14. Juli 2019Peter Pionke
Querschnittgelähmter Markus Holubek kann wieder gehen…
Ein wunderschöner Wintertag im Jahr 2007 sollte sein Leben für Immer verändern. RTL-Reporter Markus Holubek, ein ausgezeichneter Skifahrer, ging beim „Weißen Ring“, dem schwersten und längsten Skirennen für Amateure am Arlberg (Österreich) an den Start. Seine zweite Teilnahme an diesem Höllenritt. Doch diesmal wollte der Sport begeisterte Fernseh-Mann noch ein paar Plätze weiter vorne landen und gab kräftig Gas. Bei einem Sprung verschätzte er sich total, er landete sechs Meter tiefer auf eine Eisplatte und stürzte schwer.
Markus Holubek rutschte die steile Piste hinunter. Als er schließlich zu sich kam, stellte er fest, dass sein rechtes Handgelenk total zertrümmert war. Doch noch viel schlimmer waren seine Schmerzen im Rücken. „Einfach nur abartig, als wenn dort ein Harakiri-Dolch kreisen würde“, beschrieb Markus Holubek seine Qualen. „Ich bin querschnittgelähmt“, schoss es ihm durch den Kopf.
Die Untersuchungen im Krankenhaus brachten die traurige Gewissheit: Der erste Lendenwirbel unterhalb der Rippenbögen war durch die Wucht des Aufpralls regelrecht zerplatzt. Dadurch war ein Stück des Wirbelknochens in den Rückenmarkskanal eingedrungen und hatte 95 Prozent der Nervenbahnen zerquetscht oder durchtrennt.
Nur fünf Prozent der Nerven waren unverletzt geblieben. Diese fünf Prozent machen aber mit den Unterschied zwischen einer inkompletten oder einer kompletten Querschnittlähmung aus. Eigentlich eine Horror-Diagnose. Nicht für Markus Holubek…
Er harderte nicht mit dem Schicksal, sondern ärgerte sich nur tierisch über sich selbst: „Immer wieder lief mein Fehler vor meinen Augen ab. Was war ich doch für ein Vollidiot. Wie konnte ich nur so viel Gas geben und ein solches Risiko eingehen – und als Amateursportler, Selbständiger und Familienvater.“
Nie ans Aufgeben gedacht
Markus Holubek dachte nicht eine Sekunde ans Aufgeben. Er ist ein Kämpfer, er hatte sich selbst die Suppe eingebrockt, also begann er auch gleich mit dem Auslöffeln. Noch im Krankenhaus fing er damit an, seine Arm-, Bauch- und Oberschenkel-Muskeln zu trainieren. Sie mussten jetzt für andere Muskelpartien einspringen. Nach vier Monaten verließ Markus Holubek die Klinik, nach acht Monaten gab er den geliehenen Rollstuhl zurück. Er konnte wieder auf eigenen Füssen stehen, obwohl er diese und die Unterschenkel gar nicht spürt.
Markus Holubek: „Meine Bauchmuskeln haben die Arbeit für meine Po-Muskulatur übernommen, meine Oberschenkelmuskeln den Job der Unterschenkel. Viele halten es für ein Wunder, dass ich wieder gehen kann, aber es ist kein Wunder. Dahinter stecken fünf Jahre harte Arbeit und positives Denken. Ob man es mir glaubt oder nicht: Es waren die fünf geilsten Jahre meines Lebens.“
Der gebürtige Bonner ist nach wie vor gehandicapt und er wird es auch immer bleiben. Er kann zwar wieder gehen, aber er kann nicht laufen. Trotzdem nimmt er wieder an Triathlon-Wettbewerben teil oder am „Braveheart-Battle“ in Münnerstadt (Bayern), einem 24 Kilometer langen Extremlauf mit 45 Hindernissen. Markus Holubek: „Ich war hinterher total platt, mein Akku war leer und meine Trinkflaschen auch und dann hatte der Veranstalter schon die zweite Verpflegestelle abgebaut, weil man wohl nicht mehr mit mir gerechnet hat. Aber ich bin nicht Letzter geworden. Und immerhin sind über 100 Starter schon vor dem Ziel ausgestiegen.“
Manchmal träumt Markus Holubek noch von Siegen und vorderen Plätzen beim Triathlon oder bei Skilaufen, wie es früher fast der Normalfall war. Doch er weiss ganz genau, dass bei seiner Vorgeschichte ein Platz unter den letzten 10 oder 20 gesunden Teilnehmern ein weitaus größerer Erfolg für ihn ist, als früher ein Platz auf dem Treppchen.
Längst hat Markus Holubek seinen Job als TV-Reporter und -Produzent an den Nagel gehängt. Seine Berufung ist es es jetzt, anderen inkompletten Querschnittgelähmten als Mentaltrainer und Therapeut wieder auf die Beine zu helfen. Bei 15 Prozent seiner Patienten hat er das bislang geschafft…
“Oft führen die kleinen Schritte zum Ziel…”
Wunder kann auch Markus Holubek(51) nicht vollbringen. Peter Pionke unterhielt sich mit dem Therapeuten aus Leidenschaft, der sein Schicksal meisterte und jetzt anden Querschnittsgelähmten hilft.
DS: Woher haben Sie damals die Willenskraft genommen, als Sie realisiert haben, querschnittsgelähmt zu sein, aber sich damit nicht abfinden zu wollen?
