21. Juli 2018Peter Pionke
Thomas Laske: Ein Bariton erobert die Musik-Welt
Eine „schrecklich“ musikalische Familie. Vater Thomas Laske ist einer der erfolgreichsten Baritone Deutschlands. Mutter Catarina Laske-Trier glänzt als Flötistin im Sinfonieorchester Wuppertal, Tochter Letizia (8) spielt Geige und Söhnchen Valentin (6) schlägt mit viel Talent in die Klaviertasten. 15 Jahre lang war Thomas Laske (48) festes Ensemble-Mitglied der Wuppertaler Bühnen, bis er wie viele seiner Kollegen von Intendant Toshiyuki Kamiokas Kündigungswelle weggeschwemmt wurde.
Als gefragter und gefeierter Bariton bereist der gebürtige Stuttgarter jetzt die Musik-Welt. Nur wenige wissen, dass der Wahl-Wuppertaler, der 2003 vom Fachblatt „Theater pur“ zum besten „Nachwuchsopernsänger des Jahres“ gewählt wurde, auch einen Abschluss als Dipl. Ton- und Bild-Ingenieur in der Tasche hat. Die STADTZEITUNG hat sich mit dem facettenreichen Ausnahme-Sänger unterhalten.
DS: Wie sind Sie überhaupt bei der Musik gelandet?
Thomas Laske: „Ich bin mit neun Jahren den Hymnus-Chorknaben in Stuttgart beigetreten. Da haben wir in erster Linie geistliche Lieder gesungen, viel von Johann Sebastian Bach oder Heinrich Schütz. Dadurch bin ich früh mit klassischer Musik in Berührung gekommen. Wir haben damals schon 50 Konzerte im Jahr gesungen. Ein Freund aus dem Knabenchor ist später Bar-Pianist geworden, mit ihm habe ich dann einige Sessions öffentlich gespielt. Er ist heute übrigens Radiomoderator beim NDR Kultur.“
DS: Wie haben Sie Toshiyuki Kamioka als Intendanten erlebt?
Thomas Laske: „Sagen wir es mal so: Hauptsächlich als nicht vorhanden! Das erste, das ich von ihm als Intendant erlebt habe, waren die Kündigungsgespräche. Ich war als Ensemblesprecher an diesen Gesprächen beteiligt und auch selbst Betroffener der Kündigungswelle. Ansonsten war er als Intendant aus meiner Sicht kaum da. Ich habe es ja dann nur noch aus der Ferne miterlebt. Aber wie mir Kollegen berichtet haben, war das Haus leer und tot.“
DS: Können Sie denn seine Maßnahme nachvollziehen, dem festen Ensemble zu kündigen und mit ständig wechselnden Musikern arbeiten zu wollen?
Thomas Laske: „Überhaupt nicht! Er versuchte, ein Modell zu bauen, das in Deutschland einmalig war und so auch nicht funktionieren konnte. Es hat ja seine Gründe, warum alle anderen Theater auf ein festes Ensemble bauen und auch Wuppertal zu dem Prinzip zurückgekehrt ist. Ich habe es mehrfach im Ausland erlebt, dass da gestandene Sänger für ein Projekt einige Wochen zusammen kamen, konzentriert probten, auftraten und dann wieder auseinander gingen. Das waren alles erfahrene Profis. Aber das Konzept kann man auf einen normalen Theaterbetrieb gar nicht übertragen, da hat es ohnehin einen erheblichen Wandel gegeben.“
DS: Das müssen Sie uns aber näher erklären:
Thomas Laske: „Früher konnten junge Sänger – so wie ich damals – von der Berufserfahrung der älteren Kollegen profitieren: Wie kann man sich beispielsweise eine Orchesterprobe effizient einteilen, wie gehe ich mit einer großen Partie um, wenn ich sie neu lerne. Die älteren Sänger stehen heute als wertvolle Helfer nicht mehr zur Verfügung, weil sie entlassen worden sind. An den kleineren Theatern sind die Ensembles heutzutage sehr jung, weil die neuen Intendanten aus Kostengründen keine Leute mehr in die Unkündbarkeit übernehmen, die nach 15 Jahren Ensemble-Mitgliedschaft einsetzt. Nur die ganz großen Häuser leisten sich noch Ensembles mit einer gewissen Altersstruktur.“
DS: Besteht bei unkündbaren Ensemble-Mitgliedern nicht die Gefahr, dass sie aus Bequemlichkeit nicht mehr 100 Prozent ihres Potentials abrufen?
