12. Oktober 2017Peter Pionke
Lebensverändernde Bundestagswahl
„Es war wahnsinnig harter Kampf. Wahlkampf, der wirklich Kampf war. Jedenfalls bei mir.“ Wer Helge Lindh, den SPD-Bundestags-Kandidaten für den Wahlkreis Wuppertal I, in diesen Tagen treffen will, der müsste dafür wohl eher nach Berlin fahren. Er würde dort einen Mann erleben, der stolz, glücklich und erschöpft zugleich ist. Diese Bundestagswahl hat vieles durcheinander gewirbelt, nicht nur zunächst noch eher abstrakt auf Bundesebene, sondern ganz konkret im Kleinen im Lokalen, in Wuppertal.
Bundestagswahl ist für diejenigen, die sich als Kandidaten aufstellen lassen, auch immer eine Art Glücksspiel, zwar eines, dessen Variablen sie durch ihr Handeln beeinflussen können, aber dennoch auch eines, dessen Ausgang sie – obgleich er enorme Folgen für ihr Leben haben kann – nicht kennen.
Helge Lindh ist so ein Beispiel. Lange war es ein Kopf an Kopf-Rennen zwischen ihm und dem CDU-Kandidaten Rainer Spiecker. Die Wahl, sie hätte auch anders ausgehen können, dann wäre Helge Lindh jetzt nicht in Berlin, würde nicht beginnen, seinen politischen Alltag zu planen, hätte wohl anders weitergemacht – irgendwie.
„Nach dem Sieg kam Erleichterung, aber auch gewisses Loch, ein Moment der Leere. Kein Jubel, keine Gefühlsexplosion meinerseits. Was passiert ist, habe ich erst langsam realisiert. Jetzt bin ich Bundestagsabgeordneter und habe erfolgreich ein parteiinternes Verfahren und einen Wettbewerb zwischen Kandidaten gewonnen, das hätte man vor fünf Jahren niemals für möglich gehalten. Es ist eine Chance, ein Geschenk.“
Andere hingegen sind in Berlin schon etabliert, wie beispielsweise Jürgen Hardt, der CDU-Kandidat für den Wahlkreis II, der vor der Wahl schon Abgeordneter war und danach noch immer. Trotzdem stehen auch für ihn nun andere Zeiten bevor: „In Berlin stehen wir vor schwierigen Koalitionsverhandlungen. Ich halte eine Koalition aus CDU, CSU, FDP und Grünen für machbar. Dies ist eine große Herausforderung, aber auch eine große Chance. Jetzt müssen Demokraten zusammenstehen. Als CDU-Kandidat bin ich sicher, für die gute Sache unterwegs zu sein. Das stärkt mir den Rücken, selbst wenn es Gegenwind gibt.“
Während die Direktkandidaten sich ihre Chancen vor der Wahl zumindest annähernd ausrechnen können, ist es für die Kandidaten, die über die Landesliste in den Bundestag gelangen, noch schwieriger. Sie sind abhängig vom Gesamt-Wahlergebnis ihrer Partei. Das kann desaströs ausfallen, so wie nun bei der SPD geschehen.
Oder es kann überraschend gut ausfallen, so wie bei der FDP. Und plötzlich zieht ein Kandidat wie Manfred Todtenhausen auch nach Berlin: „Mit der ersten Hochrechnung um 18.00 Uhr war mir die Möglichkeit bewusst, dass ich es geschafft haben könnte. Die Mitteilung, dass es geklappt hat, kam dann um 00.40 Uhr. Sicher freue ich mich über das sehr gute Abschneiden der FDP. Und das Ergebnis der AFD ist mir Motivation, bessere Politik zu machen.“
Todtenhausen, „im Herzen Wuppertaler“, wird nun zum Berufspendler, seinen Wohnort wechseln möchte er nicht. Für ihn und auch für seine Familie wird es eine anstrengende Zeit – und dann ist da auch noch das eigene Unternehmen, das der gelernte Elektroinstallateur aufgebaut hat und das jetzt andere übernehmen müssen.
Doch Todtenhausen hat vorgesorgt: „Das habe ich bereits vor längerer Zeit mit einer Nachfolgelösung vorbereitet. Ansonsten wäre eine politische Tätigkeit schwer machbar.“ Die Bundestagswahl: Ein Kreuz auf einem Stück Papier entscheidet über Lebenswege, über Schicksale, Wohnorte und Berufsperspektiven.
Und letztlich ist es mit Politikern wohl ein bisschen so wie mit Fußballern. Viele geben viel auf, um die Chance zu haben, oben mitspielen zu können –davon leben können am Ende aber nur die wenigsten.
Text: Jan Filipzik
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