10. September 2020Peter Pionke
OB-Wahl – Panagiotis Paschalis: Kandidatur ist kein Racheakt
Das Dezernat des Juristen Panagiotis Paschalis umfasste neben der Bürgerbeteiligung das Rechtsamt, die Zentrale Vergabestelle, die Steuerung des Stadtkonzerns und das Management der städtischen Beteiligungen, das ServiceCenter, das Einwohnermeldeamt, das Standesamt, das Straßenverkehrsamt, sowie das Amt für Statistik und Wahlen.
Doch seine Karriere als Beigeordneter war nach knapp zwei Jahren schon wieder vorbei. Im Zuge der von vielen Rechtsstreits begleiteten Affäre rund um einen Kooperationsvertrag der Stadt Wuppertal mit dem Leasingunternehmen ASS Athletic Sport Sponsoring GmbH (Bochum) wurde der 58jährige 2017 vom Stadtrat mit 52 Stimmen von SPD, CDU, FDP und den Grünen vorzeitig abgewählt und in den einstweiligen Ruhestand versetzt.
Panagiotis Paschalis trat in der Folge aus der SPD aus und arbeitet wieder als Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei in Wuppertal. Bei der OB-Wahl am 13. September, von der niemand weiß, ob und wie sie überhaupt stattfindet, geht er als parteiloser Kandidat an den Start. Allenfalls mit Außenseiterchancen – wie es Experten sehen. Die vom Gesetz geforderten 330 amtlich geprüfte Unterstützerunterschriften, die nötig sind, um für die Wahl zugelassen zu werden, hatte er jedenfalls in kürzester Zeit gesammelt.
Der STADTZEITUNG hat Panagiotis Paschalis jetzt im Rahmen der Reihe „Hand aufs Herz“ ein umfassendes Interview gegeben.
DS: Gab es da ein bestimmtes Schlüsselerlebnis, das zur Entscheidung geführt hat, bei der OB-Wahl zu kandidieren?
Panagiotis Paschalis: „Es gab ein Schlüsselerlebnis. Nach meiner Abberufung durch den Rat 2017 haben zahlreiche Bürgerinnen und Bürger in Utopiastadt eine Feier für mich ausgerichtet. Ich war überwältigt und gerührt. An diesem Abend wurde mir erneut deutlich, dass es in Wuppertal viele Menschen gibt, die ihre Stadt lieben und gestalten wollen. Mir wurde klar, dass diese Menschen mehr von der Politik erwarten und es sich lohnt, weiter zu kämpfen, sich für diese tolle Stadt und ihre Menschen zu engagieren.“
DS: Und da haben Sie die Berufung gespührt, bei der Wahl auch ohne Partei im Rücken anzutreten?
Panagiotis Paschalis: „Meine Motivation als Oberbürgermeister zu kandidieren geht tiefer. Geprägt worden bin ich von Willy Brandts Ideen zu „mehr Demokratie wagen“ und „Aufstieg durch Bildung“. Mein persönlicher Aufstieg ist gelungen und ich bin der Gesellschaft, die das ermöglicht hat, dankbar. Das Thema Demokratie ist allerdings – mehr noch als zu meinen Studienzeiten Anfang der 1980er Jahre – eine Baustelle. Deswegen habe ich 2015 meinen Beruf als Wirtschaftsanwalt in Köln an den Nagel gehängt und wurde Beigeordneter in Wuppertal, der bundesweit erster Beigeordnete für Bürgerbeteiligung. Hier konnte ich Hand anlegen bei der Neugestaltung unserer kommunalen Demokratie. Ungeachtet meiner Abberufung, ist mein Wunsch in Wuppertal „mehr Demokratie zu wagen“ und politisch zu gestalten, ungebrochen.“
DS: Ist Ihre Kandidatur nicht eher ein Nadelstich oder so eine Art kleiner Racheakt, weil Ihnen – was nicht wenige meinen – ziemlich übel mitgespielt wurde – oder rechnen Sie sich wirklich reelle Chancen aus?