Thomas Laske: „Das glaube ich nicht. Wir haben ja grundsätzlich befristete Verträge, die in der Regel von Saison zu Saison um ein Jahr verlängert werden. Also kann man sich gar nicht hängen lassen. Abgesehen davon steht man dem Publikum gegenüber in der Pflicht. Man kann sich auf der Bühne nicht verstecken. Wer es sich bequem macht, ist ganz schnell raus.“
DS: Gibt es denn auch Tage, an denen Sie stimmlich nicht so gut drauf sind?
Thomas Laske: „Die gibt es immer wieder. Die Kunst ist, dass man an solchen Tagen, mit dem auskommt, was einem zur Verfügung steht. Ich muss mir dann die Partien anders einteilen.“
DS: Welche Tricks gibt es, dem Publikum einen schwächelnden Tag zu verheimlichen?
Thomas Laske: „Es gibt da Möglichkeiten. Wenn ich einen hohen Ton nicht wie normal bringen kann, singe ich ihn kürzer oder gehe die Phrase anders an. Ich kann dann auch etwas weniger körperbetont singen. Man kann da schon gewisse Klippen umschiffen. Jeder kennt ja die schwierigen Punkte einer Partie.“
DS: Haben Sie schon einmal erlebt, dass Kollegen auf der Bühne ausgebuht wurden?
Thomas Laske: „Das habe ich bislang wirklich nur bei Regisseuren erlebt.“
DS: Haben Sie nicht Kamioka zu verdanken, dass Sie viel in der Welt herumkommen?
Thomas Laske (lacht): „Ja schon. Aber ich hatte vorher schon immer eine sehr komfortable Vertragssituation. Ich konnte somit auch außerhalb von Wuppertal gastieren. Jetzt als freiberuflicher Sänger kommen mir die Kontakte zugute. Die Aufträge springen mich zum Glück mehr oder weniger an.“
DS: Ist es denkbar, dass Sie irgendwann wieder in Wuppertal auf der Bühne stehen?
Thomas Laske: „Denkbar ist vieles. Ich hätte auch nichts dagegen. Wichtig wäre aber für mich, dass die Aufgabe interessant ist. Ich wohne ja weiter in Wuppertal und werde immer wieder von Bürgern gefragt, wann ich mal wieder hier im Opernhaus singe. Mal sehen!“
DS: Sie sind ja jetzt auf der ganzen Welt zuhause. Warum wohnen Sie dann noch in Wuppertal?
Thomas Laske: „Meine Frau Catarina hat ihren festen und unkündbaren Job als Flötistin im Sinfonieorchester Wuppertal und wir haben zwei Kinder, die hier in die Schule gehen. Wir fühlen uns in Wuppertal auch sehr wohl, wir haben hier ein schönes Haus und gute Freunde. Außerdem ist die Lage verkehrstechnisch optimal. Es gibt viel Arbeit für mich in der Umgebung und dann liegt ja auch der Düsseldorfer Flughafen quasi vor der Haustüre.“
DS: So richtig familienfreundlich ist ja Ihr Job nicht gerade – wie kriegen Sie Familie und Beruf unter einen Hut?
Thomas Laske: „Die Leute denken immer, ich wäre ständig in der Welt unterwegs. Aber so häufig bin ich gar nicht weg – abgesehen von einem dreiwöchigen Opern-Gastspiel in Peking und einer Konzert-Tournee durch Spanien. Ich habe den Vorteil, dass ich fast die gesamte Vorbereitung zuhause erledigen kann. Anschließend fliege ich dahin, wir proben zwei Tage und dann kommen die Konzerte. Im Prinzip bin ich viel zuhause. Ich arbeite, bis die Kinder aus der Schule kommen und habe dann sogar Zeit, etwas mit ihnen zu unternehmen.“
DS: Machen Sie eigentlich auch mit Ihrer Frau Catarina Haus-Musik?
