren sehr viel Positives entwickelt hat. Um die Jahrtausendwende hatten wir einen Tiefpunkt erreicht. Es machte sich eine Lähmung und Depression breit. Zum Glück hatte unser Rex eine überregionale Strahlkraft. Aber jetzt gibt es hier eine Aufbruch-Stimmung, nicht nur wegen der Nordbahntrasse oder Utopiastadt. Als Wuppertal am Boden lag, sind daraus Freiräume entstanden, aus denen sich dann etwas Positives entwickelt hat.“

DS: Sie singen ja da die reinste Lobeshymne auf Wuppertal…

Martina Steimer: „Ich habe da ja den Vergleich zu Bonn. Wenn man da ein Restaurant eröffnen will, kann einem allein die Miete Kopf und Kragen kosten. Hier in Wuppertal dagegen findet man bestimmt eine passende Immobilie mit einer erschwinglichen Miete. Projekte wie z.B. die ‚Weinerei‘ sind großartig. Es ist toll, wenn lange leerstehende Ladenlokale mit tollen Ideen wieder zum Leben erweckt werden. Es macht mir mittlerweile einen Riesenspaß, hier in Wuppertal unterwegs zu sein.“

DS: Sie wären ja beinahe noch einmal in einer Wuppertaler Location sesshaft geworden. Das hat nicht funktioniert. Bereuen Sie das?

Martina Steimer: „Ich bereue das im Nachhinein nicht! Ich fand den Barmer Bahnhof als Location sehr schön und auch die ersten Gespräche mit den Eigentümern waren sehr angenehm. Dann hat sich aber gezeigt, dass die Chemie zwischen uns nicht stimmte und die ganze Sache endete unschön. Wir haben uns inzwischen wieder versöhnt. Aber aus heutiger Sicht muss ich sagen, dass der Barmer Bahnhof zwar ein toller Laden für Events und Stand-Up Comedy ist, aber eben kein Theater. Und das würde ich heute vermissen.“

DS: Sie haben in Wuppertal keine feste Heimat mehr. Ihre kulturellen Highlights finden mal im LCB, mal in der Börse und mal in der Stadthalle statt. Vorteil oder Nachteil?

Martina Steimer: „Zunächst einmal möchte ich betonen, dass alle Kollegen mich sehr freundlich aufgenommen haben. Ich stand nach dem plötzlichen Ende der Zusammenarbeit mit dem Barmer Bahnhof unter großem Druck. Ich hatte schon viele Verträge unterschrieben und brauchte dringend Locations für meine Shows. Alle haben mich mit offenen Armen empfangen. Ich kann schwören: Nicht einer aus materiellen Interessen. Das ist einer der Gründe, warum ich die Kultur-Szene hier so schätze. Aber es ist schon etwas anderes, wenn man ein eigenes Haus hat und selbst bestimmen kann, wie die Bühne beleuchtet wird, wie die Deko aussehen soll oder welchen Wein man ausschenkt.“

DS: Sie holen Spitzen-Comedians wie Ingo Appelt, Paul Panzer oder Eckart von Hirschhausen nach Wuppertal. Wie bekommen Sie solche Highlights refinanziert?

Martina Steimer: „Die kleineren Veranstaltungen tragen sich mehr schlecht als recht. Manchmal hat man 200 € übrig, weil man die eigene Arbeitszeit nicht berechnet. Die größeren Events bringen das Geld. Beispiel Volker Pispers, der sich ja leider von der Bühne verabschiedet hat. Er ist sehr sozial und hat immer super Verträge mit mir gemacht. Natürlich wusste er, dass ich damit richtig viel Geld verdiente, das ich dann wieder in andere Projekte stecken konnte. Wir hatten ja immer eine Mischung aus großen und kleineren Shows. Events beispielsweise im Kontakthof mit einer Kapazität von 70 Plätzen waren eigentlich immer ein Zuschussgeschäft, Das ist dann so eine Art Nachwuchsarbeit, die sich später auszahlt.“

DS: Bekommen Sie denn auch heute noch Stars aufgrund Ihrer persönlichen Kontakte günstiger als andere Veranstalter?

Martina Steimer: „Ja, das ist schon so. Viele Stars wie beispielsweise Hagen Rether, Mario Barth oder Urban Priol haben eben nicht vergessen, dass ich sie vor vielen Jahren verpflichtet habe, als sie noch völlig unbekannt waren und nur 15 Leute im Zuschauerraum saßen.“

DS: Inwieweit hat sich die Wuppertaler Kultur-Szene in den letzten Jahren verändert?

Martina Steimer: „Was mich sehr gewundert hat, ist die Tatsache, dass für das, was wir im Rex gemacht haben, nichts an die Stelle getreten ist. In anderen Städten hätten sich die Veranstalter förmlich darauf gestürzt. Wir hatten ja die großen Namen und damit auch Erfolg. Schon erstaunlich, dass Wuppertal als Großstadt im Kleinkunst-Bereich nicht sonderlich aktiv ist.“

DS: Welchen Künstlern werden Sie denn ein Leben lang dankbar sein?