Panagiotis Paschalis: „Dass mir übel mitgespielt wurde – da gibt es auch andere Stellungnahmen. Als versierter Wirtschaftsanwalt und Unternehmensleiter habe ich gelernt mit Emotionen und persönlichen Befindlichkeiten in Füh- rungsgremien umzugehen. Der Verwaltungsvorstand einer Großstadt unterscheidet sich insoweit nur unwesentlich von Vorstandsteams in der freien Wirtschaft. Ob ich reale Chancen habe gewählt zu werden, liegt bei den Wählern, den Wuppertaler Bürgerinnen und Bürgern. Sie haben mich zum ersten parteiunabhängigen Kandi- daten ihrer Stadt nominiert. In kürzester Zeit gab es die nach dem Gesetz erforder- lichen 330 Unterstützerunterschriften und im Nachlauf noch weitere hunderte mehr. Das macht Mut. Das sind mehr Stimmen, als alle anderen Kandidaten – wohlge- merkt von Parteifreunden – zusammengenommen erhalten haben.“
DS: Treten Sie trotz Andreas Mucke oder wegen Andreas Mucke bei der OB-Wahl an?
Panagiotis Paschalis: „Nochmal, es geht nicht um persönliche Befindlichkeiten, die haben auf dieser Ebene nichts zu suchen. Ich trete für meine politischen Überzeugungen an und hoffe, als jemand wahrgenommen zu werden, der mehr Gestaltungskraft und mehr Gestaltungswillen mitbringt. Herr Mucke ist inhaltlich kaum wahrnehmbar, er gibt keine Impulse und überlässt die Führung der Verwaltung anderen. Ein Oberbürgermeister allein zum Repräsentieren und als „Kümmerer“ alter Prägung nutzt einer Großstadt wie Wuppertal nicht viel.“
DS: Glauben Sie wirklich an eine Chance, obwohl Sie ja als Einzelkämpfer ohne eine Partei als Lokomotive im Rücken antreten?
Panagiotis Paschalis: „Ich sehe mich nicht als Einzelkämpfer, sondern als bürgerschaftlicher Kandidat über dessen Chancen die Bürger und nicht die Presse entscheidet. Und was Parteien anbetrifft, stehen denen viele Menschen zu Recht kritisch gegenüber. Deswegen gibt es bei Kommunalwahlen in Wuppertal weit über 50 Prozent Nichtwähler. Diese Menschen sind enttäuscht und denken sich: Warum soll ich wählen gehen, die Parteien klüngeln sowieso alles aus und es ändert sich nichts, egal wo ich mein Kreuz auf dem Wahlzettel mache. Auch für diese Bürgerinnen und Bürger möchte ich eine Alternative sein, als unabhängiger Kandidat stehe ich ihnen näher als den Partei-Interessen.“
DS: Durch die Coronakrise handelt es sich ja (zumindest bislang) fast um einen reinen Online-Wahlkampf, der möglicherweise am Ende durch eine Briefwahl entschieden wird – sehen Sie das als Vorteil oder als Nachteil?
Panagiotis Paschalis: „Ich bin nicht der Typ Volkstribun und auch nicht Everybody ́s Darling. Meine Stärken liegen in der direkten Kommunikation mit den Menschen, von Angesicht zu Angesicht. Deswegen bringen die Einschränkungen der Coronakriese erhebliche Nachteile für mich. Hinzu kommt, dass man als Herausforderer und erst Recht als jemand ohne Partei im Rücken sowieso weniger Präsenz in den Medien hat. Bevor sich die Wuppertalerinnen und Wuppertaler entscheiden, wollen sie sich zu Recht auch ein persönliches Bild machen, das sind bodenständige Leute, sie wollen sehen, ob man nur Worthülsen absondert oder es wirklich ernst meint. Ich werde alles in Anbetracht der Umstände Mögliche tun, um bis zu den Wahlen ausreichend persönliche Begegnungen mit den Bürgerinnen und Bürgern zu ermöglichen.“
DS: Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Amtsinhaber Andreas Mucke beschreiben?
