6. Oktober 2017

Dirk Sachsenröder: “Unternehmer muss auf alles vorbeitet sein”

Sein Unternehmen hat bereits 135 Jahre auf dem Buckel. Seit 1996 sitzt Dirk Sachsenröder selbst im Chefsessel. Er führt das Unternehmen in vierter Generation.

Unternehmer Dirk Sachsenröder – © Sachsenröder.com

Dirk Sachsenröder ist ein Teamworker, dem ein gutes Verhältnis zu seinen gut 70 Mitarbeitern sehr am Herzen liegt. Mit seinen Vulkanfiber-Produkten, Savutec und Gasadur, ist der Wuppertaler Unternehmer Weltmarktführer, dennoch schaut auch der Patchwork-Familienvater (5 Kinder) nicht sorgenfrei in die Zukunft. Schon frühzeitig hielt Dirk Sachsenröder Ausschau nach neuen Märkten, ist ein Vorreiter in Sachen Netzwerk-Bildung. Peter Pionke unterhielt sich mit dem innovativen Unternehmer.

DS: Sie sind Chef eines Traditions-Unternehmens. Für Sie eher Motivation oder Belastung?

Dirk Sachsenröder: „Ich habe lange gezögert, ob ich diesen Job annehmen sollte, weil ich den Stress meines Vaters hautnah miterlebt habe. Aus heutiger Sicht muss ich sagen, dass es eine tolle Aufgabe ist, unternehmerisch aktiv zu sein, Verantwortung zu übernehmen. Ich sehe das als hochinteressante, spannende Berufung und bereue den Schritt in keiner Weise.“

DS: Inwieweit haben sich die Anforderungen an Ihren Job in den letzten 10 bis 15 Jahren verändert?

Dirk Sachsenröder: „Der Job ist heute ein ganz anderer. Früher hat man frühmorgens am Schreibtisch gesessen und diesen erst spät abends wieder verlassen. Heute ist man als Unternehmer durch Computer und Smartphones nicht mehr Arbeitsplatzgebunden. Aber die Aufgaben s

Ein Blick in den Produktionsbetrieb – © Sachsenröder.com

gen: Früher wurde praktisch pro Generation ein neues Produkt entwickelt, das dann über Jahre modifiziert wurde: verbessert, farblich, technisch und den Kundenwünschen entsprechend angepasst. Heute ist es keine Seltenheit, dass Standard-Märkte plötzlich wegbrechen. Dann ist man gezwungen, ganz schnell neue Produktbereiche oder Marktbereiche zu finden. Wir stellen Vulkanfiber her, ein altes, klassisches, konservatives Produkt. Unser Markt tut sich mit Veränderungen sehr schwer.“

 

DS: Und wie haben Sie trotzdem geschafft, erfolgreich zu bleiben?

Dirk Sachsenröder: „Da ich gemerkt habe, dass die klassischen Märkte nicht mehr den Ertrag bringen, den sie früher einmal gebracht haben, habe ich in den letzten zehn Jahren die Zusammenarbeit mit der Bergischen Universität massiv vorangetrieben, um neue Marktfelder zu finden. Und ich kann sagen: Uns hat die Kooperation mit der Uni sehr gut getan.“

DS: Inwieweit konnten Sie denn von der Zusammenarbeit profitieren?

Dirk Sachsenröder: „Da sind ganz neue Ideen entwickelt worden. Wir haben beispielsweise das Innovations-Labor gegründet. Daraus ist das Innovations-Netzwerk „innonet-dl“ entstanden, in dem wir uns mit vielen anderen, branchenfremden Unternehmen austauschen und so ganz neue Sichtweisen auf Märkte gewinnen. Und so probiert man viele neue Dinge aus, an die man sich vorher nicht herangetraut hat.“

DS: Angenommen, Ihr Vater würde Sie heute auf Grundlage der jetzigen Erkenntnisse und Rahmenbedingungen fragen, ob Sie die Leitung des Unternehmens übernehmen wollen – wie würde Ihre Antwort lauten?

Dirk Sachsenröder: „Ich würde das auf jeden Fall machen. Das Handwerkzeug, das man benötigt, um ein Unternehmen erfolgreich zu führen, würde ich heute aber anders gestalten. Die Ausbildung müsste praxisorientierter sein. Der Umgang mit Menschen, der ja auf der Universität nicht ausreichend gelehrt wird, ist ein schwieriges, aber sehr wichtiges Thema. Da würde ich heute die Schwerpunkte anders setzen.“

DS: Wie groß ist Ihre Sorge, dass Ihre Produkte eines Tages gar nicht mehr benötigt werden?

