9. März 2018Peter Pionke
Kerstin von der Linden: Das neugierigste Wesen…
Wenn sie die WDR-Sendung „Lokalzeit Bergisches Land“ moderiert, geht rund um Wuppertal die Sonne auf. Kerstin von der Linden, charmant, kompetent, verbindlich, wortgewandt! Auf ihrer Webseite charakterisiert sie sich treffend selbst: „Ich bin Journalistin, Moderatorin – und als Ruhrpott-Kind mit dem nötigen Humor ausgestattet – muss ich auch als Fan des VfL Bochum. Und ich passe in gängige Kleidergrößen!“ Das liegt vermutlich auch daran, dass sich Kerstin von der Linden gesund ernährt. Immerhin hat sie das vielbeachtete Buch „Mein süßes Leben ohne Zucker“ veröffentlicht, in dem sie Tipps gibt, wie man auf Zucker verzichten kann, ohne dabei Lebensqualität einzubüßen. Peter Pionke unterhielt sich mit der neugierigen, quicklebendigen Journalistin und Mutter von Zwillingen, die gerne mal mit ihrer Vespa Px 80 durch die Gegend „brettert“.
DS: Wie kommt man als Ruhrpott-Lady im Bergischen Land klar?
Kerstin von der Linden: „So groß ist der Unterschied ja gar nicht. Das sind ja jetzt keine komplett unterschiedliche Kulturkreise. Ich kann unfallfrei mit der Schwebebahn fahren, ich kann mich artikulieren und die Leute verstehen das. Ich kann Langerfeld und Langenberg auseinanderhalten und ich kann auch mit der Dröppelminna wunderbar umgehen. Das funktioniert schon.“
DS: Haben Sie so etwas wie ein Vorbild als Moderatorin?
KvdL: „Ein echtes Vorbild habe ich nicht. Ich möchte niemanden kopieren, sondern als Moderatorin und Journalistin meinen eigenen Weg gehen. Es gibt aber Kollegen, die ich wegen ihrer Arbeit sehr schätze, z.B Thomas Walde, Moderator des ZDF-Magazins „Berlin direkt“ für seine Interview-Techniken. Oder die US-Moderatorin Rachel Maddow, die mit ihrer Rachel-Maddow-Show beim Sender MSNBC sehr erfolgreich ist. Ich mag ihre Art, Themen anzugehen.“
DS: Unterhalten Sie eigentlich Kontakte zu Moderatorinnen und Moderatoren anderer Sender?
KvdL: „Natürlich kennt man sich untereinander. Ich komme ja aus dem Sportbereich. Da fällt mir beispielsweise Marco Hagemann ein, der ist ja für RTL, Eurosport und SKY unterwegs. Mit Martina Eßer vom WDR bin ich befreundet. Man kennt sich, schätzt sich. Aber das ist jetzt keine eingeschworene Moderatoren-Gemeinschaft, die sich regelmäßig auf ein Käffchen trifft.“
DS: Auch Sie haben ja eine Privat-Sender-Vergangenheit. Konnten Sie Ihren Moderations-Stil beibehalten oder mussten Sie daran justieren?
KvdL: „Vom eigenen Moderations-Stil konnte man in meiner Anfangszeit bei „Sat1-regional“ eigentlich noch gar nicht sprechen. Ich war damals viel unsicherer als heute. Insofern hat sich mein Stil im Laufe der Jahre sicher verändert. Das hat aber nichts mit privat oder öffentlich-rechtlich zu tun, sondern mit Erfahrung und Selbstbewusstsein. Junge Kolleginnen und Kollegen, die Ende 20 sind, befragen einen gestandenen Politiker sicher ganz anders, als ich mit Mitte 40, als Frau, die mitten im Leben steht und eine ganz andere Erfahrung mitbringt.“
DS: Für Kolleginnen bei den privaten Sendern gilt ja so etwas wie eine Altersgrenze. Und irgendwann sind sie plötzlich vom TV-Schirm verschwunden. Haben Sie Mitleid mit diesen Kolleginnen?
KvdL: „Mitleid ist da der falsche Begriff, weil man natürlich vorher weiss, worauf man sich einlässt, wenn man sich vor einer Kamera präsentiert. Ich würde das auch nicht nur aufs Fernsehen beschränken, das betrifft auch andere Branchen. In vielen Bereichen haben es ältere Menschen trotz ihrer Erfahrung schwerer. Meine Meinung ist klar: Wenn jemand in seinem Job permanent Fehler macht, dann gibt es gute Gründe, ihn nicht weiter zu beschäftigen. Das Alter darf aber nicht der entscheidende Grund sein und auch nicht das Geschlecht.“
DS: Sie haben an der Uni Essen Kommunikationswissenschaften Politologie und Soziologie studiert. Ist das die ideale Basis für eine Moderatorin eines Regional-Magazins mit kommunalen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Schwerpunkten?
