Der Mönch Bruder Dirk hat ein offenes Ohr für Sünder

Bruder Dirk ist Mitglied des "Kreuzherrn-Ordens" und lebt im Beyenburger Kloster Steinhaus. Er ist der letzte Ordensbruder in Wuppertal - doch ein Einsiedler ist er nicht. Fast das ganze Jahr über lebt Dirk Wasseruhr zurückgezogen hinter ehrwürdigen Klostermauern. Doch in der beschaulichen Weihnachtszeit steht er auch schon mal im Lichtkegel - so wie gestern (15.12.) als Protagonist in der WDR-Sendung "Aktuelle Stunde".

(V.l.) Bürgermeister Heiner Fragemann, Stefan Mageney (1. Vorsitzender Verein „Wuppertal Hilft“), Bruder Dirk Wasserfuhr (kath. „Kreuzherren“-Orden) – © OMK MEDIA Oliver M. Klamke

Gut gelaunt begrüßt mich Bruder Dirk Wasserfuhr (61) vom katholischen Kreuzherren-Orden in den Räumen des Klosters, die er selber bewohnt. „Zur Miete beim Bistum Köln“, wie er betont. Wer hinter den Klostermauern ein karges Mönchsleben erwartet, wird erst einmal enttäuscht.

Statt einer einsamen Mönchszelle, findet man in Wasserfuhrs Arbeitszimmer antike Möbel – Erbstücke aus anderen Klöstern – einen modernen Fernseher und aktuelle Erdkunde-Zeitschriften neben Heiligenbildern und einem Portrait von Papst Franziskus. Alles ist Eigentum des Ordens. Er selbst darf keine weltlichen Dinge besitzen.

Es duftet nach Kaffee. Bruder Dirk, wie er hier von allen genannt wird, ist ein frommer, aber kein weltfremder Mann. Vielmehr hat der Mönch ein Anliegen: Die Kirche mit Leben zu erfüllen. „Der Geist von Christus treibt uns an, nicht leere entseelte Formen zu hüten und weiterzugeben, sondern die Inhalte stets aufs Neue zu betrachten und sie in unserer Zeit zu verlebendigen.“

Das hat er den Beyenburgern in einem Grußwort mit auf den Weg gegeben. Und so ist das Kloster Steinhaus, immerhin das älteste erhaltene Gebäude im gesamten Stadtgebiet von Wuppertal, inzwischen zu einer Art Patchwork-Ensemble geworden. Neben den wenigen Zimmern, die Bruder Dirk und seinem Orden bleiben, hat sich ein Ehepaar eingemietet.

Die Kaminzimmer im Erdgeschoss dienen als Tagungsraum und sozialer Treffpunkt. Daneben hat sich ein Pflegedienst einquartiert. Den Keller des Hauses bauen die Jugendlichen des Ortes wiederum nach und nach zu einem Partykeller aus.

„Wenn die ihre Feiern machen, kann ich zwar nachts manchmal nicht schlafen“, sagt Bruder Dirk, der direkt darüber wohnt, „aber ich freue mich, dass sich die jungen Menschen engagieren.“

2.000 Euro seien bei der letzten Party eingenommen worden, die nun an die Flüchtlingshilfe gingen, berichtet er stolz und ergänzt: Konfessionen seien dabei unwichtiger geworden. Früher, als Dirk Wasserfuhr noch selber in Beyenburg zur Schule ging, war das anders. Da trennte die Bahnlinie Oberbarmen-Dahlhausen die Katholiken im historischen Ortskern von den Protestanten mit den schicken Fabrikantenvillen am Ortsrand.

„Zusammen spielen war verpönt“, sagt Wasserfuhr. Die Klosterkirche, die sich mitten im Ort über den Schieferhäusern mit ihren grünen Fensterläden erhebt, war damals nicht nur Zentrum, sondern auch Autorität des Ortes. So kam Wasserfuhr bereits früh mit der Kirche in Kontakt und beschloss im Alter von 20 Jahren, sich dem örtlichen Orden anzuschließen.