Thomas Laske: „Leider sehr selten. Aber an Weihnachten machen wir gemeinsam mit den Kindern Musik.“
DS: Welche Instrumente spielen Sie?
Thomas Laske: „Ich spiele Geige wie meine Tochter und könnte sicher in einem Laien-Orchester mitspielen. Außerdem musste ich während meines Musik-Studiums ein wenig Klavierspielen lernen. Leider beherrsche ich es nicht gut genug, als das es mir nützt. Aber immerhin reicht es, um meine Partien am Klavier vorzubereiten. Es reizt mich noch, Trompete oder Saxophon spielen zu lernen.“
DS: Welche Musik hören Sie eigentlich privat?
Thomas Laske: „Hauptsächlich Jazz oder Funk- und Soul-Musik wie Earth, Wind & Fire, Quincy Jones oder Al Jarreau.“
DS: Haben Sie eigentlich so etwas wie ein Vorbild?
Thomas Laske: „Nicht direkt. Ich habe eigentlich nur ein Vorbild, was die Gesangstechnik angeht. Und da hat mich immer Luciano Pavarotti fasziniert.“
DS: Gibt es denn eine natürliche Altersgrenze für Opernsänger?
Thomas Laske: „Es hängt elementar davon ab, wie man sich körperlich fühlt. Singen ist eine körperliche Herausforderung, darüber hinaus gibt es die technische Seite. Ich habe Kollegen mit 40 Jahren – so wie man bei uns sagt – sterben sehen. Sie konnten nicht mehr singen. Sie haben eigentlich nie richtig die Technik beherrscht. 40 Jahre sind eine Schallmauer. Da kann man einfach nicht mehr nur mit jugendlicher Kraft singen. Mitte 60 ist auch so eine kritische Grenze. Gegenbeispiel ist Bariton Franz Mazura, der steht mit 94 Jahren noch auf der Bühne.“
DS: Welche Rolle spielt die Gesundheit in Ihrem Job?
Thomas Laske: „Eine ganz große! Ich versuche deshalb, mich körperlich fit zu halten. Das bedeutet: Ich jogge bei Wind und Wetter im Wald – egal ob bei Sonnenschein oder Schneefall. Darüber hinaus hat jeder Sänger so seine Hausmittelchen. Ich nehme bespielsweise ein spezielles Nasenspray. Es gibt aber auch Situationen, wo es einfach nicht mehr geht. Meine Absagen kann ich an einer Hand abzählen. In 21 Berufsjahren habe ich drei Opern-Aufführungen und zwei Konzerte verpasst.“
DS: Welche Hobbys haben Sie?
Thomas Laske: „Große Teile meines Berufes sind mein Hobby. Das ist schon ein Privileg. Darüber hinaus ist meine Familie mein Hobby. Ebenso Gartenarbeit und Heimwerken. Das Talent habe ich von meinem Vater geerbt. Und ich reise gerne.“
DS: Wie haben Sie denn Ihre Frau kennen gelernt?
Thomas Laske: „Daran kann mich mich noch sehr genau erinnern: Es war bei einer Orchester-Probe für die Oper „Der Babier von Sevilla“. Ich hatte vorher schon gehört, dass es da neue Flötistin gab, die sehr interessant aussieht. Bis wir uns dann aber näher kennen gelernt haben, hat es noch ein Jahr gedauert.“
DS: Ihre gesungenen Heinz-Erhardt-Gedichte sind der Hit. Wie ist es dazu gekommen?
Thomas Laske: „Ein befreundeter Komponist hat die Musik dazu geschrieben. Und wir haben damit zwei Lieder-Abende im Foyer des Opernhauses veranstaltet und beide waren ausverkauft. Und inzwischen gibt es davon sogar eine CD.“
DS: Vielen Dank für das spannende, ehrliche Gespräch
Das Interview führte Peter Pionke
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