28. März 2021Peter Pionke
Christian v. Grumbkow: Wir wollen uns wieder in den Arm nehmen
Christian von Grumbkow ist ein Magier der Farben, ein Künstler, der sich mit seinem Stil weit über Wuppertal hinaus einen Namen geschaffen hat. Als Maler und als Musiker. Er war Gründer und Gitarrist der Art-Rock-Gruppe „Hoelderlin“ (1970 – 1977). Damals malte er noch Klangbilder, spielte gemeinsam mit Bands wie den „Scorpions“ auf großen Festivals.
Die Hoelderlin-Alben wie „Clowns & Clouds“ oder „Rare Birds“ ließen die Musik-Szene aufhorchen. Seine Gitarre stellte von Grumbkow schon vor Jahren zu Gunsten von Leinwand und Farben in die Ecke.
Der ehemalige Dozent der berühmten Kunsthochschule Folkwang in Essen drückt seine Gefühle nur noch mit dem Pinsel aus und schafft so beeindruckende Farbkompositionen. Und das, ohne eine nebulöse, mystische Aura um sich aufzubauen. „Ich male keine Botschaft, keine Gedanken, ich male Farbe“, lautet Christian von Grumbkows einfaches und schlichtes Erfolgs-Geheimnis.
In einem Interview mit der STADTZEITUNG erklärt Christian von Grumbkow jetzt, wie sich die Corona-Pandemie auf sein Leben ausgewirkt hat.
DS: Wie haben Sie als Bürger und Künstler die seit 12 Monaten andauernde Corona-Pandemie erlebt?
Christian von Grumbkow: „Mit Interesse und Neugier, wie unsere Zivilgesellschaft das wohl meistert! Die Hysterie mancher Zeitgenossen, der stellenweise endlose Frust mit Schwarzmalerei, der Wechsel zwischen Hoffnungs- und Hiobsbotschaften empfand ich als nicht zielführend. Und das ständige, teilweise unverantwortliche, oft hilflose Geplapper von sogenannten Fachleuten haben mich immer wieder mal auf die Palme gebracht. Hahnenkämpfe zwischen Virologen – von Wahltaktik geprägte, heiße Luft produzierende Politiker. Immerzu wurden – auch durch die Medien – Ängste geschürt. Und wo, bitteschön, sollen wir uns zwischen Lauterbach`schen Horrorszenarien und der glatten Leugnung der Existenz dieses Virus positionieren?“
DS: Wie sind Sie persönlich mit der Corona-Krise umgegangen – wie haben Sie sich geschützt?
CvG: „Ich war sehr vorsichtig, habe mich mehrfach testen lassen und nehme alle möglichen Nahrungsergänzungsmittel für die Aufrechterhaltung meines Immunsystems. Ich halte Abstand und sehe natürlich, aber leider, wenig Menschen. Ich hatte bislang noch nicht mal meine jährliche Grippe!“
DS: Und wie sieht es bei Ihnen in Pandemie-Zeiten mit dem Pflegen von sozialen Kontakten aus?
CvG: „Meine Partnerin darf kommen und ich sie immerhin besuchen. Freunde treffen wir in homöopathischen Dosen. Aber was ein großes Problem ist: Im Gespräch mit Βekannten und vor allem bei Zufallsbegegnungen muss ich neuerdings genauer hinhören und hinschauen: Es gibt da die radikalen Leugner, oder die „Querdenker“ – die u.a. berechtigterweise den zunehmenden Verlust unserer freiheitlichen Rechte beklagen, aber leider bei anderen Themen abdriften. Und dann gibt es die, die vorsichtig, aber kritisch sind und sich um Pragmatismus bemühen, weil dieses Virus nun mal eine unberechenbare Größe ist und nicht von alleine verschwindet. Da würde ich mich eher sehen. Das ist gesellschaftlich inzwischen schon ein großes Problem geworden. Und wirklich nicht so einfach zu lösen, weil heutzutage ja jeder „bestens informiert“ ist. Und zu diskutieren gibt’s ja nahezu täglich eine Menge Stoff.“
DS: Die Pandemie hat ja auch Auswirkungen auf Ihren Beruf. Wie gehen Sie als Künstler damit um?
