7. April 2020Peter Pionke
Christian v. Grumbkow: Rücken hoffentlich enger zusammen
Einige Events wurden über den Umweg Internet zumindest virtuell als Appetithappen online serviert. Die Sonderausstellung „Friedrich Engels – Ein Gespenst geht um in Europa“ ist in der Kunsthalle Barmen fertig aufgebaut. Doch besuchen darf sie niemand.
Wie es weiter geht, weiss momentan keiner. Für viele Wuppertaler Künstler*innen ist die Coronakrise nicht nur wegen der entfallenen Möglichkeiten, sich und Ihre Werke zu präsentieren, eine echter Crash. Die STADTZEITUNG hat der sich mit Christian von Grumbkow, einem der bekannten Köpfe der Wuppertaler Kunstszene, über die aktuelle Situation unterhalten.
DS: Für das Benefiz-Festival WUPPERTAL HILFT zugunsten der Vohwinkeler Kinder-Tafel haben Sie ein Bild mit dem Titel „Hoffnung“ zur Verfügung gestellt. Gerade jetzt brauchen wir diese Hoffnung mehr denn je. Hatten Sie bereits so eine Vorahnung oder war das Zufall?
Christian von Grumbkow: „Zum Thema „Hoffnung“ kann ich nur sagen, dass in einer Welt, die von Panikmachern, Verschwörungstheoretikern und Zynikern, die sich im Netz ungehindert tummeln können und viele Menschen sehr nervös und unsicher machen, konstruktives und positives Denken äußerst angesagt ist. Die Hoffnung stirbt zuletzt!“
DS: Wie hat sich Ihr Alltag durch die Coronakrise verändert?
Christian von Grumbkow: „Ich bin halbtags im Haus und arbeite im Garten. Ich habe die Gelegenheit genutzt, meine Teiche auf Vordermann zu bringen. Mein Atelier im Schloss Lüntenbeck besuche ich nach wie vor täglich und arbeite für anstehende Ausstellungen, die hoffentlich später im Jahr stattfinden können.“
DS: Nimmt die Coronakrise kreativen Einfluss auf Ihr künstlerisches Schaffen?
Christian von Grumbkow: „Die Entschleunigung im Alltag, die wir alle erleben, hat zur Folge, dass ich mehr Zeit zum Nachdenken, aber auch zum Malen habe. Und natürlich tangiert so eine wahnsinnig präsente Sache, wie diese Welt-Krise nicht nur die Kultur, das Sozial- und das Wirtschaftsleben, sondern auch jeden Einzelnen auf existentielle Weise. Und da bin ich als Künstler herausgefordert: Nicht von ungefähr, sondern ganz bewusst habe ich meinen Künstlerfreund Michael Utz (Fotograf aus Heidelberg) gebeten, mir schwarz/weiß-Fotos von Menschen zu schicken. An denen arbeite ich gerade sehr intensiv (Siehe Abbildung und auf facebook), mit all den Fragen und der ganzen Ungewissheit in meiner Seele, die medial täglich über uns kommt. Dagegen male ich an. Da komme ich runter und schaffe Bilder, die – so kann ich nur hoffen – den gerade herrschenden Zeitgeist transportieren.“
DS: Wie hat sich die Krise bislang auf Ihr Privatleben ausgewirkt?
Christian von Grumbkow: „Ich sehe weder meine Kinder, noch meine Enkel. Meine Partnerin, die ja nicht in Wuppertal lebt, habe ich zuletzt Mitte März getroffen.“
DS: Es ist kein Geheimnis, dass Sie als weit über Deutschland hinaus bekannter Künstler normalerweise sehr gut im Geschäft sind. Wie hat sich die Krise wirtschaftlich für Sie bisher ausgewirkt?