Panagiotis Paschalis: „Dem Amt bringe ich den gebührenden Respekt entgegen. Der Person gegenüber bin ich professionell und distanziert.“
DS: Wie schätzen Sie – einmal abgesehen von Amtsinhaber Andreas Mucke (SPD) – Ihre Mitkonkurrenten Prof. Dr. Uwe Schneidewind (CDU/Die Grünen), Marcel Hafke (FDP), Bernhard Sander (Die Linke) ein?
Panagiotis Paschalis: „Vorab, ich bedauere sehr, dass Wuppertal keine Oberbürgermeisterkandidatinnen hat, das würde der politischen Kultur in unserer Stadt gut tun. Alle Kandidaten sind von Parteien nominiert und müssen es diesen Parteien Recht machen, Herr Schneidewind gleich zwei sehr unterschiedlichen Parteien. Er startete schon mit viel medialer Unterstützung in den Wahlkampf. Er ist ein anerkannter Wissenschaftler mit guten Ideen. Die Frage ist, ob er seine theoretischen Konzepte, zumal in einer armen Stadt wie Wuppertal, in die Realität umsetzen kann und ob er die Kraft besitzt, sich gegenüber den Parteien und der hiesigen „politischen Kultur“ zu behaupten. Herr Hafke ist recht spät nominiert worden, er hat alle Hände voll damit zu tun, seinen Job als Landtagsabgeordneter zu machen. Mir ist nicht klar, wo seine Stärken liegen. Herr Sander ist ein Vollblutkommunalpolitiker, er benennt ehrlich und direkt Probleme und ist nicht abgehoben. Die Kernkompetenz der Partei, die ihn nominiert hat, ist Soziales und Fürsorge. So wichtig das ist, Wuppertal ist auch eine Stadt des Handels, der mutigen Unternehmer, der Startups, der agilen mittelständischen Unternehmen und etlicher Weltmarktführer. Diese stehen mit Blick auf die große Industrie- und Wirtschaftsgeschichte Wuppertals für Erfolg und Wohlstand der Stadt. Den Wirtschaftsstandort Wuppertal gilt es insgesamt zu stärken. Nur so gedeiht Prosperität und werden dauerhaft Werte geschaffen, die Wohlstand für alle schaffen. Nach einem langen Berufsleben in der Wirtschaft ist das eines meiner zentralen Themen.“
DS: Wen halten Sie für den stärksten Gegner?
Panagiotis Paschalis: „Das ist sicher Herr Schneidewind.“
DS: Aber ist Oberbürgermeister Andreas Mucke, der ja Kraft seines Amtes in Coronazeiten allgegenwärtig ist und als Krisen-Manager glänzen kann, überhaupt noch zu schlagen?
Panagiotis Paschalis: „Wie gesagt, mediale Präsenz allein reicht nicht. Gerade in Krisenzeiten ist substanzielle Führung verlangt. Der Corona-Krisenstab, die Verwaltung und vieles andere liegen in Wuppertal nicht in den Händen des Oberbürgermeisters. Das war vor der Krise so und wird nach der Krise nicht anders sein. Herr Mucke versucht seit Jahren als „Kümmerer“ zu punkten. Doch nochmal, Aufgabe eines Oberbürgermeisters in einer Großstadt wie Wuppertal kann es nicht sein, Probleme im Einzelfall par ordre de mufti zu lösen, sondern eine Verwaltung so zu organisieren und anzuleiten, dass solche Probleme gar nicht erst entstehen.“
DS: Was würden Sie im Falle einer Wahl anders machen als Ihr Vorgänger?
