20. September 2020

Was ist eigentlich jung – und was ist alt?

Milena Preradovic hat über viele Jahre TV-Geschichte geschrieben. Jetzt liefert sie Geschichten, die das Leben schreibt - in ihrer Kolumne "Milenas 50 plus".

Die engagierte TV-Journalistin Milena Preradovic – © Heli Mayr

Milena Preradovic (56) ist der Prototyp einer Powerfrau. Über Jahre war die wortgewandte und schlagfertige Gelsenkirchenerin eines der bekanntesten Fernsehgesichter Deutschlands. Unter anderem kennt man sie als Aushängeschild der bunten, informativen Show „Punkt 12“ (RTL). Mit ihrer lockeren Art revolutionierte sie die bis dahin beschaulichen, angestaubten Mittagsmagazine im deutschen Fernsehen.

In ihrer Kolumne „Milenas 50 plus“ setzt sie sich humorvoll mit dem Thema Älterwerden auseinander. Nicht wenige werden sich in Milenas Geschichten und Beobachtungen wiederfinden.

Was ist eigentlich jung – und was ist alt?

„Der wirklich sympathische Sohn einer Freundin hat frisch sein Abi in der Tasche. Ich frage nach seinen Zukunftsplänen. „Ein Titel wäre mir schon wichtig“, sagt er. Ein Titel? Ich denke, er scherzt. „Nein, wenn du einen Titel hast, sehen die Leute zu Dir auf und dann verdienst du auch mehr Geld. Ich brauche schon Sicherheit“.

Ich sage:“ Neben Dir fühle ich mich richtig jung!“ Er lacht: “Das höre ich nicht zum ersten Mal.“ Er trägt übrigens lieber Anzüge als Lederjacken und liebt Volksmusik.

Ist ja auch okay, aber ich komme ins Grübeln. Wo ist die Abenteuerlust der Jugend, dieser unbedingte Wille, verrückte Dinge zu erleben? Haben das etwa gar nicht alle Jungen? Was ist eigentlich jung und was ist alt? Mal abgesehen vom äußeren Verfall.

Meine Mutter ist fast 80 und jung. Ihr Alter ist ihr völlig egal. Natürlich spürt ihr Körper die Jahre, aber sie hadert nicht. Sie trägt Jeans und T-Shirts mit John Lennon drauf, silberne Stiefeletten und eine rockige Frisur. „Rod Stewart“ hat mal einer gerufen.

Mit knapp 70 hat sie ihren ersten Paragliding-Flug absolviert, warum nicht? Als ich es mit 50 versuchen wollte, sagte sie: “Ich glaube, das ist nichts für Dich!“

Möglicherweise entscheidet sich unser Alters-Status schon bei der Geburt und ist ganz einfach Charaktersache. Schwierig…

„Alt ist man dann, wenn man an der Vergangenheit mehr Freude als an der Zukunft hat“, schrieb der Schweizer Schriftsteller John Knittel.

Genau! Kennen wir doch, die „Früher war alles besser“-Fraktion. Mal abgesehen davon, dass es nicht stimmt – dieses Denken schränkt unheimlich ein, auf alte Konzepte und Abgeschlossenes. Daraus entsteht nichts Neues, also auch nichts Junges. Und vor allem – früher kommt nicht zurück. Macht also keinen Sinn.

Niemand kann die Vergangenheit festhalten – alles ändert sich andauernd, alles ist immer im Fluss. Ich habe mir abgewöhnt, das zu bewerten. Eine Freundin letztens: “Die jungen Mädels heute sehen alle gleich aus, Haare, Figur, Gesichtsausdruck – alles gleich. Da waren wir doch individueller!“

Waren wir das wirklich? In den Augen der Älteren sicher nicht. Da waren wir auch nur „die Jungen“ mit den glatten, unfertigen Gesichtern, an denen sich der Blick nicht festklammern konnte.

Mode, Musik, Filme, früher war alles anders, aber besser? Ich will nicht in diese Generationenfalle tappen, nur weil mir manches fremd erscheint. Es muss mir ja nicht gefallen, ich fand ja auch früher nicht alles gut.

Ich habe mich entschieden, offen zu bleiben. Und ich freue mich auch auf das nächste Pläuschchen mit dem konservativen Abiturienten. Er ist mir nämlich ans Herz gewachsen und darauf kommt es schließlich an. Er macht jetzt übrigens eine Banklehre und will nebenbei studieren….

Das ist doch auch irgendwie cool…“

Ihre Milena Preradovic

 

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