Christian von Grumbkow: „Alle vier Galerien, mit denen ich normalerweise arbeite, haben geschlossen. Bis auf einen Berliner Galeristen, der hat gerade eine Online-Plattform mit mir als ‚Künstler des Monats‘ gestartet. Überhaupt macht es jetzt, unter diesen Umständen, schon mehr Sinn, Kunst online zu zeigen! Z.B. bei ‚Singulart“ (Paris). Weil die als Onlinegalerie weltweit agieren, gibt es da für mich sehr spannende Erkenntnisse. Im Monat März haben sage und schreibe weit über 30.000 Besucher meine Bilder bei Singulart angeschaut. Verkäufe von meinen großen Bildern nach USA, England und China wurden bereits im Zeitraum Februar/März abgeschlossen. Die Kunden bestellen mit 14 Tagen Rückgaberecht. Die Bilder werden bei mir abgeholt, von Spezialisten in Kisten verpackt, verschickt und ausgeliefert. Das ist äußerst komfortabel. Sie kommen aber hoffentlich nicht zurück!“
DS: Was ist denn aus der Ausstellung „Was hat das mit Engels zu tun?“ geworden – die Sie mit dem )) freien netz werk )) KULTUR im „Neuen Kunstrverein Wuppertal“ organsiert haben?
Christian von Grumbkow: „Es ist sehr bedauerlich, dass die Ausstellung, die sehr gut beim Publikum ankam, nach nur einer Woche geschlossen werden musste. Jetzt warten wir neun Künstlerinnen und Künstler natürlich darauf, dass es sinnvolle Lockerungen gibt oder eine moderate Verlängerung, damit diese sehr aufwendige Schau nicht sang-und klanglos die Wupper runter geht. Auch die vielversprechende Ausstellung im Von der Heydt-Museum mit dem Titel „MEHR:WERT“, bei der es eine Gegenüberstellung der Sammlungen des Museums und der Stadtsparkasse gibt, ist in Gefahr, weil die Eröffnung am 28.4. ja möglicherweise flach fällt. Für mich, aber auch einige andere Wuppertaler Künstler, ist das besonders schade, weil man als einheimischer Künstler in der Ära des früheren Museumsdirektors Dr. Gerhard Finckh ja nur höchst selten zu Museumsehren kam.“
DS: Wie ergeht es Ihren vielen Kolleginnen und Kollegen in Ihrem künstlerischen Umfeld, die nicht über einen so großen, treuen Kundenstamm wie Sie verfügen und auch nicht so gut vernetzt sind?
Christian von Grumkow: „Denen geht es ohnehin wirtschaftlich nicht so besonders gut! Und nun ist es natürlich noch dramatischer. Aber kreative Leute finden oft pfiffige Auswege und es gibt ja auch staatliche Hilfen.“
DS: Ist da möglicherweise so eine Art Künstler-Solidar-Fonds angemacht?
Christian von Grumbkow: „Nicht nur angedacht. Der Wuppertaler Solidarpakt Kunst und Kultur “EinTopf” ist ja schon gegründet worden. Das unterstütze ich selbstverständlich.“
(Alles über den Solidarpakt „EinTopf“ erfahren Sie unter dem Interview mit Christian von Grumbkow)
DS: Wie ist – Ihr Meinung nach – ENGELS 2020 mit all den geplanten großen und kleinen Events überhaupt noch zu retten?
Christian von Grumbkow: „Ich würde alles nach hinten verschieben und über 2020 hinaus laufen lassen. Das versteht jeder und müsste mit Kompromissbereitschaft und Flexibilität auch machbar sein.“
DS: Welche persönlichen Schlüsse ziehen Sie aus der Coronakrise?
Christian von Grumbkow: „Ich habe die Hoffnung, dass wir alle – trotz momentan verordnetem social distancing – als Menschen wieder enger zusammen rücken und uns darüber bewusster geworden sind, in welchem irrsinnigen Hamsterrad wir alle die letzten Jahre gelebt haben. Wie verrückt die Auswüchse der Globalisierung wirken. Und dass die Momente der Entschleunigung nicht nur in Yogakursen stattfinden, sondern es für jeden Menschen neue Aspekte für eine entspanntere, stressfreiere Lebensführung gibt!“
DS: Was hat Sie im Zuge der Coronakrise in den letzten Wochen gefreut und was hat Sie geärgert?