KvdL: „Es ist zumindest nicht hinderlich. Obwohl ich generell sagen muss, dass ich es ganz wichtig finde, dass ein Journalist sein Handwerk beherrscht, die Gabe hat, zuzuhören und in der Lage ist, komplexe Sachverhalte einzuschätzen. Das ist aus meiner Sicht viel wichtiger als tolle Uni-Abschlüsse oder sogar Akademiker-Titel.“
DS: Sie sind nicht nur ausgebildete Skilehrerin, sie besitzen auch einen Tauchschein. Hilft Ihnen das, auch in Ihrem Job gelassen und tariert zu bleiben?
KvdL: „Das ist ein ganz interessanter Ansatzpunkt. Darüber habe ich eigentlich noch gar nicht nachgedacht. Beide Sportarten haben ja auch etwas mit Gleichgewicht zu tun. Und es passt ja auch zu meinem Job, ein ausgleichendes Moment zu sein. Wir haben ja gerade sehr spannende Zeiten, da ist es für die Zuschauer sicher wichtig, dass es Journalistinnen und Journalisten gibt, denen sie vertrauen können, die fest auf dem Boden stehen und sagen: ‚In der nächsten halben Stunde begleite ich Sie einmal durch dieses oder jenes Thema‘.“
DS: Womit kann man Sie so richtig aus der Fassung bringen?
KvdL: „Das soll jetzt nicht überheblich klingen, aber im Moment fällt mir wirklich nichts ein, was mich aus der Fassung bringen könnte. Ich habe in meinem Berufsleben eigentlich schon alles erlebt – da fehlt höchstens noch ein Flitzer im Studio. Bei mir in der Sendung waren Leute, die schrille Meinungen vertreten haben, die herumgebrüllt haben, andere, die sehr schüchtern waren. Ich hatte aber auch total nette Erlebnisse: Einer unserer Zuschauer hat mir mal zwei Gläser Honig am Sender vorbeigebracht, weil er gehört hatte, das ich stark erkältet war. ‚Das ist für Ihre Stimme‘, hat er zu mir gesagt. Das fand ich sehr rührend.“
DS: Den TV-Sendern laufen die jungen Zuschauer weg. Sehen Sie ein Mittel, erfolgreich dagegenzusteuern?
KvdL: „Das Thema beschäftigt uns beim WDR natürlich auch. Ein Allheilmittel habe ich aber auch nicht parat. Aber ich bin ja auch als Lehrbeauftragte an der Dortmunder Uni für den journalistischen Nachwuchs unterwegs. Und da stelle ich fest, dass sich Qualität durchsetzt. Nachrichten und unsere regionale Berichterstattung werden auch in Zukunft wichtig bleiben. Wenn man jünger ist, hat man seinen Kopf noch woanders. Spätestens mit dem Eintreten ins Berufsleben interessiert sich fast jeder wieder für das, was um ihn herum in der Region passiert. Wenn man das Regionale stärkt und ausbaut, kann man damit die Leute bei der Stange halten.“
DS: Gibt es ein Traum-Format, das Sie gern einmal moderieren würden?
KvdL: „Ich bewerbe mich jetzt hiermit offiziell für ein Format, bei dem man lange und intensiv in ein Thema eintauchen oder sich ausgiebig mit einer Person beschäftigen kann. Das entspricht meinem Naturell. Ich liebe Interviewformate und ich führe wahnsinnig gerne auch selbst Interviews. Ich möchte etwas lernen, ich möchte etwas für mich mitnehmen. So ein tiefgründiges Interview-Format würde ich sehr gerne moderieren.“
DS: Was war denn bislang Ihr schönster Moment als Fernseh-Moderatorin?
KvdL: „Es gibt für mich nicht den einen schönsten Moment. Ich finde es immer wieder ganz toll, mit meinem Team im Wuppertaler Studio zusammenzuarbeiten. Wir produzieren ja immer gemeinsam eine 30minütige Live-Sendung, die regelmäßig unter Hektik und Zeitdruck auf den letzten Metern entsteht. Alle geben dafür ihr Bestes. Dieser Teamgeist ist immer wieder aufs Neue ein schöner Moment, den ich sehr genieße.“
DS: Und Ihr bislang peinlichster Moment?
KvdL: „Ich habe mal beim Hessischen Rundfunk eine Sendung mit verschiedenen Show-Elementen moderiert. Das sollte ich rückwärts moderierend aus der Szenegehen. Hinter mir gab es eine große Showtreppe, auf der – wenn ich mich recht erinnere – Peter Maffay mit seiner Band stand. Und ich war plötzlich aus dem Bild verschwunden, weil ich rückwärts über die Treppe gefallen bin und nicht mehr zu sehen war.“
DS: Mit welchen Argumenten würden Sie heute eine Abiturientin oder einen Abiturienten davon überzeugen, TV-Journalist zu werden?