CvG: „Ich habe es eigentlich ja gut! Ich mache mir zwar Sorgen und habe auch Ängste, die haben mich aber nicht völlig im Griff. Ich kann diese Unsicherheit, diesen Frust, diese erzwungene Einsamkeit glücklicherweise in Malerei umwandeln, viel Zeit im Atelier verbringen, viel nachdenken, viel Musik hören und mich mit mir und meiner Maske arrangieren. Ich male ziemlich unterschiedliche Bilder: Mal licht, mal dunkel, mal dramatisch, mal eher harmonisch – so, wie mir gerade ist. Aber: Viele Fragen schwirren da durch meinen Kopf! Nur: Es gibt keine befriedigenden Antworten, es gibt nur viele spannende Versuche, diese Situation für sich zu meistern, ohne depressiv zu werden!“
DS: Viele Ihrer geplanten Ausstellungen – national und international – sind ja Covid-19 zum Opfer gefallen. Wie konnten Sie das kompensieren?
CvG: „Das war unter dem Strich so lala! Acht größere Projekte waren geplant und auch schon vorbereitet und fanden zum Teil, wenn auch arg gestutzt, statt wie die MEHR:WERT-Ausstellung im Von der Heydt-Museum, die ENGELS-Ausstellung im Neuen Kunstverein oder das Ausstellungsprojekt mit zehn Künstlerinnen und Künstlern “DER WALD UND DER STURM in verschiedenen Städten. Aber das Jahr schleppte sich insgesamt sehr holprig dahin mit abgesagten, verschobenen Ausstellungen oder aber mit „Online-Vernissagen“, YouTube-Filmen und sonstigen Erfindungen, die aus der Not geboren wurden und auch irgendwo Sinn zu machen scheinen, aber letztlich – so wie ein Bundesliga-Fußballspiel ohne Zuschauer – unbefriedigend bleiben.“
DS: Online-Ausstellungen schön und gut. Aber ein Künstler lebt doch vom Verkauf seiner Werke. Wie lief es denn finanziell?
CvG: „Schlimmer wurde es Anfang November! Alles, was mit Freizeitvergnügen zu tun hat, fand nicht mehr statt: Also durften weder Workshops noch Kurse gegeben werden. Auch die Ateliers sollten ja geschlossen bleiben. Und da auch lokale Großereignisse wie die WOGA abgesagt wurden, befand ich mich im November Shutdown plötzlich in einer völlig unbekannten Situation. Meine Mietkosten im Schloss Lüntenbeck liefen weiter, aber die nicht unbeträchtlichen Einnahmen durch z.B. die regelmäßig guten Umsätze bei der WOGA sollten nun wegfallen.“
DS: Was haben Sie sich denn als kreativer Kopf in dieser Situation einfalllen lassen?
CvG: „Tja, in meiner Verzweiflung nahm ich Kontakt mit dem zuständigen Dezernenten Matthias Nocke auf, mit der Maßgabe, dass ich nicht auf Kosten der Steuerzahler die Soforthilfe in Anspruch nehmen möchte, aber natürlich irgendwie Einnahmen generieren muss. Es kam sehr schnell und unbürokratisch die Antwort, dass „Galerien“ ja unter Einhaltung der Hygieneregeln öffnen dürfen. Und meine Coaching-Klienten hätten auch weiterhin das Recht, einzeln bei mir zu arbeiten. Kurz und gut. Das war ein Weg, der unter den herrschenden Umständen gangbar war. So gesehen hatte ich das Gefühl, doch ein Stück weit handlungsfähig bleiben zu können und mit dem OK von städtischer Seite verzog sich die Unsicherheit, die über mich gekommen war. Das tat gut! Das möchte ich hier betonen!“
DS Das bedeutet also: Sie haben gemalt, Klienten gecoacht und auch Bilder verkauft! Hat das denn gereicht, um die Miete zu bezahlen?
CvG: „Ja, plötzlich, je ruhiger und unattraktiver das städtische Leben wurde – fühlte ich umso mehr Energie – malte wieder viel mehr und bekam vermehrt Anfragen von Online-Galerien, die mich gerne vertreten würden, und auch das ein oder andere Bild hat meine „Galerie“ verlassen. Die trotz aller frustrierenden Umstände noch stattfindenden Ausstellungen brachten – höchst erfreulich – Umsätze und neue Kunden. Irgendwie hatten die Menschen mehr Zeit oder sogar Sehnsucht nach Kunstgenuss.“
DS: Wie man hört, soll ja auch der neue Wuppertaler Oberbürgermeister Prof. Dr. Uwe Schneidewind ‚Sehnsucht‘ nach Ihrer Kunst bekommen haben?