Dirk Sachsenröder: „Die Geschichte hat gezeigt, dass unsere Produkte seit 1881 gebraucht werden. Ich habe durchaus die Hoffnung, dass das auch in den nächsten 20 Jahren noch der Fall sein wird. Aber es gibt Marktzustände, die ein Produkt, obwohl es gebraucht wird, ganz schnell vom Markt verschwinden lassen können. Großkunden haben da schon eine erhebliche Macht-Position. Die achten beim Einkauf sehr stark auf den Preis. Und wenn ein solcher Kunde dann knallhart sagt: ‚Wenn Ihr uns nicht entgegenkommt, bestellen wir ein halbes Jahr lang nichts mehr bei Euch‘. Dann kann es durchaus passieren, dass ein Produkt ganz vom Markt verschwindet. Und das könnte für uns die Insolvenz bedeuten. Solche Probleme zu verhindern, das ist die Herausforderung für mich als Unternehmer.“

DS: Bleiben Sie auch in Zukunft ein Familienunternehmen, weil eines Ihrer fünf Kinder in Ihre Fußstapfen tritt?

Dirk Sachsenröder: „Aus heutige Sicht ist diese Frage sehr schwierig zu beantworten. Wir sind eine Patchwork-Familie, und meine Kinder sind zwischen 14 und 27 Jahre alt. Anders, als in anderen Hightech-Bereichen, sollte man als Entscheider in einem klassischen Industrie-Unternehmen mindestens 35 Jahre alt sein. Hier hat man es mit vielen älteren Mitarbeitern und Gesprächspartnern zu tun und benötigt unbedingt Berufs- und Lebenserfahrung. Dass eines meiner Kinder mein Nachfolger wird, ist sicherlich eine Option. Aber ob es wirklich so kommt, das ist noch völlig offen.“

DS: Aber mit 27 Jahren müsste bei Ihrem Stiefsohn doch zumindest eine Tendenz erkennbar sein…

Dirk Sachsenröder: „Ob mein Stiefsohn oder meine anderen Kinder in das Unternehmen einsteigen wollen, müssen sie für sich entscheiden, wenn solch ein Zeitpunkt kommen sollte. Wie solch eine Zukunft für das Unternehmen aussieht, werden die nächsten 10 Jahre zeigen.“

DS: Wenn ich Sie richtig interpretiere, schließen Sie auch einen Verkauf Ihres Unternehmens nicht aus?

Dirk Sachsenröder: „Richtig, ich schließe einen Verkauf meines Unternehmens nicht völlig aus.“

DS: Welche Strategien haben Sie denn, um Ihr Unternehmen für die Zukunft aufzustellen?

Dirk Sachsenröder: „Ganz wichtig ist, gute Berater an seiner Seite zu haben. Ich habe einen Beirat eingeführt, was ich jedem Familienunternehmen ans Herz legen kann. Dieser Beirat besteht aus einem Wirtschaftsprüfer, einem Bänker und einem Rechtsanwalt. Wir haben geplant, Strategien für alle Eventualitäten zu entwickeln. Das kann der plötzlich Tod des Unternehmers, Marktentwicklungen, Kaufangebote oder Verkaufsoptionen sein. Man muss sich früh auf solche Dinge einstellen. Ich habe mir eine Deadline von zehn Jahren gesetzt. In dieser Zeit möchte ich mit meinem Beraterteam die optimalen Strategien für unser Unternehmen entwickelt haben, um dann zum richtigen Zeitpunkt auch die richtige Entscheidung zu treffen.“

DS: Wie viele Auszubildende stellen Sie eigentlich pro Jahr ein?

Dirk Sachsenröder: „In den letzten zehn Jahren haben wir immer zwei bis drei jungen Frauen oder Männern einen Ausbildungsplatz zur Verfügung gestellt.“

DS: Was geben Sie den jungen Menschen, die bei Ihnen eine Ausbildung beginnen, mit auf den Weg?

Dirk Sachsenröder: „Immer neugierig zu sein, sich nicht zu scheuen, Fragen zu stellen, selbstbewusst auftreten, Diskussionen anregen. Und natürlich sind gewisse Regeln einzuhalten: Korrektes Auftreten und Zuverlässigkeit. Jeder junge Mensch sollte sich auch neben dem Job weiterbilden, Sport treiben und alles tun, was wichtig für die körperliche und geistige Fitness ist.“

DS: Welche Werte vermitteln Sie denn Ihren Kindern?

Dirk Sachsenröder: „Die eben genannten. Zudem lege ich ihnen ans Herz, weltoffen und respektvoll mit Andersdenkenden umzugehen, alles zu hinterfragen und nie aufzuhören, zu lernen.“

DS: Ihre Bürotür ist immer geöffnet, ist das eine Art Symbol?

Dirk Sachsenröder: „Ja, das ist es. Ein klassischer Familien-Unternehmer sieht seine Mitarbeiter als Teil der Großfamilie an. Bei uns wird immer langfristig gedacht, weil das so auch im Eigeninteresse ist. Das Miteinander mit den Mitarbeitern entscheidet maßgeblich über Erfolg oder Misserfolg. Kurze Entscheidungswege sind wichtig, deswegen ist meine Tür immer offen.“

DS: Was lässt Sie optimistisch in die Zukunft schauen?

