10. Mai 2019

„Mama, da ist ein Krokodil unter meinem Bett!“

"Mama, da ist ein Krokodil unter meinem Bett!" - Tiefe, Monster und Versagen - die Wuppertaler Diplom-Psychologin Barbara Knoblauch erklärt entwicklungstypische Ängste bei Kindern und wie man ihnen als Eltern begegnet.

Diplom-Psychologin Barbara Knoblauch – © Dirk Sengotta

Ängste und Furchtzustände lassen sich in jedem Lebensalter und in allen Kulturen finden. Sie sind per se nicht krankhaft, sondern erst einmal ein adäquates Verhalten, um den Menschen vor Gefahren zu schützen. Nur dumme Menschen haben keine Ängste. Erst in übersteigertem Ausmaß an Intensität und Häufigkeit werden sie behandlungswürdig, wobei auch der jeweilige Leidensdruck eine Rolle spielt.

Im Alltag werden die Begriffe Furcht und Angst undifferenziert benutzt. Fachlich unterscheidet man die Begriffe: Werden die Reaktionen eher durch allgemeine, diffuse Inhalte hervorgerufen oder durch Dinge, die an sich nicht gefährlich sind, sprechen wir von Ängsten, bei letzterem von Phobien. Beziehen sich die Reaktionen auf bedrohliche Ereignisse und Situationen sprechen wir eher von Furcht.

Ängste können sich allgemein vielfältig äußern in Symptomen wie Bauchweh, Unwohlsein, Agitiertheit, Nervosität, Erstarren, Schwitzen oder Herzrasen. Bei Kindern zeigen sich zudem oft Rückschritte in der Entwicklung wie Einkoten, Einnässen (nach erfolgreicher Sauberkeitsentwicklung), vermehrte Alpträume, wieder schlafen im elterlichen Bett, nicht mehr in den Kindergarten gehen wollen, Sprachprobleme etc.

Je nach Alter des Kindes zeigen sich entwicklungstypische Ängste, denen das Kind bei normaler Entwicklung von allein entwächst: Der Säugling, ohne zeitliche und räumliche Vorstellungen, zeigt deutliche Reaktionen bei jähen Geräuschen und Bewegungen, fühlt sich bei nicht gestilltem Hunger existentiell bedroht.

Mit Erreichen von neuen Entwicklungsschritten legen sich die alten Ängste, dafür zeigen sich neue Formen, die entwicklungspsychologisch begründet werden können. So entsteht beispielsweise sechs Wochen nach Erwerb des Krabbelns die Tiefenangst, die den Säugling vor einer tiefen Treppe stutzen lässt.

So zeigen sich in jedem Alter entwicklungstypisch sinnvolle Ängste. Ab einem Lebensalter von etwa drei Jahren wird sich das Kind des eigenen Ichs und seiner Wirksamkeit bewusst, kann aber Realität und Phantasie noch nicht wirklich voneinander trennen, fühlt sich eigenen Phantasiegestalten ausgeliefert. Dies ist die Zeit der Monster, Hexen, Krokodile und Gespenster. Das Kind schläft abends nicht ein, weil ein Monster im Zimmer hockt und seinen Schlaf bedroht.

Ab einem Alter von sechs Jahren entsteht die Angst vor Versagen, Ablehnung, Tod und Krankheit, Ängste, die auch häufig mit der Schule in Zusammenhang stehen. Diese Ängste zeigen sich dann auch verstärkt im Jugendalter, auch bedingt durch Druck und Stress der Umgebung. Im Umgang mit den Ängsten sollten Sie sich ernsthaft verhalten. Sätze wie „Du brauchst doch keine Angst zu haben“ sind wenig sinnvoll.

Ängste sind oft irrational und lassen sich nicht durch einfache Sätze auflösen. Eine Spinnenphobie verschwindet nicht dadurch, dass man erklärt, dass die Spinne nicht beißt, nicht giftig ist. Die Angst bleibt trotzdem. Mit dem Kind überlegen, wie es mit der Angst umgehen kann, welche Herangehensweisen und Lösungswege entwickelt werden können, ist der bessere Weg. So kann man dem Monster auch mit Monsterspray den Garaus machen oder das Krokodil mit einem Besen verjagen.

Mit dem älteren Kind kann die Angst anders reflektiert werden, können stufenweise Annäherungen zur Lösung des Problems geschaffen werden. Egal in welchem Alter, es bleibt immer wichtig, vor der Angst nicht davon zu laufen, sondern Lösungsmöglichkeiten zu finden und ihr zu begegnen. Lesen Sie mit dem Kind gemeinsam ein Buch, in dem die Angst thematisiert und besiegt wird.

Allgemein hilft ein Erziehungsklima in dem das Kind liebevolle Unterstützung und Ermutigung für das Herangehen an neue Aufgaben, Situationen und Entwicklungsschritte erhält, eventuelle eigene Ängste in den Hintergrund gerückt werden.

Eine Sonderform kindlicher Ängste stellt der ‚Pavor nocturnus‘ dar, der seinen Gipfel zwischen fünf bis sieben Jahren erreicht. Er ist grundsätzlich harmlos und verschwindet meist von selbst. Das Kind wacht in der ersten Nachthälfte mit einem Schrei auf, zeigt sich völlig verstört und desorientiert, bleibt Beruhigungsversuchen gegenüber unerreichbar. Nach zehn Minuten ist meist alles vorbei und das Kind weiß am nächsten Tag nichts mehr davon. Aufgrund der deutlichen Beeinträchtigung des Kindes macht er Eltern oft große Sorgen.

Fazit: Je nach Alter des Kindes können entwicklungstypische Ängste auftreten, die erst einmal keiner Behandlung bedürfen. Erst wenn ein bestimmtes Ausmaß an Intensität erreicht wird, Angstsymptome, wie oben genannt, sich nicht verringern, sich ihr Kind verändert zeigt, sollte fachliche Hilfe angestrebt werden.

Melden Sie sich bei Ihrem Kinderarzt, der eine psychotherapeutische Behandlung mit Ihnen abklärt.

Ihre Barbara Knoblauch – Dipl. Psych./Psychotherapeutin

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