Panagiotis Paschalis: „Meine Grundgedanken habe ich bereits bei meiner Antrittsveranstaltung im Februar im Kontakthof dargelegt. Mit einem Bündnis zwischen Bürgerschaft, Rat, Bezirksvertretung und Oberbürgermeister will ich eine neue politische Kultur anstoßen. Weg von Hinterzimmern, Parteiklüngel und Intransparenz, hin zu einer breiten bürgerschaftlichen Demokratie, zu Gemeinwohlorientierung, Professionalität und Transparenz. Erst auf Grundlage einer neuen politischen Kultur kann Wuppertal Versäumtes nachholen und die großen Potentiale heben, über die es verfügt.“
DS: Jetzt müssen Sie aber schon konkreter werden…
Panagiotis Paschalis: „Ich möchte eine sach- und vernunftorientierte Politik. Gemacht werden muss, was den Bürgern nutzt – was Gemeinwohl schafft. Der bestmögliche Vorschlag verdient Umsetzung, egal ob er aus der Bürgerschaft, der Opposition oder der Bezirksvertretung kommt. Bislang finden sachliche Diskurse selten statt oder werden von Partei- und zum Teil von persönlichen Interessen überlagert. Entscheidungen fallen in Hinterzimmern und werden im Rat häufig nach Parteiräson abgenickt.
DS: Und wo wollen Sie da den Hebel ansetzen?
Panagiotis Paschalis: „Wuppertal hat eine selbstbewusste und engagierte Bürgerschaft. Ich möchte den Bürgerinnen und Bürgern größere Möglichkeiten der Beteiligung eröffnen, auch die Rolle der Bezirksvertretungen muss deutlich gestärkt werden. Entscheidungen über den Kopf der betroffenen Bürger darf es nicht geben. Gerade bei wichtigen Projekten müssen Bürgerbefragungen, Bürgerräte und andere Formen der Beteiligung Grundlagen für transparente Entscheidungen schaffen. Stadtverwaltung und Stadtkonzern müssen bürgerfreundlicher und effizienter werden. Umbau, Modernisierung und Professionalisierung sind unumgänglich. Der Stadtkonzern muss nach wirtschaftlichen Kriterien geführt werden – nur dann ist Geld da für dringend notwendige Investitionen und Zukunftsgestaltung. Die Entschuldung der Stadt hat höchste Priorität – das Joch der seit Jahrzehnten drückenden Schulden und die Armut müssen abgeschüttelt werden.
Wirtschaft und Handel müssen durch effiziente Verwaltungsabläufe unterstützt werden. Die Kommune ist nicht immer der bessere Unternehmer, vielmehr sollen Ideen und Initiativen aus der Bürgerschaft, den Quartieren, aus Handel und Wirtschaft unterstützt werden. Bürgerschaftliches Engagement hat Tradition in Wuppertal. Ohne die Wuppertalbewegung gäbe es z.B. die Nordbahntrasse nicht. Das neue Konzept für „circular economy“, also der Ansiedlung eines Clusters für Kreis- laufwirtschaft, hört sich sehr gut an und verdient Unterstützung durch die Stadt.“
DS: Aus Ihrer Sicht: Wie bodenständig und volksnah, aber auch kompetent in Wirt-schafts-, Verwaltungs- und Sozialfragen muss der Oberbürgermeister einer Großstadt heutzutage sein?
