9. Januar 2018Peter Pionke
Simone Osygus: Immer weniger Kids können schwimmen
Dem deutschen Schwimmsport steht das Wasser bis zum Hals. Die Zeiten von Simone Osygus und Peter Nocke, Galionsfiguren des deutschen Schwimmsports und der Wassersport-Hochburg Wuppertal, sind lange vorbei, Medaillen für deutsche Teilnehmer an internationalen Wettbewerben Mangelware.
Die Schwimm-Abteilung des SV Bayer hält zum Glück die Fahne hoch – nicht zuletzt wegen Simone Osygus, Geschäftsführerin der Schwimmabteilung des SV Bayer Wuppertal und Vorsitzende des Wuppertaler Schwimmverbandes.
Sie setzt mit ihrem Trainerstab um Michael Bryja verstärkt auf die Jugendförderung und schwimmt damit auf der Erfolgswelle. Bei dem DSV-Endkampf des Deutschen Mannschaftswettbewerbes der Jugend am 27./28.01.2018 in der Schwimmoper ist der SV Bayer gleich mit zwei Mannschaften vertreten (Weibliche Jugend B – Männliche Jugend C).
Simone Osygus hat in ihrer aktiven Zeit als Leistungsschwimmerin fast alles gewonnen, was man gewinnen kann: Achtfache Deutsche Meisterin über 50 und 100 Meter Freistil, viermalige Europameisterin, Silbermedaillen-Gewinnerin bei Olympia 1996 in Atlanta, zweimal Bronze bei den Olympischen Spielen in Barcelona (1992) und Atlanta (1996), drei Mal Vize-Weltmeisterin, um nur einige Erfolge aufzuzählen.
Simone Osygus: „Das Leistungsschwimmen muss man als Kind wollen. Es ist ein sehr trainingsintensiver Sport. Unsere Aufgabe ist es, die Kinder, die wirklich Spaß an unserem Sport haben, entsprechend zu fördern. Das Problem ist, dass die Kinder, die für den Schwimmsport geeignet sind, auch das Talent für andere Sportarten wie Fußball, Handball oder Tennis haben.“
Aber dass Simone Osygus und ihre Mitstreiter durchaus überzeugende Argumente haben, den Nachwuchs für den Schwimmsport zu begeistern, beweist schon die Tatsache, dass der SV Bayer Talente besitzt, die ganz vorneweg schwimmen: Christian vom Lehn, Finn Minuth, Jan Delkeskamp, Alexander Konz, Yannis Willin und nicht zuletzt Celine Osygus, die Nichte von Simone Osygus.
Simone Osygus: „Unsere Struktur und Infrastruktur hier in Wuppertal ist sehr gut mit dem Leistungszentrum, das hoffentlich im März 2018 wieder zur Verfügung steht, und mit der Schwimmoper.“
Und natürlich schwimmt der SV Bayer auch obenauf, weil ein Globalplayer, wie die Bayer AG, dahinter steht. „Leistungsport auf diesem Niveau ist für einen kleinen Verein gar nicht machbar. Man braucht dafür viele Honorartrainer und hauptamtliches Personal. Wir haben eine enge Kooperation mit dem SV Neuenhof und den Wasserfreunden“, erklärt Simone Osygus, die bedauert, dass es in Wuppertal kein Schwimm-Internat wie in Essen oder Dortmund gibt. „Die beiden Städte haben dadurch ganz eindeutig die bessere Basis. Natürlich träumen wir auch von einem solchen Internat für Talente, die nicht aus Wuppertal kommen.“
Aber auch ohne Internat behauptet der SV Bayer bislang seinen Platz an der Spitze. Simone Osygus: „Die Mädels B rechnen sich beim Bundesfinale im Januar durchaus eine Medaillen-Chance aus. Und das vor einer Heimkulisse in der tollen Atmosphäre der Schwimmoper.“
Auch wenn die Schwimmabteilung des SV Bayer keine Nachwuchsprobleme hat, die Entwicklung des Schwimmens als Breitensport sieht Simone Osygus mit Sorge. Im Zeitalter von PC-Spielen und Smartphones ist es alles andere als leicht, die Kids ins Schwimmbecken zu bekommen.
Simone Osygus: „So sehr sich die 17 Wuppertaler Vereine mit einer Schwimm-Abteilung auch bemühen, ist es leider so, dass jedes dritte Kind unter zehn Jahren nicht schwimmen kann. Tendenz steigend. Viele Eltern verlassen sich da total auf die Schule. Aber bei dem wenigen Schwimm-Unterricht, der auf dem Stundenplan steht, ist es schier unmöglich, dass die Kinder das Schwimmen lernen. Da müssen die Eltern schon im Vorschulalter ihrer Kinder selbst die Initiative ergreifen.“
Die Gründe, warum viele Kinder nicht schwimmen können, liegen für Simone Osygus auf der Hand: „In einigen Familien spielt der Kostenfaktor eine Rolle, da ist das Geld für einen Schwimmkurs einfach nicht da. Bei anderen passt der Schwimmtermin gar nicht mehr in den Wochenkalender. Da ist die komplette Freizeit fest verplant für Klavier- oder Tanzunterricht, Tennis, Fußball. Ich höre oft ‚Schwimmen? wann soll ich das denn zeitlich noch machen?‘“
Ein Kind, das motorisch fit sei, brauche – so Simone Osygus – mindestens 15 – 20 Stunden Schwimmunterricht. „Manche Kids haben ja schon Angst vor der Dusche, wie soll man ihnen dann das Schwimmen beibringen? Alle Eltern sollten eigentlich ein großes Interesse daran haben, dass ihre Kinder schwimmen können, schließlich kann das ihr Leben retten.“
Simone Osygus selbst geht nur noch im Urlaub schwimmen: „Ich habe 19 Jahre Leistungssport betrieben. Das reicht. Das Kapitel ist beendet. Außerdem fehlt mir auch die nötige Freizeit, ich habe drei Kinder, einen Hund und ein Pferd.“
Schließlich hat die frühere Weltklasse-Schwimmerin auch einen sehr Zeit intensiven, arbeitsreichen Job, als erfolgreiche Geschäftsführerin und Talent-Späherin der SV Bayer-Schwimmabteilung.
Text: Peter Pionke
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