„Verzicht ist eine andere Art von Freiheit“, sagt Bruder Dirk philosophisch und etwas nebulös zu seinen Motiven. Seitdem sagt er „wir“ wenn er von seinem Orden, den Kreuzherren, spricht und beim Rundgang durch das Kloster und die imposante Klosterkirche mit immer neuen historischen Daten und Anekdoten aufwartet: „Eigentlich haben wir das Kloster 1298 nur geschenkt bekommen, weil den Grafen von Berg ein schlechtes Gewissen plagte.“

Der Graf hatte einige Jahre vorher in der Schlacht von Worringen zwar an weltlicher Macht gewonnen, fühlte sich aber nun durch seine ziemlich brutale Kriegsführung bereits mit einem Bein in der Hölle.

Nach mittelalterlicher Logik war ein Kloster das perfekte Mittel, um nun um Ablass zu bitten. Später beherbergte das Kloster im Winter gerne die Burgfäuleins der nahen Beyenburg, die es in den Kaminzimmern des Klosters viel behaglicher fanden, als in den zugigen Räumen auf der bergwärts gelegenen Burg.

Das Kloster, genau eine Pferdetagesreise von Köln und Dortmund an der Zollgrenze zwischen dem Rheinland und Westfalen gelegen, war auch über Jahrhunderte eine beliebte Zwischenstation für Händler und Pilger. 1804 wurde Kloster Steinhaus unter Napoleon aufgelöst und erst über 150 Jahre später in der frömmelnden Nachkriegszeit von dem inzwischen in die Niederlande ausgewanderten Kreuzherren-Orden wieder seiner ursprünglichen Bestimmung übergeben.

Der Name Kreuzherren klingt übrigens weitaus martialischer als er ist. Bruder Dirk: „Das Grundprinzip unseres Ordens lautet Bescheidenheit.“

Bruder Dirk steht auf dem Friedhof der Kreuzherren und blickt auf die Gräber seiner Mitbrüder. Dort snd auch die beiden Ordensbrüder begraben, mit denen er noch im Kloster zusammen lebte und zusammen betete.

Rundherum rauschen die herbstlichen Wälder der Wupperhänge. An der Friedhofspforte grüßt das Symbol des Ordens: Ein schwarz-rotes Kreuz. Es ist ein wenig so, als könne man einer Tradition beim Aussterben zusehen.

Dirk Wasserfuhr gibt sich keiner Illusion hin, dass man Nachwuchs für den Orden finden könne. Die Gelübde eines Ordensbruders – kein Eigentum, keine Partnerschaft, lebenslange Bindung und Gehorsam dem Orden gegenüber – seien heutzutage kaum noch zu vermitteln.

Auch der Förderverein, der mittlerweile 85 Prozent der Unterhaltskosten für das Kloster trägt, schaut eher auf die Gegenwart, als auf die Zukunft. „Mit Bruder Dirk haben wir jedenfalls ein lebendiges Klosterleben“, sagt Bernd Grasedieck, stellv. Vorsitzender des Fördervereins Klosterkirche Beyenburg, und verweist auf sein Engagement in der Seelsorge und der Gesundheitspflege.

Bruder Dirk tröstet sich derweil mit der Tatsache, daß sein Orden auf der Südhalbkugel der Erde keinerlei Nachwuchsprobleme hat: „Da tobt das pralle Leben.“

„Auch Sünder sind willkommen“, steht auf einem Schild am Eingang des Klosters. Das meint Bruder Dirk wörtlich. Er, der ausgebildete Krankenpfleger, der häufig Kranken und auch Sterbenden Trost spendet, bietet Pilgern und Menschen, die vom Schicksal gebeutelt wurden und Abstand gewinnen wollen, eine Unterkunft auf Zeit.

Er hört geduldig zu, wenn sie sich etwas von der Seele reden wollen. Sein Haus ist immer offen. Nicht selten kommt er nach Hause und ein Hilfesuchender wartet bereits im Wohnzimmer auf ihn.

Frühmorgens und spätabend besucht er gern den kleinen, idyllischen Friedhof, auf dem seine Ordensbrüder die letzte Ruhestätte gefunden haben. „Im Sommer lege ich mich dann oft auf den Rücken, schaue in den Sternenhimmel und bete oder philosophiere“, erzählt Bruder Dirk, der letzte Mönch in Beyenburg, der seine Bestimmung und sein Seelenheil gefunden hat. (dfpp)

 

 

 

 

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