8. Juli 2019Peter Pionke
Milena Preradovic: Schönheit – ganz ohne Wahn
Milena Preradovic (56) ist der Prototyp einer Powerfrau. Über Jahre war die wortgewandte und schlagfertige Gelsenkirchenerin eines der bekanntesten Fernsehgesichter Deutschlands.
Unter anderem kennt man sie als Aushängeschild der bunten, informativen Show „Punkt 12“ (RTL). Mit ihrer lockeren Art revolutionierte sie die bis dahin beschaulichen, angestaubten Mittagsmagazine im deutschen Fernsehen.
In ihrer Kolumne „Milenas 50 plus“ setzt sie sich humorvoll mit dem Thema Älterwerden auseinander. Nicht wenige werden sich in Milenas Geschichten und Beobachtungen wiederfinden.
Schönheit – ganz ohne Wahn
Die Frau, die in den Fitnesskurs schwebt, hat kein Gesicht mehr. Zumindest keine Mimik, so glattgezurrt spannt die Haut über den Schädelknochen. Ganz klar ein Lifting alter Schule. Kein Fältchen, kein Gesichtsausdruck.
Und das festgetackerte Lächeln könnte bei einer Beerdigung für Furore sorgen. Ich schätze sie auf irgendwas zwischen 55 und 85 Jahre. Tiefliegende Katzenaugen mustern den Raum. Und dann stolziert Lady Joker – sie grinst wie Batmans Erzfeind – auf mich zu, wirft ihre Matte auf den Boden und sieht mich an. Ich unterdrücke meinen Fluchtreflex und sie sagt: “Endlich hab ich`s mal geschafft… ist das ein guter Kurs?“
Wir kommen ins Gespräch und ich merke, wie witzig und charmant die Frau hinter der furchterregenden Maske ist.
Die ganze Zeit frage ich mich: Warum? Kann jemand so eine Face-Kulisse wollen? Was passiert bei der Passkontrolle am Flughafen?
Aber Lady Joker ist ja kein Einzelfall. Wer einmal von Düsseldorf nach Nizza geflogen ist, kennt diese verzerrten Haut-Hüllen über dem Louis Vuitton-Weekender.
Wer oder was hat diese Frauen so verunsichert, daß sie ihr Gesicht komplett wegretuschiert haben? Ich glaube ja, das ist kein oberflächlicher Schönheitswahn. Das geht tiefer, tief rein in Angst, Verletzungen und falsche Hoffnungen. Wenn nur die Falten weg sind, dann kommt endlich das Glück.
Natürlich ist das ein Trugschluss und von außen betrachtet absurd. Aber in der eigenen Realität sieht sowas immer anders aus.
Angst vor dem Alter ist Angst vor dem Verlust; Verlust der Jugend, der Aufmerksamkeit, des Partners, der eigenen Bedeutung in der Welt.
Eine Freundin in der 50ern sagte mal: „Ich komme mir vor wie eine Telefonzelle. Alle gehen vorbei, keiner schaut mich an.“
Das Problem hat Lady Joker nicht. Nur, ahnt sie, warum die Menschen sie anstarren? Ich wünsche es ihr nicht.
Ich weiß ganz genau, wie es sich anfühlt, wenn sich über Nacht neue Falten in die Züge schleichen, wenn grelles Licht bislang unbekannte Krater offenlegt und sich der Lipliner in die fiesen Furchen verabschiedet.
Mein Rezept: Eine Mischung aus gesundem Fatalismus und der richtigen Kosmetikerin. Und was da heute alles möglich ist! Besonders wirksam: Regelmäßiges Einschleusen der feinsten Seren mit Strom oder Ultraschall in die tiefen Hautregionen, das polstert auf und hält die Falten flach.
Aber am wichtigsten ist wohl die Erwartung. Ich will nicht aussehen wie 30, ich will nur so gut wie möglich für mein Alter aussehen. Und das geht, ohne sich die Haut vom Gesicht ziehen lassen.
Auch mit der Wunderwaffe Lächeln – so oft wie möglich hoch mit den Mundwinkeln. Verhindert den Merkel-Malus und trübe Gedanken. Lächeln zieht Lächeln an – und Menschen. Und schon hat die Telefonzelle endgültig ausgedient.
Und eins kennen wir doch alle: einen freundlichen und witzigen Menschen finden wir attraktiv, und wer in blitzende Augen schaut, der hat keinen Blick mehr für Altersflecken.
Ihre
Milena Preradovic
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