Dirk Sachsenröder: „Wenn man sich heute in der Internet-Welt umschaut, ist man doch erstaunt, wie viele tolle, spannende Themen es zu entdecken gibt. Wenn unsere Jugend diese vielen Informationen nutzt, um daraus neue, erfolgreiche Konzepte zu entwickeln, ist mir nicht bange. Unsere Junior-Uni ist da schon einen großen Schritt in die richtige Richtung gegangen. Sorge bereitet mir allerdings die politische Situation in vielen Teilen der Welt.“

DS: Sie sind ja der Networker schlechthin. Welchen Wert besitzen solchen Netzwerke heute?

Dirk Sachsenröder: „Netzwerken ist ein ganz entscheidendes Thema geworden. Den klassischen Vertrieb, bei dem man sich die Zeit nahm, sich an einen Tisch zu setzen, um Dinge zu entwickeln und zu diskutieren, gibt es heute nicht mehr. Oft ist dieser Austausch auch aus firmentaktischen Gründen gar nicht mehr gewünscht. Also muss man auf anderen Wegen das miteinander reden wieder hinbekommen. Da bietet sich ein Netzwerk an, so wie unser Innovationsnetzwerk, in dem wir uns bewusst mit branchenfremden Unternehmen austauschen, über Erfolge, aber auch über Nöte und Sorgen reden. Man kann zusätzlich noch ehrenamtlich in Verbänden aktiv werden.“

Das Innovations-Labor des Unternehmens Sachsenröder – © Sachsenröder.com

DS: Sie engagieren sich sehr stark sozial. Wo setzen Sie da Ihre Schwerpunkte?

Dirk Sachsenröder: „Ich selbst bin Mitglied im Rotary Club Wuppertal-Süd. Da setzen wir uns für unterschiedliche soziale Projekte ein. Wir spenden viel Geld und bringen auch unseren persönlichen Einsatz. Des Weiteren unterstützen wir den Wuppertaler Sport, z.B. die Leichtathleten des WSV oder auch die Jugendmannschaften in unserem Golf-Club. Dann engagieren wir uns natürlich auch für die Junior-Uni, die Wuppertaler Tafel und 30 Vereine, die sozial aktiv sind. Wir setzen uns auch für die Integration von Flüchtlingen ein, begleiten beispielsweise den Sprachunterricht in den Grundschulen.“

DS: Was machen Sie denn in Ihrer Freizeit?

Dirk Sachsenröder: „Ich liebe das Kochen. Genüsse sind immer gut fürs Leben. Wir haben einen ganz spannenden Kochclub gegründet. Wir sind mehrere Pärchen und unsere Maxime lautet: Die Herren bekochen die Damen. Ich bin beispielsweise der Wild-Spezialist, weil ich aus einer Jägerfamilie komme. Ich habe eine liebevolle Frau, mit der ich gern auf Reisen gehe. Wir spielen gemeinsam Golf, ein Sport, den ich erst mit über 50 Jahren erlernt habe, aber der uns beiden sehr viel Spaß macht.“

DS: Wenn jetzt die berühmte Fee um die Ecke käme und sie hätten einen Wunsch frei, was würden Sie sich wünschen?

Dirk Sachsenröder: „Weltweiten friedvollen Umgang der Menschen untereinander. Und für die Familie wünsche ich mir Gesundheit.“

Das Interview führte Peter Pionke

 

VITA
Dirk Sachsenröder wurde am15. Mai 1963 in Wuppertal-Barmen geboren. Nach Abitur auf dem heutigen Johannes-Rau-Gymnasium und abgeschlossenem BWL-Studium an der Universität Bielefeld, trat er 1993 in das Familienunternehmen ein. Seit dem Tod seines Vaters im Jahr 1996, leitet er die Sachsenröder GmbH & Co. KG in vierter Generation. Dirk Sachsenröder fühlt sich eng mit „seiner“ Stadt Wuppertal verbunden. In der Vereinigung der Unternehmerverbände (VBU) führt er den Arbeitgeberverband der chemischen Industrie im Bergischen Land als Vorstandsvorsitzender. Er ist Gesellschafter des Technologiezentrums Wuppertal (W-tec) und Vize-Präsident der Industrie- und Handelskammer Wuppertal, Solingen, Remscheid. Dirk Sachsenröder ist Mitglied im Rotary Club Wuppertal-Süd und engagiert sich für zahlreiche soziale Einrichtungen. Der passionierte Golfer (Handicap 17) und Motorrad-Fahrer ist mit Ehefrau Nicole verheiratet und hat insgesamt fünf Kinder.

Kommentare

Neuen Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert