20. Dezember 2019Peter Pionke
„Tante Jens“ – ein Paradiesvogel mit Herz für Arme
Er ist eine schillernde Persönlichkeit mit zwei Gesichtern. Als „Tante Jens“ bringt er an fünf Abenden in der Woche die Gäste seines Disko „Kings Club“ auf Norderney zum Lachen und zum Schunkeln. Als Jens Langner fliegt der 49jährige mehrmals im Jahr nach Ghana, um in den Slums von Accra seine Schule zu besuchen, die er mit seinem Lebenspartner Seedrase für einheimische Kinder aufgebaut hat und seither verantwortungsvoll und mit viel Herzblut betreut.
Viele seiner Gäste ahnen gar nicht, dass sich hinter dem immer lustigen und gut aufgelegten Entertainer auch ein ernsthafter Mensch mit hoher Sozialkompetenz verbirgt. Denn Jens Langner hängt sein caritatives Engagement nicht an die große Glocke.
Als Entertainer „Tante Jens“ unterhält er seine Fans ganz professionell mit live gesungenen Gassenhauern aus den 50er und 60er Jahren und nicht ganz jugendfreien Witzen. Zwischendurch trinkt er auch schon einmal einem verdutzten Gast das Bier weg, um es dann durch ein neues Glas und einem Freibier als Zugabe zu ersetzen. Wiedergutmachung nach Art des Hauses.
„Tante Jens“ gilt als Original auf der Ferien-Insel Norderney, ein „bunter Seehund“, könnte man sagen. Sein „Kings Club“ ist ein Mekka der guten Laune. Jeder kennt den mindestens 120 Kilo schweren singenden Gastronom, der keinerlei Berührungsängste kennt. Ganze Kegelclubs und Karnevalsvereine kommen nach Norderney, um bei Paradiesvogel „Tante Jens“ einen lustigen, feuchtfröhlichen Abend zu genießen. Auch Schlagersänger Mickie Krause ist mittlerweile Stammgast im „Kings Club“ – und ein großer Fan des talentierten Show-Schwergewichts.
Star im Norderney-Portrait des WDR
In der WDR-Produktion „Wunderschön – Norderney im Winter“ (erhältlich als DVD & Blu-ray) spielt Jens Langner er eine Hauptrolle, ebenso wie Comedy-Star Dr. Ludger Stratmann, der seit vielen Jahren auf Norderney ein Haus besitzt.
Jens Langner ist zwar gebürtiger Berliner, doch er fühlt sich als Sylter. Denn schon als Kleinkind ist er mit seinen Eltern auf die Nordsee-Insel gezogen, auf der sich mittlerweile nicht nur der deutsche Jetset tummelt. Nach der Schule erlernte er sogar einen ganz normalen Beruf: Lokomotivführer – der Traumjob vieler, kleiner Jungen.
Doch Jens fühlte sich schon bald auf dem Abstellgleis und stellte seine beruflichen Weichen neu: „Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, trotz Beamtenstatus, 40 Jahre lang ganz allein auf einer Lok zu sitzen. Mit wem sollte ich da reden? Ich hatte vorher immer nebenbei einen Aushilfsjob als Barkeeper im Bordell von Westerland und fand das unglaublich spannend. Da lag es für mich nahe, gleich nach der Ausbildung bei der Bahn zu kündigen und mich mit damals 22 Jahren als Gastronom selbständig zu machen.“
Erste Pleite als Gastronom
Jens Langner eröffnete auf Deutschlands Insel der Schönen und Reichen sein erstes Lokal. Er ging damit aber baden, weil er schnell erkennen musste, dass es um Erfolg zu haben nicht ausreichte, einfach nur unfallfrei Bier zu kredenzen.
Jens: „Nach drei Jahren war ich so gut wie pleite. Doch da ich ein rational denkender Mann bin, habe ich überlegt, wofür ich persönlich im Urlaub Geld ausgeben würde? Ich gab mir selbst die Antwort: Für gutes Entertainment. Also habe ich mein Konzept geändert, ein Cabaret eröffnet und als Autodidakt mit dem Singen angefangen. Am Anfang war es natürlich alles andere als hörenswert. Aber mein Gesang und meine Performance wurden immer besser. Und bis 2007 hatte ich damit ja auch durchaus Erfolg.“
Seinen außergewöhnlichen Spitz- und jetzigen Künstlernamen „Tante Jens “ verdankt er übrigens einem Gast, der ihn aufgrund seiner langen Haare „Tante Jens“ taufte. Sylt – für Jens allerdings eine Liebesgeschichte ohne Happy-end. Es kam zum Streit zwischen ihm und seinem Geschäfts- und Lebenspartner. Das Ende vom Lied: Jens Langner wurde von seinem eigenen Freund ausgebootet und verließ die Insel Sylt, um auf Umwegen über Saalbach-Hinterglemm (Österreich) auf dem nächsten Nordsee-Eiland zu landen – Norderney.
