18. März 2019Peter Pionke
Barbara Knoblauch: Eltern-Führerschein – Teil 4
Konsequent bleiben – das ist eine sehr verständliche Regel, aber eine sehr schwer umsetzbare. Konsequenz heißt nicht gleich Strenge. Es bedeutet aber, dass es eine Grenze gibt, die eingehalten werden muss. Die Grenze ist eng oder weit gesteckt, je nach Familie. Es bedeutet, dass ein „Nein“ ein „Nein“ ist. Wenn Sie sagen, „es gibt kein Eis mehr“, dann darf es keins mehr geben.
Das Kind wird je nach Vorerfahrung bohren und vielleicht doch noch zehn Mal fragen. Bleiben Sie dabei. Mit der Zeit hat ihr Kind gelernt, die Mama ist glaubwürdig. Wenn sie „Nein“ sagt, meint sie auch „Nein“.
Es wird seine Quengeligkeit wegen zu geringer Erfolgsaussichten einstellen. Wenn Sie nach Ihrem achten „Nein“ beim neunten Mal „Ja“ sagen, weil ihre Nerven blank liegen, haben Sie einen entscheidenden Fehler gemacht. Was lernt ihr Kind dann? Du darfst nicht aufgeben, sondern musst immer weiter bohren, irgendwann gibt die Mama schon nach. Fachleute nennen dies „intermittierende Verstärkung“.
Zeigen Sie diese Inkonsequenz in vielen Bereichen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie ein Kind heranziehen, das allgemeine Grenzen und ein „Nein“ nicht anerkennt, immer diskutiert und quengelt, in der Schule aneckt etc..
Sie können sich vorstellen, welches Verhalten dieses Kind als Erwachsener zeigt. Also, wenn sie mal keine Nerven haben oder zu Besuch bei den Großeltern sind und wissen, dass sie das konsequente Verhalten an dem Tag nicht einhalten können, dann sagen sie „Ja“. Dann bekommt das Kind eben drei Eis an diesem Tag. Aber Sie haben von vorneherein „Ja“ gesagt, sich nicht unglaubwürdig gemacht mit einem „Nein“, das Sie nicht halten können.
Der junge Mann mit dem Nobelshirt wird nicht sofort einsehen, dass sein unfreundliches Verhalten nicht mehr zum erwünschten Erfolg führt. Er wird wahrscheinlich erst recht aufdrehen und sich noch frecher verhalten nach dem Motto, wollen wir doch mal sehen, wer sich hier durchsetzt. Seien Sie darauf vorbereitet. Bleiben Sie bei Ihrem „Nein“, bleiben Sie ruhig, diskutieren Sie nicht.
Geben Sie dem Verhalten keine Beachtung, überlegen Sie sich vorher, wie sie die Situation beenden können. Spätestens beim dritten Mal hat sich die Situation beruhigt und Ihr Kind aufgegeben.
Zeigen Sie dem Kind die Süßigkeit, die es erhält, wenn es an der Supermarkt-Kasse nicht schreit. Kaufen Sie die Süßigkeit und nehmen Sie diese mit. Legen Sie den Schokoriegel oder den Dauerlutscher vor den Augen des Kindes wieder ins Regal, wenn das Kind schreit. Überlegen Sie sich vorher ein paar Worte, die Sie den umstehenden Leuten sagen, um die Peinlichkeit für Sie zu entschärfen. Ihr Kind wird nur höchstens zweimal in diese Eskalation gehen, danach verstehen, dass sich dieser Weg bei Mama nicht mehr lohnt.
Drohen Sie bitte nicht mit Maßnahmen, die sich nicht einhalten. Ihr Kind wird Sie schnell durchschauen und nicht mehr ernst nehmen. Erklären Sie ihrem 5-jährigen Sohn, der jeden Abend in ihr Bett und der sich mit Schreien durchsetzen will, dass große Kinder in ihrem Bett schlafen und dafür eine Belohnung bekommen. Diese muss dann am nächsten Morgen direkt verfügbar sein, am besten abends vorher noch gezeigt werden. Sie wird nach Schreien in der Nacht mit einer knappen Bemerkung wie „schade“ entfernt.
Informieren Sie die Nachbarschaft, dass ihr Kind an diesem Abend und wahrscheinlich auch am nächsten toben und schreien wird. Bitten Sie um Verständnis, dass jeder kommen und sich überzeugen kann, dass das Kind nicht misshandelt wird. Nach zwei Nächten wird das Kind verstanden haben, dass es mit Schreien nicht mehr durchkommt. Wenn Sie die Prinzipien einmal verstanden und auch umgesetzt haben, werden Sie erstaunt sein, wie gut es funktioniert.
Ein kurzes Wort noch zum Abschluss, eine Frage, die mir in meinem langen Berufsleben häufig gestellt wurde: Handelt es sich bei den hier aufgestellten Regeln nicht um reine Erpressung, kann man Kinder nicht auch mit Verständnis und partnerschaftlich erziehen? Wenn Sie so wollen, ja, dann handelt es sich um Erpressung. Aber das ganze Leben besteht aus Erpressungen. Ich finde den Begriff ein wenig zu negativ.
Es geht um „Wenn-Dann-Beziehungen“, die früh zum Wohle aller, insbesondere des Kindes gelernt werden müssen. „Wenn Du ohne Schutz auf die Straße läufst, dann überfährt Dich ein Auto“. „Wenn Du in die Schule gehst, dann kannst Du etwas lernen“. „Wenn Du arbeiten gehst, dann wirst Du Geld verdienen.“ „Wenn Du Deinen Partner betrügst, wird er Dich verlassen“…
Ich sehe eine Verpflichtung bei den Eltern, diese Grenzen – diese „Wenn-Dann- Beziehungen“ – ihren Kindern beizubringen, damit sie in diesem Leben auch ohne Eltern bestehen können und sich in eine Gemeinschaft eingliedern können, in der es viele Neins gibt. Partnerschaftlicher Umgang ist erst nach der Pubertät des Kindes möglich. Bis dahin haben Sie einen Auftrag zu erfüllen, verantwortungsbewusst und fair, die Bedürfnisse des Kindes beachtend, aber immer als Elternteil.
Ihr Kind hat die Kinderrolle. Das heißt beispielsweise: Kaum ein Kind geht gerne in die Schule. Ihre Aufgabe besteht darin, dem Kind beizubringen, dass es der Job des Kindes ist, dorthin zu gehen, ob es möchte oder nicht. Das Kind muss nicht wissen und einsehen, dass der Schulbesuch wichtig ist, aber Sie als Eltern sollten es wissen und umsetzen, je nach Bedingungen und Vermögen des Kindes.
Sollten die Probleme zu sehr verfestigt sein und Sie spüren, dass Sie bei der Umsetzung Hilfe benötigen, wenden sie sich an eine Beratungsstelle. Es gibt gute Programme wie „Triple-P“, die auf den genannten Prinzipien beruhen und Ihren Spielraum erweitern und wieder Freude in den Alltag bringen. Denn Kinder zu haben, sich mit Ihnen zu umgeben, sie zu begleiten, ist auch ein wunderschöner Prozess, der nicht von vermeidbaren Problemen überlagert werden sollte.
Ihre Barbara Knoblauch
Dipl.-Psych./Psychotherapeutin
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