Christian von Grumbkow: „Geärgert hat mich das undifferenzierte, panikmachende Geschwafel mancher Talkshow-Moderatoren und die Überheblichkeit von narzistischen Politikern. Von den Toilettenpapier-Hamsterkäufern ganz zu schweigen. Gefreut hat mich eine neue Qualität im Zusammenhalt der Menschen. Es gibt auch wunderbare, höchst kreative Beispiele von sehr spaßigen, künstlerischen, jedenfalls sehr berührenden Beiträgen im Netz.“
DS: Vielen Dank für das offene, interessante Gespräch
Das Interview führte Peter Pionke
Wuppertaler Solidarpakt – “EinTopf”
Wuppertaler Kulturszene rückt in Zeiten des räumlichen Abstands näher zusammen. Die Corona-Pandemie ist eine große Herausforderung für die gesamte Stadtgesellschaft. Die Auswirkungen bekommen nun alle zu spüren – insbesondere die Kunst- und Kulturszene: Künstler– und Veranstalter:innen, die bei Konzerten, in Theatern, auf Kleinkunstbühnen oder bei Ausstellungen auf die unmittelbare Begegnung mit Publikum angewiesen sind, waren sofort und massiv von den Beschränkungen des öffentlichen Lebens betroffen.
Um der Krise etwas entgegenzusetzen, trafen sich Kulturschaffende in den virtuellen Besprechungsräumen von Utopiastadt, um zu beratschlagen und nach Konzepten zu suchen. Daraus ist der Wuppertaler Solidarpakt Kunst und Kultur “EinTopf” entstanden.
Nach einem ersten Positionspapier ist in Absprache mit Kulturbüro und Oberbürgermeister Andreas Mucke die Dringlichkeit gemeinsamen Handelns von Stadt und freier Kulturszene verdeutlicht und der Notfallfonds »EinTopf« ins Leben gerufen worden.
EinTopf für alle
An diesen Notfall-Fonds können alle Kunst- und Kulturschaffenden, die über die bereitgestellten staatlichen Notfallhilfen hinaus in Existenznöte geraten, einen Antrag stellen. Die Verwaltung des Fonds soll vom Kulturbüro der Stadt Wuppertal organisiert werden, eine wechselnde Jury aus Verwaltung und der freien Kunst- und Kulturszene entscheidet über die Vergaben.
„EinTopf“ aus verschiedenen Quellen
Der Anfang ist gemacht: Spenden an die Streaming-Plattform STEW.ONE (www.stew.one) – ein Online-Angebot der gesamten Wuppertaler Kunst- und Kulturszene – fließen zu einem Drittel direkt in den Notfall-Fonds. Auch „die börse“ führt 40 Prozent der Erträge aus ihrer „Notrollen-Challenge“ an den ‘EinTopf’ ab. Weitere Aktionen sind in Vorbereitung, auch direkte Spenden in den Fonds sind möglich.
Kultur ist ein Prozess
Die Akteur*innen verstehen ihre Initiative als Auftakt: Künstler*innen und Publikum verlieren sich nicht aus den Augen, Orte geraten nicht in Vergessenheit – und ins Schleudern geratenen Kulturschaffenden kann unkompliziert geholfen werden.
Wer daran mitwirken will, ist herzlich eingeladen und kann sich unter team@eintopfwuppertal.de melden.
Antragstellung
Infos zur unkomplizierten und möglichst unbürokratischen Antragstellung bekommt man ab sofort unter:
antrag@eintopfwuppertal.de oder ab Mittwoch, 08.04.20, 12:00 Uhr auf: https://eintopfwuppertal.de
Start des “EinTopf”
Der “EinTopf” startet am Mittwoch, 08.04.20, um 12:00 Uhr. Auf https://eintopfwuppertal.de werden alle Spendenmöglichkeiten, Aktionen zu Gunsten des Solidarpakts sowie weitere Informationen zum Solidarpakt “EinTopf” zur Verfügung stehen.
Um möglichst hohe Transparenz herzustellen, wird auf der Homepage ebenfalls eine Selbstverpflichtung zu finden sein, welche die Organisation des Pakts, die Besetzung der Jury, sowie die Ausschüttung der Spendengelder regelt.
Rückfragen und Ansprechpartner
Als Ansprechpartner bei Rückfragen steht Johannes Schmidt ( j.schmidt@utopiastadt.eu ) gerne zur Verfügung.
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