KvdL: „Als Lehrerin und Ausbilderin für den journalistischen Nachwuchs an den Unis in Dortmund und Münster bin ich da schon dicht dran. Ich empfehle diesen Job immer wieder Leuten, die Dingen auf den Grund gehen wollen und nicht thematisch immer nur in eine Richtung denken wollen. Wer Spaß daran hat, sich Wissen anzueignen und dieses dann wirklich fachkundig zu teilen, der ist beim Journalismus richtig aufgehoben. Man muß stressresistent sein, aber es ist ein ganz toller Beruf. Ich kann jedenfalls von Herzen sagen, dass ich jeden Tag gerne zur Arbeit fahre.“
DS: Wuppertaler reden nur selten positiv über ihre Stadt. Wenn Sie denen jetzt Argumentations-Hilfen geben sollte, wie würden diese lauten?
KvdL: „Ich bin ein positiv denkender Mensch. Ich kann es überhaupt nicht nachvollziehen, wenn Menschen über ihre eigene Stadt schimpfen. In Wuppertal habe ich das aber noch nie erlebt. Ich finde, die Leute hier bringen eine Menge Stolz mit, was ihre Stadt angeht. Und das können sie ja auch. Wer hat bitteschön schon eine Bahn, bei der die Schienen in der Luft hängen. Die Stadt hat viele Facetten. Und meine positiven Argumente haben die Wuppertaler gar nicht nötig.“
DS: Wie viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen sind auch Sie Medientrainerin. Was sind das für Leute, denen Sie souveränes Auftreten beibringen?
KvdL: „Ich mache kein Medientraining für Politiker oder Wirtschafts-Manager.
Ich kümmere mich als Lehrbeauftragte an der Uni vorwiegend um den journalistischen Nachwuchs. Ich möchte wissen, wie Medien funktionieren und welche Strömungen es gerade gibt. Das ist mein persönliches Interessensfeld.“
DS: Sie sind stolze Besitzerin einer Vespa. Ein Stück weit Nostalgie oder ist der Roller für Sie eine echte Alternative zum Auto?
KvdL: „Wenn Sie anspringt, ist sie wirklich eine Alternative zum Auto. Mein Schätzelein ist gerade zum dritten Mal in derselben Werkstatt, weil sie ein paar Winterschwierigkeiten hat und der Fehler nicht gefunden wird. Vielleicht meldet sich ja auf diesem Wege ein Schrauber, der Ahnung von einer Vespa Px 80 hat. Ich habe den Roller seit 20 Jahren. Ich mag dieses Rasenmäher-Geräusch.“
DS: Was tun Sie, wenn Sie mal richtig abschalten wollen?
KvdL: „Ehrliche Antwort: Nichts! Aber das kommt leider ganz selten vor. Mir hat mal jemand gesagt: ‚Kerstin, Du bist eine Frau und Du bist Journalistin, dadurch bist Du per se das neugierigste Wesen auf dem Planeten. Insofern bin ich halt immer mit irgendetwas beschäftigt, ich lese und koche total gerne. Aber wenn ich könnte, würde ich sehr gerne einfach nichts tun, sondern nur schön in die Sonne gucken…“
DS: Sie sind erklärter Fan des VfL Bochum. Inwieweit verfolgen Sie auch den Weg des WSV?
KvdL: „Ich komme aus dem Sportjournalismus, war früher beim DSF – heute SPORT1 – und beschäftige mich auch näher mit dem Fußball. Deshalb interessiert mich der WSV auch nicht nur beruflich. Die Fans des VfL Bochum und die des Wuppertaler SV haben ja außerdem die Fähigkeit gemein, zu leiden. Das ist dann auch die Verbindung, die ich mit dem WSV habe.“
DS: Vielen Dank für das sehr interessante, informative Gespräch.
Vita
Kerstin von der Linden wurde 1972 im Ruhrgebiet geboren. An der Universität Essen absolvierte sie ein Studium der Kommunikationswissenschaften, Politologie und Soziologie. Ihr Volontariat machte sie bei „Sat.1“ in Dortmund und moderierte dort die NRW-News-Sendung „Sat1 regional“ wochentags um 17:30 Uhr.
Später wechselte Kerstin von der Linden u.a. als Sportreporterin und -Moderatoin zum DSF (heute SPORT1). Seit 2001 moderiert sie im WDR die Sendung Lokalzeit (jetzt „Lokalzeit Bergisches Land“).
Im Mai 2017 veröffentlichte Kerstin von der Linden ihren Ernährungs-Berater „Mein
süßes Leben ohne Zucker“, ein Taschenbuch mit 240 Seiten, erschienen im „Verlag Komplett Media GmbH“ (ISBN-10: 3831204381 oder ISBN-13: 978-3831204380).
Kerstin von der Linden wohnt im Ruhrgebiet, ist verheiratet und Mutter von Zwillingen (Nadja & Paul). Ihre Hobbies: Skifahren, Tauchen, Lesen, Kochen und Vespa-Roller fahren.
www.kerstinvonderlinden.de – www.purundsuess.de
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