2. Juni 2021Peter Pionke
„Bergische Transfergeschichten“: Erfolgreich vernetzt
Prof. Dr.-Ing. Bela Gipp ist Lehrstuhlinhaber für Data & Knowledge Engineering in der Fakultät für Elektrotechnik, Informationstechnik und Medientechnik der Bergischen Universität. Was genau dahintersteckt und in welchen Bereichen sich die Anwendung noch einsetzen lässt, das verrät der Wissenschaftler in den Bergischen Transfergeschichten.
Die Begeisterung und Begabung auf dem Gebiet der Informationstechnik war dem gebürtigen Berliner eigentlich so gar nicht in die Wiege gelegt worden. „Vielleicht liegt es daran, dass ich Waldorfschüler war“, lacht er, „und als Waldorfschüler hat man ja eigentlich keinen Zugang zur Technik, d. h., wenn man die Technik nicht so direkt bekommt, dann ist es manchmal einfacher, sie teilweise selber zu entwickeln.“
Ein gutes Beispiel dafür sei sein damaliges Interesse an Modellhubschraubern gewesen. „Den habe ich zwar nicht bekommen, aber meine Eltern haben gesagt, wenn du dir selber einen bauen möchtest, sind wir bereit, dich zu unterstützen.“ Gipp legte sofort los, erhält die nötigen Komponenten in Form von Motor und Co. und bastelt, gemeinsam mit einem Freund, sein eigenes Flugobjekt aus Holz.
Durch dieses Hobby, hat der Wissenschaftler dann auch seinen Beruf gefunden und sagt: „Ich glaube, es ist immer die beste Möglichkeit, wenn man sein Hobby zum Beruf macht.“ Drei Mal gewinnt er im Landeswettbewerb Jugend forscht, u. a. mit der Entwicklung eines Wärmebildhubschraubers zur Bergung von Lawinenopfern.
Da war er gerade einmal 17 Jahre alt. Eine Firma stellte ihm dazu ein Gerät im Wert von 50.000 Mark zur Verfügung. „Ich war schon sehr nervös, als ich das Paket bei der Post abgeholt habe“, sagt er rückblickend.
Aufenthalt im Silicon Valley & Tokio
Gipp studiert an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg und bekommt 2009 ein vierjähriges Forschungsstipendium an der University of California in Berkeley. Die Nähe zum Silicon Valley beschreibt er als eine „unglaublich spannende Zeit“, die er nicht missen wolle. „Es war eine tolle Möglichkeit, mit den bekanntesten Firmen und auch den bekanntesten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Welt, inklusive Nobelpreisträgern zusammen zu kommen“, erzählt er.
Denn die UC Berkeley sei im Bereich der Informatik eine der bekanntesten Universitäten weltweit. „Wir hatten da ein gemeinsames Forschungsprojekt mit Google und haben gesehen, dass die Dinge, die wir erforschen, auch direkt von Google umgesetzt wurden. Es war toll zu sehen, dass man da an etwas mitarbeitet, was von Millionen Menschen genutzt wird.“
Generell sei die Kontaktaufnahme auch zu großen Playern viel einfacher und unbürokratischer als in Deutschland, und das vereinfache Vieles. Gipp lernt junge Start-up-Gründer kennen, die heute Milliardenunternehmen führen. „Wir haben uns nach der Arbeit mit anderen Gründer, die heute sehr erfolgreich sind, auf ein Bier getroffen. Da hat man sich gegenseitig Tipps gegeben und geholfen“, erzählt er.
Auch die universitären Freizeitangebote nimmt Gipp dort gerne wahr, denn da finden die erfolgreichen Vernetzungen statt, und das, stellt er klar, gebe es nur dort. „Wir können heute diese Kontakte, die wir damals aufgebaut haben, auch für die Studierenden nutzen, denn diese Kontakte sind noch da.“ So konnten schon mehrere seiner Studierenden bei der Wikipedia in San Francisco ihre Abschlussarbeit zu Ende schreiben.
Kontaktaufnahme zu großen Player in den USA einfacher
„Und jetzt sind auch Funktionen, wie das Visualisieren von Formeln, in der Wikipedia von unseren Studierenden mitentwickelt worden. Das wird jetzt weltweit von der Wikipedia genutzt“, sagt er stolz. „Gute Ideen in erfolgreiche Unternehmen zu überführen, macht mir immer noch große Freude. Deshalb unterstütze ich regelmäßig Studierende und Doktoranden bei der Gründung von Startups.“
Nach seiner Zeit im Silicon Valley zog es Gipp nach Tokio, um an Japans bedeutendstem Forschungsinstitut für Informatik zu forschen. Auch die dort geschlossenen Kontakte kommen seinen Studierenden regelmäßig für Forschungspraktika und Abschlussarbeiten zugute. „Mittlerweile haben ca. 20 Studierende Forschungsaufenthalte in Tokio absolviert“, resümiert Gipp.
