5. Juni 2020Peter Pionke
Milenas 50 plus: Verkauft mich nicht für blöd!
„Das sieht gaaanz toll an Ihnen aus“. In künstlicher Extase sprudelt das Lob aus der blutjungen Verkäuferin – ihr Blick verfängt sich hinter mir im Nirgendwo. Mehr Desinteresse geht nicht. Und weniger Aufrichtigkeit auch nicht. Die Hose sitzt nicht, sie klebt. Vor allem an den Oberschenkeln. Zwei Weißwürste auf Wanderschaft.
Letzter Versuch: „Haben Sie auch noch Hosen mit weiterem Bein?“ „Nee, glaub ich nicht. Aber die sitzt doch super…“
Hat mich die „Schnecke“ überhaupt wahrgenommen? Okay, das wars… dieses Geschäft sieht mich nicht wieder… dumm gelaufen. Aber nicht für mich. „Miss Supertoll“ hat gerade ein Mitglied der reichsten Käuferschicht des Landes vergrault. Bätschi!
50plus – das sind die Rockefellers der Alterspyramide, das ist die Gang mit der dicken Marie. Wer kauft denn all die Ferraris und Bonzenschleudern? Die Milleniums? Haha!
80 Prozent aller Luxuswagen und 50 Prozent sämtlicher Kosmetika gehen auf uns. Wir können dreimal so viel ausgeben wie die 14 bis 20-jährigen.
Da wirkt es schon ziemlich verrückt, daß die beliebteste, werberelevante Zielgruppe der privaten TV-Sender die 14 bis spätestens 49-jährigen sind.
Merken Sie`s? Bei 49 ist Schluss mit dem Lieblings-Zuschauer. Ganz schön doof. Die Wirtschaft lässt Milliarden € liegen, anstatt sich auf den reifen und natürlich auch kritischeren Kunden einzulassen.
Nein, wir laufen nicht mehr jedem Trend hinterher, wir haben ihn ja auch schon dreimal erlebt. Und natürlich ist es nicht so leicht für einen grade Geschlüpften, sich in ein Babyboomer-Hirn zu versetzen und zu erkennen, dass es auch jenseits der 50 noch intelligentes Leben gibt.
Ich warte – allen Ernstes – auf einen 55-jährigen Apple-Mitarbeiter, der mit mir auf meiner Wellenlänge durch die Angebote surft. Einer, der mich nicht mit diesem leicht genervten Kinderlächeln abtut.
Hey, wir wissen, wie sich 25 anfühlt – ihr dagegen habt nicht den Hauch einer Ahnung, was in einem halben Hunderter vorgeht.
Und wie jung wir uns dabei fühlen. Und wie albern und verspielt wir sein können. Und welche Sehnsüchte in uns schlummern.
Wir können kaufen, wir wollen kaufen und wir werden kaufen – allerdings nur da, wo wir ernst genommen werden, wo wir gut bedient werden. Ansonsten: Bätschi!
Ihre Milena Preradovic
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