CvG: „Ich bekam die Gelegenheit, die Räume unseres frisch gebackenen Oberbürgermeisters mit 9 Werken zu bestücken. Uwe Schneidewind hatte ja, noch als Chef des Wuppertal Instituts, den Begriff ZUKUNFTS-KUNST geprägt und mit Eckehard Lowisch und mir erste Protagonisten der Spezies “Zukunfts Künstler” definiert. Und so richtig stolz war ich, als mich im Herbst Jason Gell, von Gell Fine Art in Barcelona, unter Vertrag nahm. In dieser hochkarätigen, internationaler Künstlerauswahl fühle ich mich sehr wohl. Dann kam die Anfrage von einem sehr namhaften Weingut in Italien. Die hätten gerne zehn meiner Bildmotive auf ihren teuren Barolo-Weinen gezeigt. Letztlich habe ich das OK gegeben, als klar war, dass die Weinetiketten nicht beschriftet werden, sondern als Bild wirken können und eine prozentuale Umsatzbeteiligung garantiert war.“
DS: Sie haben über einen Million Klicks bei Singulart. Wie funktioniert das Prinzip Online-Galerie überhaupt?
CvG.: „Über Online-Galerien lässt sich vortrefflich streiten, aber ich habe sehr gute Erfahrungen mit SINGULART, Paris gemacht. Ich konnte erleben, wie mit der fortschreitenden Pandemie schlagartig die Seitenbesuche hochschossen. Mit weit über einer Millionen Klicks auf meiner Singulart-Seite kann ich ja nicht mehr behaupten, dass sich niemand für meine Malerei interessiert. Inzwischen wurden Arbeiten nach Hongkong, China, USA, England und Süddeutschland, usw. verkauft. Das geschieht so, dass Kunden online ein Bild in Paris bestellen, dieses (nachdem es ein Broker bei mir verpackt/abgeholt hat) für 14 Tage kostenlos zur Ansicht zugesandt bekommen. Dann können die Kunden in Ruhe entscheiden und – bei Nichtgefallen – das Bild auf Kosten von Singulart wieder abholen lassen. Das funktioniert dermaßen gut, dass seit 2019 aus den drei anfangs bei Singulart arbeitenden Menschen inzwischen über 80 Mitarbeiter geworden sind. Und, oh Wunder, selbst über facebook haben sich erste Verkäufe verwirklichen lassen.“
DS: Wie sieht denn Ihr Resumee nach einem Jahr Corona-Pandemie aus?
CvG: „Aus meiner Sicht hat die Covid-19-Pandemie Vertiefung und nachhaltigere Aspekte für meine Malerei und die Marktpräsenz meiner Bilder gebracht. Für viele Menschen bedeutet dieses Virus und die Folgen allerdings großes Leid, Ängste, Verwirrung, Verlust von Angehörigen, Verlust von Nähe, Verlust von persönlicher Freiheit.“
DS: Was hat die Corona-Pnadamie aus Ihrer Sicht nachhaltig bewirkt und welche Schlüsse sollten daraus gezogen werden?
CvG.: „Unser aller Empfinden, Denken und Handeln hat sich bereits nachhaltig verändert. Ich kann nur hoffen, dass wir als Zivilgesellschaft nicht eine noch tiefere Spaltung erleben und auch nicht resignativ in die Depression wandern. Dazu gehört allerdings ein wirklich souveräner Umgang mit den Erkenntnissen und den Lösungsmöglichkeiten so einer Pandemie. Und viele der verantwortlichen Politiker sollten bei ihren Beschlüssen z.B. weniger kleinkariert, weniger populistisch auf Wahlergebnisse schielen, oder gar egoistisch an das eigene Konto denken, sondern ihrem Auftrag entsprechen und bestmögliche, unbürokratische Lösungen für uns Bürger finden und sich dabei auch durchaus von Psychologen, Philosophen, Sozialpädagogen beraten lassen. Die Virologen brauchen wir nicht als konkurrierende Medienstars, die uns zu Zeugen ihrer Profilierung Kämpfe machen. Und die Redaktions-Chefs der großen Zeitungen und Sender könnten mal endlich anfangen, nicht nur über Negativschlagzeilen Auflagen steigern zu wollen. Ich wünsche uns allen, dass wir möglichst vernünftig bleiben, damit dieser lähmende Zustand so bald wie möglich ein Ende hat und wir uns wieder angstfrei begegnen und in den Arm nehmen können.“
DS: Vielen Dank für das offene, informative und interessante Gespräch
Das Interview führte Peter Pionke
https://www.singulart.com/de/künstler/christian-v-grumbkow-971
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