Panagiotis Paschalis: „1999 ist in NRW die Doppelspitze aus ehrenamtlichem Bürgermeister und hauptamtlichem Stadtdirektor abgeschafft worden – beide Funktionen vereinigen sich seitdem im Amt des Bürgermeisters. Bürgermeister werden unmittelbar von den Bürgern gewählt, sie sind Chef der Verwaltung und Vorsitzende des Rates. Oberbürgermeister einer Großstadt ist eines der anspruchsvollsten Ämter in Deutschland. Der „Politiker-OB“ muss bodenständig und volksnah sein, er muss bei den Bürgern ankommen, um gewählt zu werden und er muss es den Parteien Recht machen, um nominiert und im Rat unterstützt zu werden. Als Chef der Verwaltung muss er führungsstark und kompetent in Wirtschaft-, Rechts-, Verwaltungs- und Sozialfragen sein, sonst kann er Kernverwaltung und Stadtkonzern sowie den Verwaltungsvorstand nicht erfolgreich führen. Der Spagat zwischen „Repräsentant und Volkstribun“ auf der einen und „Manager und Macher“ auf der anderen Seite kann größer nicht sein.“
DS: Und wie würden Sie das Anforderungsprofil eines Stadtoberhauptes für eine Stadt wie Wuppertal beschreiben?
Panagiotis Paschalis: „Meines Erachtens braucht Wuppertal jemanden an der Spitze, der natürlich im Sinne der Bürgerinnen und Bürger denkt und handelt. Um die vielfältigen Interessen und Prozesse erfolgreich moderieren zu können, muss derjenige aber unabhängig, führungsstark und fachlich sehr kompetent sein. Es wird Zeit, dass auch Wuppertal die Gemeindeordnung aus 1999 in die Realität umsetzt. Die Stadt braucht einen starken Oberbürgermeister, einen modernen Manager, einen strategisch denkenden Visionär und Macher.“
DS: Wuppertal ist eine Hochburg der Automobilzulieferer, deren Mauern in Zeiten von Umweltdiskussionen, Diesel-Verteufelung und E-Mobilität bröckeln. Wie wollen Sie die hier ansässigen Unternehmen mit vielen Arbeitsplätzen unterstützen?
Panagiotis Paschalis: „Ich kenne die Struktur und die Probleme der hiesigen Industrie gut, u.a. aus meiner über 20-jährigen Tätigkeit in der gewerblichen Kreditwirtschaft. Die Automobilzulieferer befinden sich als verlängerte Werkbank der Automobilindustrie im permanenten Transformationsprozess, das gehört quasi zum Geschäftsmodell und das kann den Unternehmen auch niemand abnehmen. Das Ruhrgebiet sollte da eine Mahnung sein. Den Ausstieg aus der Kohle und den Strukturwandel hat man politisch gewollt hinausgezögert, mit immensen Kosten für die Allgemeinheit, wobei das Ruhrgebiet immer noch strukturschwach ist. In Wuppertal hingegen gibt es eine unternehmerische Kultur, die sehr flexibel auf den Markt reagiert. Deswegen hat die Branche die vielen Herausforderungen im Großen und Ganzen gut gemeistert. Den Kostendruck (Lopezschraube) in den 1990er Jahren, Globalisierung und Auslagerung von Produktion in den 2000er.“
DS: Das ist die Vergangenheit, aber was muß in der Zukunft passieren?
Panagiotis Paschalis: „Nun stehen Technologiekompetenzen im Mittelpunkt und der Wechsel von Energieträgern und Mobilitätskonzepten. Als Oberbürgermeister kann man diesen Wandel im sachkundigen Dialog mit der Branche und durch eine zukunftsorientierte und strategische Standortentwicklung unterstützen. Dazu gehören auch eine effiziente und wirtschaftsfreundliche Verwaltung sowie eine agile und professionelle Wirtschaftsförderung. Entscheidend sind gute Rahmenbedingungen wie gut ausgebildete Mitarbeiter, eine gute Wissenschaftliche Infrastruktur, hohe Lebensqualität, ausreichend guter Wohnraum, gute Schulen, Kultur usw.“
DS: Wie könnte man Wuppertal denn Ihrer Meinung nach als Wirtschaftsstandort besser aufstellen und nach innen und außen stärken?