Markus Holubek: „Das liegt an meiner Persönlichkeitsstruktur: Ich gebe einfach nicht auf. Und wenn mir jemand die Diagnose stellt, ‚Du kannst Deine Situation nicht mehr verbessern‘, dann gebe ich erst recht nicht auf. Ich trage ja auch Verantwortung für meine Familie, da kann ich nicht einfach sagen, ich bleibe jetzt im Bett liegen, Du bist ja kein leistungsfähiger Mensch mehr. Es waren erst kleine Schritte, aber jeder Schritt hat mir neue Hoffnung gegeben.“
DS: Wann haben Sie realisiert, dass Ihnen für immer der Rollstuhl drohen könnte?
Markus Holubek: „Das habe ich sofort realisiert, als ich wieder zu mir kam. Wenn man vom Bauchnabel abwärts nichts mehr spürt, kann man selbst ganz schnell die Diagnose stellen: Das ist eine Querschnittslähmung.“
DS: Wer hat Ihnen in der schwierigsten Phase zur Seite gestanden und Ihnen die Kraft gegeben?
Markus Holubek: „Zuerst ich, dann ich und dann wieder ich! Die Anderen musste ausgerechnet ich trösten. Mein Vater ist am Telefon zusammengebrochen. Alle Anderen kamen mit erschütterten Gesichtern ins Krankenzimmer und versuchten krampfhaft gute Laune zu verbreiten. Aber im Endeffekt musst Du als Betroffener die Leute noch in den Arm nehmen und aufbauen.“
DS: Sie können wieder laufen, wo müssen Sie Kompromisse eingehen?
Markus Holubek: „Ich kann nicht mehr joggen, und ich kann nichts mehr aus 2,50m hohen Regalen herausnehmen, weil ich mich nicht mehr auf die Zehenspitzen stellen kann.“
DS: Als Coach und Therapeut geben Sie jetzt Ihr Wissen und Ihre Erfahrungen weiter. Wie machen sie das? Sie sind ja nicht Jesus und können nicht sagen: Wirf Deine Krücken weg und geh…?
Markus Holubek: „Oft stelle ich fest, dass die Leute völlig falsch therapiert wurden. Dann rate ich ihnen, den Beipackzettel der Medikamente zu lesen, die sie nehmen sollen. Fast alle gehbehinderten Menschen bekommen Medikamente verschrieben, die im Beipackzettel schon stehen haben: ‚Du wirst nicht mehr laufen‘. Die Nebenwirkungen der Medikamente gegen das Zittern in den Beinen oder bei Antidepressiva und Schmerzmitteln beeinträchtigen enorm die stärkste Medizin, die der Körper selbst produziert, nämlich die Selbstheilungsmechanismen. Wenn ich etwas nicht spüre, dann weiß ich, es funktioniert nicht: Wenn ich aber merke, mein Fuß brennt, dann weiß ich, das ist mein Fuß.“
DS: Bei welchen Fällen können auch Sie nicht mehr helfen?
Markus Holubek: „Bei Patienten mit kompletter Querschnittslähmung, bei denen also alle Nervenstränge im Rückenmark durchtrennt sind, die gar keine Spastik mehr haben, muss ich leider passen. Ich konzentriere mich auf die Patienten, die das Potential haben, neue Ziele und Bereiche der Mobilität zu erreichen.“
DS: Ist die hohe Erwartungshaltung der Patienten nicht auch eine psychische Belastung für Sie?
Markus Holubek: „Ich verspreche den Leuten ja nicht, dass sei alle Ziele, die sie sich selbst gesetzt haben, erreichen werden. Ich sage ihnen nur zu, dass sie kurzfristig einige Ziele erreichen werden, die ihnen das Leben als Behinderte erleichtern. Erste Schritte dauern manchmal Monate und Jahre. Wenn ich ihnen beispielsweise beibringe, allein das Bett zu verlassen, ist das ein ganz wichtiger Fortschritt. Ich behandele eine alte Dame, die nicht mehr im Altenheim leben wollte, sondern wieder in der eigenen Wohnung. Sie kann jetzt wieder alleine auf die Toilette gehen. Das ist für sie eine enorme Erleichterung, das hat aber ein halbes Jahr gedauert.“
DS: Erfolg ist relativ. Wie vermitteln Sie, das der eine oder andere kleine Fortschritt unterm dem Strich einen großen Erfolg darstellt?
Markus Holubek: „Natürlich wollen Alle wieder ganz normal laufen können. Aber oft kann es zunächst nur um eine Verbesserung der Lebensqualität gehen. Beispielsweise meine 62jährige Patientin aus der Pfalz. Die kam nicht mehr alleine aus dem Bett. Wir haben intensiv gearbeitet, und dann sind wir mit dem Rollator zum Bäcker gegangen: 1,6 km hin, 1,6 km zurück. Sie fragte mich: Kann ich irgendwann wieder laufen? Da habe ich gesagt: „Du hast jetzt 3,2 Kilometer mit Rollator zurückgelegt. Brauchst Du noch einen größeren Beweis?. Als Patient benötigt man Ausdauer, Geduld und man muss auch Rückschläge wegstecken.“ (www.markusholubek.de)
DS: Vielen Dank für das offene Gespräch.
Text & Interview: Peter Pionke
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