Seit 2018 ist Gipp Inhaber des Lehrstuhls Data & Knowledge Engineering in Wuppertal. „Wir beschäftigen uns in erster Linie mit dem Thema Data Science. Das ist ja heute dieser Modebegriff für Dinge wie Künstliche Intelligenz oder auch die Verarbeitung, Analyse und Visualisierung von großen Datenmengen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Entwicklung von Verfahren für die Künstliche Intelligenz. Dann arbeite ich auch im Bereich Information Retrieval.“
Information Retrieval kennen viele auch aus den Anwendungen bei Google, denn es gehe darum, Informationen über eine Suchmaschine aus der übergroßen Datenmenge herauszufiltern. Und als ob das nicht schon genug wäre, beschäftigt sich sein Lehrstuhl auch noch mit der sogenannten Blockchaintechnologie, einer zukunftsweisenden Technologie, die bereits sehr erfolgreich in der Kryptowährung genutzt wird.
Blockchain basierter Zeitstempel
Das Thema Blockchain kurz zusammenzufassen, ist selbst für den versierten Wissenschaftler nicht leicht, zumal er darüber in der Regel ca. 90 Minuten referiert. Er versucht es dennoch: „Eine Blockchain erlaubt es, Daten weltweit verteilt zu speichern mittels einer Datenstruktur, die man nicht manipulieren kann.“
Und diese Unveränderbarkeit sei der besondere Clou dabei. „Bei einer normalen Datenbank kann man Daten verändern“, sagt Gipp. „Eine Blockchain hat den entscheidenden Unterschied, dass sie nicht nur an einem Ort ist, sondern eine weltweit verteilte Datenstruktur ist. Jeder, der möchte, kann sich an so einer Blockchain beteiligen, wie das z. B. bei der Kryptowährung Bitcoin der Fall ist. Das ermöglicht nun ein dezentrales System, das dafür sorgt, dass die Daten nicht manipuliert werden können.“
Auf dieser Basis entwickelte der Wissenschaftler auch die App OriginStamp. Dieser webbasierte Dienst nutzt die Bitcoin-Blockchain. Nutzer können damit anonym einen manipulationssicheren Zeitstempel für beliebige digitale Inhalte erstellen. Und da kommen wir wieder zum anfänglichen Beispiel des Ferienhauses: Der fotografische Eintrag mit Zeitstempel ist dann sofort abruf- und überprüfbar. Besonders angenehm für Verbraucher ist die kostenfreie Nutzung dieser Technik.
„Man kann gerichtstauglich beweisen, dass die Daten zu einem bestimmten Zeitpunkt schon vorhanden sind“, und das sei vor allem für große, verantwortungsvolle Unternehmen ein Vorteil, erklärt Gipp. So nutzten u. a. auch Pharmaunternehmen diese Software bei der Medikamentenherstellung, wenn sie beweisen wollen, dass in ihrer Produktion alles korrekt ablaufe.
Auch internationale Medien, wie der britische Nachrichten- und Medienanbieter Guardian, setzen auf den Zeitstempel, sagt Gipp. „Sie timestampen Aufnahmen aus Krisengebieten, um beweisen zu können, dass dieses Foto tatsächlich so aufgenommen und nicht nachträglich manipuliert wurde.“
OriginStamp im Lehrbetrieb
Der Nutzen für Studierende in Coronazeiten liege in der Möglichkeit, durch diese Technik beweisen zu können, dass z. B. die Abschlussarbeit zu einem bestimmten Zeitpunkt bereits fertiggestellt war, auch wenn man nicht in der Lage war, sie im Sekretariat abzugeben. „In der Wissenschaft wird diese Technologie schon viel benutzt“, sagt Gipp,
„Man timestamped ein wissenschaftliches Paper damit man, wenn man das irgendwo einreicht, auch beweisen kann, dass man die oder der Erste mit der entsprechenden Idee war, die in dem Paper beschrieben ist. Man kann auf diese Art und Weise auch Forschungsideen absichern. Bei wissenschaftlichen Studien kann das interessant sein, damit nicht nachträglich Studien manipuliert werden können.“
Uwe Blass
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