Panagiotis Paschalis: „Bei den harten Standortfaktoren – also z.B. der Erschließung und Zugänglichkeit von Gewerbegrundstücken, bei der Dauer behördlicher Genehmigungen, bei der Beratung durch die Fachabteilungen, bei den Gewerbesteuern, da hat die Stadt es in der Hand, den Standort attraktiver zu machen. Topographisch gesehen ist Wuppertal geeignet für mittlere bis kleinere Unternehmen, die sich in den vorhandenen Brachflächen ansiedeln können. Hier muss z.B. die Genehmigung für Umnutzungen und bauliche Veränderungen zügig und rechtssicher durch die Verwaltung umgesetzt werden. Bei den weichen Standortfaktoren hat Wuppertal bereits viel mehr zu bieten als das Umland. Aktuell muss dafür gesorgt werden, dass auch die freie Kulturszene wegen der Corona-Auflagen nicht untergeht. Die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt ist auch ein großes Thema, die Stadt muss unbedingt auch mehr tun für die Sicherheit und Sauberkeit in allen Stadtteilen.“
DS: Seit Jahrzehnten bemüht sich Wuppertal scheinbar vergeblich, sein Image und seine Außenwirkung zu verbessern. Welche Möglichkeiten sehen Sie, diesen Zustand zu ändern?
Panagiotis Paschalis: „In dem Moment, wo Menschen und Unternehmen gerne nach Wuppertal kommen, weil der Standort gut ist, weil die Arbeitnehmer und Besucher die lebendige und grüne Stadt sehen, durch die sie gerne promenieren, werden sie darüber sprechen und die Stadt bewerben. Also muss man erst die Umstände verbessern, das Image kommt dann von allein. Intelligentes Marketing mag flankierend dabei helfen, nicht aber, wenn es rückwärtsgewand ist und sich seit 15 Jahren darauf beschränkt, Fahrten mit dem Kaiserwagen und Stadtfeste zu organisieren.“
DS: Stichwort Stadtentwicklung, welche konkreten Maßnahmen hätten bei Ihnen absolute Priorität?
Panagiodis Paschalis: „Die Aufenthaltsqualität verbessern: Reparatur der Treppen, Ausweitung der Fußgängerzonen, Bewirtschaftung des Parkraums, Ausweisung neuer Fahrradwege, intensive Zusammenarbeit mit Bürgervereinen und Bürgern der verschiedenen Wohnviertel und Quartiere. Unternehmen anlocken: Unterstützung bei der Ansiedlung oder der Erweiterung durch beschleunigte Verwaltungsverfahren, geringere Gewerbesteuern und eine fachlich hochwertige Beratung schon im Vorfeld der Genehmigung von Bauanträgen.“
DS: Was muss beim Thema Integration Ihrer Meinung nach verbessert werden?
Panagiotis Paschalis: „Integration ist eine zentrale gesamtgesellschaftliche Aufgabe mit großer Bedeutung für die örtliche Gemeinschaft. Aufgrund meines eigenen Migrationshintergrundes weiß ich um die Bedeutung, sowohl für die Zugezogenen als auch für die aufnehmende Gesellschaft. Integration gelingt nur von unten, zwischen den Menschen, mit Ehrlichkeit, Offenheit und guten Willen auf beiden Seiten.“
DS: Der Wuppertaler SV ist als derzeitiger Viertligist Lichtjahre von den glorreichen Zeiten entfernt. Dennoch ist der Traditionsverein von Kiel bis Passau bekannt und könnte ein echter Werbeträger sein. Wie würden Sie als OB mit diesem Thema umgehen?
Panagiotis Paschalis: „Zuerst ist der Verein gefragt, seine finanziellen und sportlichen Probleme in den Griff zu bekommen. Ich sehe nach all den städtischen Investitionen ins Stadion momentan keinen Spielraum für noch mehr Unterstützung.“
DS: Handball-Bundesligist BHC ist quasi heimatlos, trägt seine Spiele in Wuppertal, Solingen und Düsseldorf aus. Der Verein kämpft seit Jahren um eine größere Halle als feste Heimat. Inwieweit könnte der BHC auf Ihre Unterstützung setzen?