Martina Steimer: „Zum Beispiel Tim Fischer. Seine Karriere startete gerade so richtig durch und ich habe ihn für unser kleines Dachgeschoss-Theater am Arrenberg verpflichtet, das man nur über eine Wendeltreppe erreichen konnte. Ich war einerseits stolz, machte mir aber andererseits Sorgen, dass er unser Theater für eine Bruchbude halten könnte. Doch Tim Fischer war begeistert und schwärmte: „Boah, ist das schön hier!“ Das fand ich total toll. Oder auch Götz Alsmann. Ihn hatte ich für die Eröffnung des Rex gebucht. Er ist heute noch stolz darauf, dass an dem Abend erstmals bei einer Show von ihm das Schild „ausverkauft“ an der Tür hing.

DS: Gibt es einen Künstler, den Sie nie wieder verpflichten würden?

Martina Steimer: „Ich habe da vor Jahren einmal schlechte Erfahrungen gemacht. Ich weiß aber – ehrlich gesagt – nicht mehr, um wem es sich da genau handelte. Ansonsten kann ich nur sagen, ich würde mit jedem Künstler, den ich mal verpflichtet habe, erneut zusammen arbeiten.“

DS: Sie haben doch sicher einen Traum-Star, den Sie dem Wuppertaler Publikum unbedingt einmal präsentieren möchten?

Martina Steimer: „Ja, den habe ich, nämlich die Sängerin Marianne Faithfull. Ich habe sie vor ein paar Jahren einmal in Berlin live erlebt und war total begeistert.“

DS: Woher resultiert Ihre große Liebe zu Griechenland?

Martina Steimer: „Das ist eine lange Geschichte. Mein Onkel war im Krieg auf Kreta. Er hat sich so sehr in dieses Land verliebt, dass er mit meiner Tante seit 1946 jedes Jahr dorthin in den Urlaub fuhr. Auch meine Eltern wurden mit dem Virus infiziert. Als ich sechs Jahre alt war, haben sie mich zum ersten Mal mit nach Griechenland genommen. Wir haben immer bei Freunden gewohnt. Ich habe dort mittlerweile ein Patenkind. Ich liebe das Land und die Menschen dort. Ich habe mich sehr über deutsche Landsleute geärgert, die so ignorant waren und gesagt haben: „Die Griechen sollen mal arbeiten!“ Die Griechen sind fleißige Leute, sie arbeiten mehr als wir. Mittlerweile gibt es in Griechenland ja einen unglaublichen Tourismus-Boom.“

DS: Was dürfen die Wuppertaler Kultur-Freunde im nächsten Jahr von Ihnen erwarten?

Martina Steimer: „Hagen Rether kommt, der auch im Rex angefangen hat. Die Comedians Eckart von Hirschhausen und Abdelkarim, der Puppenspieler Benjamin Tomkins, das Vollplayback-Theater und auch Markus Krebs, den ich zum ersten Mal im Programm habe.“

DS: Wann waren Sie eigentlich das letzte Mal im Rex?

Martina Steimer: „Das war im Mai 2011. Ich habe ja das Rex im August 2010 aufgegeben. Danach gab es eine kurze, nicht sehr erfolgreiche Zwischennutzung. Anschließend haben mich die Eigentümer gefragt, ob ich es nicht wieder übernehmen wolle. Dann habe ich mich doch noch einmal überreden lassen, mir das inzwischen umgebaute Theater noch einmal anzuschauen. Ich habe das Rex dann noch einmal mit einer schwarzen Perücke getarnt durch den Hintereingang betreten. Ich wollte nicht erkannt werden, sonst hätte es gleich wieder Gerüchte gegeben, ich würde das Rex wieder übernehmen.“

DS: Was tun Sie, wenn Sie nicht am Schreibtisch oder im Theater sitzen?

Martina Steimer: „Dann sitze ich im Auto auf der A3! Im Ernst: Ich bin ein echter Bücherwurm und lese sehr viel. Ich höre gerne Musik und ich bin eine leidenschaftliche Köchin. Wir bauen ja gerade im Pantheon-Theater in Bonn und wenn ich Zeit habe, koche ich da für alle Helfer. Und ich treffe gerne Freunde. Dafür fehlt mir aber leider oft die Zeit. Ich pendele ja im Moment zwischen Wuppertal und Bonn, wo auch mein Lebensgefährte Tom wohnt, hin und her.“

DS: Inwieweit hat das Pantheon-Theater in Bonn, für das Sie auch seit vielen Jahren das Programm machen, sein Gesicht verändert?

Martina Steimer: „Das Pantheon-Theater hatte 29 Jahre seine Heimat im Bonn-Center, das jetzt aber abgerissen wird. Rainer Pause und ich standen vor der Wahl: War es das jetzt oder suchen wir uns einen neuen Standort? Wir haben uns entschieden, weiter zu machen und zwar in der Halle Beuel – einer alten Fabrikhalle. Im neuen Pantheon-Theater finden maximal 430 Zuschauer Platz. Seit dem 26. Oktober spielen wir dort. Früher war das Pantheon auf politisches Kabarett fokussiert. Das hat sich heute geändert, weil viele junge Künstler ein Cross-over Programm bieten – politisches Kabarett vermischt mit Stand-Up und Comedy. Die Zeiten ändern sich eben…“

DS: Vielen Dank für das interessante Gespräch.

Text: Peter Pionke

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