29. März 2020Peter Pionke
Coronakrise: Wie ist ENGELS 2020 noch zu retten?
Fragen und über Fragen, auf die es zum jetzigen Zeitpunkt kaum eine Antwort gibt. Die STADTZEITUNG hat sich darüber mit dem Live-Marketing-Experten und Wuppertal Botschafter Vok Dams unterhalten.
DS: Wie ist in Zeiten der Coronakrise „Engels 2020“ überhaupt noch zu retten?
Vok Dams: „Ich frage mich schon seit längerer Zeit, wie die Akteure von ENGELS 2020 auf die aktuelle Lage reagieren würden. Wäre nicht jetzt die Zeit darüber nachzudenken, wie man auf die aktuelle Situation reagiert, das gesamte Programm neu strukturiert und stärker kommuniziert?“
DS: Die große Ausstellung „Friedrich Engels – ein Gespenst geht um in Europa“ ist in der Barmer Kunsthalle aufgebaut, darf aber nicht eröffnet werden. Zum Trost gibt es einen Begleitband in einer limitierten Auflage von 1.000 Exemplaren für 24 €, den niemand kennt. Was halten Sie davon?
Vok Dams: „Ich kenne den Ausstellungskatalog leider auch noch nicht und kann dessen Qualität nicht beurteilen. Der Anspruch, mit der die Ausstellung angekündigt wurde, weckt aber Erwartungen. Eine aktuelle Veröffentlichung zur Vorstellung des Bandes vermerkt aber lediglich, „was die Ausstellung zeigen würde“. Nicht nur was, auch wie es gezeigt wird, ist dabei wichtig. Warum gibt es keine virtuelle Eröffnung, die gestreamt einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird? Warum keine begleitende Pressekampagne, die einzelne Themen der Ausstellung aufgreift und öffentlichkeitswirksam mit WUPPERTAL und den weitere 199 Engels-Veranstaltungen in Verbindung bringt? Allein der Katalog könnte – wenn er denn gut gemacht ist – in limitierter Auflage als Sammlerobjekt aktiv verkauft werden und an Wert gewinnen.“
DS: Die Verantwortlichen haben angekündigt, sich im Mai – so es die Coronakrise zulässt – zusammen zu setzen, um die Planungen voran zu treiben. Ist das nicht viel zu spät?
Vok Dams: „Ich kann die Schockstarre durch die Entwicklung der Coronakrise nachvollziehen. Aber gerade jetzt gilt es doch, sich kreativ und flexibel auf die neue Situation einzustellen. Inhalte sind ja ausreichend vorhanden und werden intern lebhaft diskutiert. Wenn erst im Mai weiter gedacht wird, verlieren wir wertvolle Zeit und die bisherige Arbeit war umsonst.“
DS: Welche Möglichkeiten schweben Ihnen da vor?
Vok Dams: „Die Zeit steht während der Corona-Krise ja nicht still. Die Kommunikation verlagert sich lediglich auf die Medien, die daraus erstaunlich wenig machen. Wie wäre es also, die Zeit für eine starke PR- und Werbe-Aktion zu nutzen, die WUPPERTAL in den Mittelpunkt stellt und ENGELS 2020 als spannenden, inhaltlichen „Aufhänger“ kommuniziert?
DS: Sie bringen immer wieder den Begriff „Storytelling“ ins Spiel. Haben Sie da schon konkrete Vorstellungen?
Vok Dams: „Heutzutage braucht man eine gut erzählte Story um sich aus der Masse herauszuheben. Das gilt besonders in Zeiten, in denen man sich gegen die Flut täglicher Katastrophen-Meldungen abgrenzen muss. Das bietet aber auch eine Chance: Die Menschen sehnen sich nach Normalität und Ablenkung. ENGELS 2020 bietet diese Story, mit der sich WUPPERTAL gerade jetzt (!) national und international herausheben könnte. Eine gut erzählte Geschichte mit Fortsetzungen, mit der man aus der Masse heraussticht und WUPPERTAL neu denkt. Die letzte erfolgreiche Aktion war 1950 – Tuffi und die Schwebebahn lassen grüßen. Durch den Stillstand der Wirtschaft und den Verzicht auf Zusammenkünfte und Veranstaltungen sind auch die Medien an interessanten Geschichten – abseits von Corona und seinen Folgen – interessiert. Die digitalen Medien werden weiter an Bedeutung gewinnen und in diesem Zusammenhang bereits vielfach aktiv eingesetzt. Wer diese Möglichkeiten nicht nutzt, lebt in der Vergangenheit und hat auch nach „Corona“ keine Zukunft. Das gilt für ENGELS 2020 ebenso, wie für die Stadt-Marke WUPPERTAL.“
DS: Was sollte jetzt zeitnah geschehen?