Auf Umwegen auf Norderney gelandet
Jens Langner: „Ich habe in Saalbach-Hinterglemm im Hotel Ellmau gearbeitet. Dort sprach mich eines Tages ein Unternehmer am Tresen an: ‚Komme nach Norderney, ich besitze dort mehrere Immobilien‘. Ich wusste damals gar nicht, wo Norderney lag, aber ich habe das Angebot angenommen.“
Tante Jens übernahm den „Kings Club“, eine ehemalige Diskothek. Und seither brummt der Musik-Schuppen. Die Leute lieben ihn für seine authentische, ehrliche Art. Er geht ganz offen mit seiner Homosexualität um. Wer Glück hat, der lernt auch die andere Seite von „Tante Jens“ kennen. Den sozial engagierten Mann, der in der Stadt Accra in Ghana (Westafrika) seine zweite Heimat gefunden hat.
Jens Langner gesteht ganz offen: „Mich zog es, was die Liebe zu Männern angeht, schon immer nach Afrika. Über ein Internetportal fand ich schnell Kontakt zu einem Ghanaer namens Seedrase. Kurz darauf habe ich die Koffer gepackt, um ihn und sein Land kennenzulernen. Homosexualität ist in den meisten Teilen Afrikas streng verboten und wird zum Teil mit Gefängnis oder sogar mit dem Tod bestraft. Aber wo das Herz hingehört, da findet man auch Mittel und Wege.“
Jens Langner weiter: „Mein heutiger Lebensgefährte lebte in den Slums von Accra. Es war eine mehr als aufregende Zeit. Dort lernte ich auch eine Frau kennen, die verzweifelt mit einfachen Mitteln versuchte, ihren Kindern das Lesen und Schreiben beizubringen. Ich fand schnell heraus, wo ich die Hebel ansetzen musste. Alles fängt bei der Bildung an, also musste eine Schule her!“
Die Schule in Accra
Gut 25.000 € hat er bislang in sein Projekt gesteckt, zum Teil eigenes Geld, aber auch Spenden von Freunden und Gästen. Jens Langner: „25.000 Euro hören sich vielleicht wenig an, aber in Ghana kann man damit ungeheuer viel bewirken. Die brauchen dort keine Prachtbauten, sondern solide, zweckdienlich eingerichtete Schulen mit Schulbänken und Ventilatoren.“
Jens Langner und sein Lebenspartner Seedrase, der das Projekt vor Ort betreut, haben dafür gesorgt, dass in ihrer Schule mittlerweile ca. 300 Mädchen und Jungen unterrichtet werden können. Seit 2016 baut „Obolo“ (der dicke, weiße Mann), wie Jens liebevoll von den Einheimischen genannt wird, an einem neuen Projekt für ca. 80 Schülerinnen und Schüler.
Die Kids und ihre Eltern sind jedenfalls total dankbar. Jens Langner: „Die Kinder in Ghana haben so etwas wie „trockene Schwämme“ im Kopf und saugen jede Art und Form von Wissen und Bildung nur so in sich auf. Sie träumen nicht von einem iPhone oder einer Apple-Watch, sie sind glücklich, wenn sie ihre erste Federmappe bekommen und in die Schule gehen dürfen.“
Mit strahlenden Augen erzählt Jens Langner die niedliche Geschichte, die er sogar auf Video festgehalten hat: „Als ich einmal meine kleinen Mädels in der Schule gefragt habe, was sie denn einmal werden wollen, haben mehrere spontan geantwortet: Wir wollen Model werden.“
Da waren sie bei Jens genau an der richtigen Adresse. Er gab den afrikanischen Models in spe gleich eine anschauliche Nachhilfestunde und machte den staunenden Girls, nicht sonderlich graziös, die Bewegungen auf dem Catwalk vor. Alle hatten riesigen Spaß. In solchen Momenten ist Jens Langner dann fast wieder „Tante Jens“, der lustige Entertainer aus dem „Kings Club“ auf Norderney.
Der sympathisch-schrille Gastronom ist durch seine neue Lebensaufgabe als Mensch reicher geworden: „Ich liebe es, in den Slums mit den Einheimischen zusammen zu sitzen mit ihnen aus den gleichen Töpfen zu essen. Das macht mich glücklich und demütig und holt mich wieder auf den Boden herunter. Ich liebe den Stolz Afrikas und seiner Menschen, meine Seele ist hier. Auf Norderney arbeite ich. Hier bin ich der Entertainer und lebe meinen Beruf als Vollblut-Gastronom komplett aus. Hier mache ich meine Jokes und singe meine Lieder. Und das Alles mit Leidenschaft .“
Einen großen Wunsch haben der lustige Entertainer „Tante Jens“ und der großherzige Entwicklungshelfer Jens Langner gleichermaßen: Dass Seedrase eines Tages nach Deutschland kommen kann, um auch die Heimat seines Lebensgefährten Jens Langner einmal kennenzulernen.
Text: Peter Pionke
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