Panagiotis Paschalis: „Ich freue mich über die Erfolge des Bergischen HC. Eine Halle in Wuppertal wäre gut, muss meines Erachtens aber privat finanziert werden. Natürlich sollte die Stadt bei der Standortsuche und den Genehmigungen helfen.“
DS: Wenn es Ihre Freizeit zulässt, mit welchen Hobbies schalten Sie mal so richtig ab?
Panagiotis Paschalis: „Ich bin ein Vielleser, Zeitungen, Geschichte, Philosophie Literatur und Lyrik. Fast jeden Tag laufen meine Frau und ich gut acht km den Boltenberg hoch und wieder zurück. Besonders entspannend ist Kochen für mich, ich liebe das anschließende gesellige Essen mit Familie oder Gästen.“
DS: Vielen Dank für das offene, interessante Gespräch
Das Interview führte Peter Pionke
VITA Panagiotis Paschalis
Panagiotis Paschalis wurde am 23. Juni 1961 im kleinen Bergdorf Kolestati in Epirus im Nordwesten Griechenlands geboren. Ioannina, die Hauptstadt der Region, hat rund 112.000 Einwohner. Seine Eltern kamen 1964 als Gastarbeiter nach Deutschland. Der kleine Panagiotis blieb zunächst bei den Großelltern in der Heimat. 1968 kam auch er nach Deutschland und wohnte zunächst in Herten. Er machte sein Abitur in Gelsenkirchen.
1987 schloß Panagiotis Paschalis sein Studium der Rechtswissenschaften erfolgreich ab. 1988 wurde er Rechtsreferendar am OLG Düsseldorf. Seit 1991 ist er zugelassener Rechtsanwalt. Von 1991 bis 2009 war er als Jurist hauptberuflich bei der Deutschen Industriebank (IKB) in Düsseldorf beschäftigt. Anschließend arbeitete als Anwalt in Kanzleien in Köln und Düsseldorf.
Als sein spannendste Mandat bezeichnet er selbst die Abwicklung der „Deutschen National-Theater AG“ (DNT) in Berlin. Das Theater war 1917 vom berühmten Theater-Macher Max Reinhard gegründet worden.
Bereits 1982 war Panagiotis Paschalis in die SPD eingetreten. Auf Vorschlag der Wuppertaler Sozialdemokraten wurde er 2015 für acht Jahre zum Dezernenten für Bürgerbeteiligung, das Rechtsamt, die Zentrale Vergabestelle, die Steuerung des Stadtkonzerns und das Management der städtischen Beteiligungen, das ServiceCenter, das Einwohnermeldeamt, das Standesamt, das Straßenverkehrsamt sowie für das Amt für Statistik und Wahlen gewählt.
Im Zuge der Affäre um das Leasingunternehmen ASS Athletic Sport Sponsoring GmbH (Bochum) wurde er 2017 vorzeitig von seinem Amt abberufen und in den einstweiligen Ruhestand versetzt.
Seither arbeitet Panagiotis Paschalis wieder als Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei in Wuppertal. Seine Spezialgebiete: Unternehmens-, Bank- und Kapitalmarkt-Recht.
Der Jurist ist seit fast 40 Jahren mit Ehefrau Petra liiert, die als Grundschullehrerin in Velbert tätig ist. Gemeinsam haben sie vier Söhne (34 – 28 – 19 und 16 Jahre alt).
Das Ehepaar wohnt in einem denkmalgeschützten Haus in Vohwinkel und züchtet sein Gemüse selbst.
Seine Hobbies: Kochen, Tanzen, Spazierengehen, Lesen und Reisen. Lieblingsinsel: Korfu.
www.panagiotis-paschalis.de
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