Vok Dams: „Eingeworbene Mittel könnten umgeschichtet werden und die bisherige Arbeit wäre nicht umsonst. Alles wäre ganz einfach: Statt 200 Veranstaltungen, die nicht stattfinden können, ein Kommunikations-Konzept mit 200 Maßnahmen, die das Thema aufgreifen und medial umsetzen. Also nicht über die 200 Veranstaltungen zu ENGELS 2020 reden, sondern 200 aufsehenerregende Meldungen zu WUPPERTAL und dem 200. Geburtstag von Friedrich Engels in Storys abhandeln, die WUPPERTAL in den Mittelpunkt stellen und die Bedeutung von Friedrich Engels thematisieren! Eine spannende und kreative Aufgabe, um unter den veränderten Bedingungen die Chance für WUPPERTAL zu nutzen, die uns das Engels-Jahr bietet.“
DS: Doch wer soll die Neuausrichtung koordinieren und konzeptionell umsetzen – der Vertrag der beiden Kuratoren Rainer Lucas und Hans-Dieter Westhoff endet am 31. März 2020?
Vok Dams: „Das Problem ist ja nicht neu. Wir haben bereits in der Vergangenheit darüber diskutiert, wie wir die beeindruckende Vorarbeit der Kuratoren für die Stadt-Marke WUPPERTAL nutzen können. Die übergreifende Verantwortung müsste politisch definiert werden. In Verbindung mit einer Organisationsstruktur und den entsprechenden Kompetenzen. Die Kapazitäten dürften gerade jetzt vorhanden sein, da ja alle weiterführenden Aktivitäten eingefroren wurden.“
DS: Was halten Sie von den Gedankenspielen, das Engels-Festjahr bis in Jahr 2021 zu verlängern?
Vok Dams: „Das ist der Blick des Kaninchens auf die Schlange. Wer jetzt nicht wagt, der wird auch in Zukunft nicht gewinnen.Wir wissen nicht, wie schnell und in welcher Form wir nach Corona wieder aktiv werden können.Aus meiner Sicht wäre die Chance, die WUPPERTAL mit Engels 2020 hat, endgültig verspielt.“
DS: Wie groß sehen Sie die Gefahr, dass das ganze Engels-Thema versandet und sehen Sie als Grund dafür nur die schwer vorhersehbare Coronakrise?
Vok Dams: „Fehlende Verantwortlichkeiten und unklare Strukturen verhindern auch in normalen Zeiten innovative Entwicklungen. Krisenzeiten machen das besonders deutlich. Nutzt man Krisen als Chance kann man gewinnen. Nutzt man die Chancen nicht, hat man schon verloren. Das gilt nicht nur für Unternehmen. Das gilt auch für Politik und Verwaltung. Besonders in Krisenzeiten.“
DS: Wie viel Schadensbegrenzung ist jetzt überhaupt noch möglich?
Vok Dams: „Ginge es jetzt nicht „nur“ um eine Chance für WUPPERTAL, sondern um das Überleben eines Unternehmens, würde das Unternehmen (bzw. der Unternehmer) jetzt eine Task Force einrichten, um Kapazitäten zu nutzen und das Projekt (und damit das Unternehmen) zu retten. Wir haben die Chance. Ob wir sie nutzen, wird in diesem Fall von Politik und Verwaltung abhängen. Ich bin selber sehr gespannt.“
Das Gespräch führte Peter Pionke
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