7. Juni 2021

Überfall-Opfer Ali Polat in behindertengerechte Wohnung gezogen

Zwei Jugendliche haben sein und das Leben seiner Frau zerstört. Sie schlugen Ali Polat (damals 70) im Flur eines Hauses auf der Heckinghauser Strasse brutal zusammen. Der türkischstämmige Rentner erlitt eine Gehirnblutung, lag wochenlang im Koma und ist seither ein Pflegefall. Die Wohnung des Ehepaares im 2. Stock eines Wohnhauses in Heckinghausen ohne Fahrstuhl wurde fast zum Gefängnis für Ali Polat.

Ali Polat zieht um: Links Ehefrau Vida. Mit dabei: MdB Helge Lindh (2.v.r.) – © Rosemarie Gundelbacher

Seine Wohnung konnte leitgeplagte Mann, der seit der Attacke im Hausflur im Rollstuhl sitzt, nur noch unter größten Schwierigkeiten und mit fremde Hilfe verlassen. Vida Polat bemühte sich mit Unterstützung der Ex-Stadtverordneten Rosemarie Gundelbacher (CDU) und des Bundestagsabgeordneten Helge Lindh (SPD) um eine neue behindertengerechte Wohnung. Und sie wurde in Barmen am Rott fündig: 120 Quadratmeter, ebenerdig, behindertengerecht.

Am heutigen Montag (31.05.) ist das Ehepaar mit Hilfe des Krankentransport-Unternehmens Allan umgezogen. Rosemarie Gundelbacher und Helge Lindh waren beim Umzug mit dabei.

Jetzt endlich ist der Weg nach draussen für Ali Polat und seine Vida, die ihren Ehemann liebevoll pflegt, viel kürzer geworden. Das bedeutet für sie: Mehr Mobilität, mehr Lebensqualität.

Ali Polats Schicksal löste Welle der Hilfsbereitschaft  für Senioren in der Türkei aus

Alles fing mit Ali Polat tragischer Geschichte an. Eines Tages meldete sich Mehmet Macoglu, Ex-Bürgermeister von Ovacik, dem kleinen Heimatdorf von Ali Polat, telefonisch bei dessen Sohn Ecevit und seinem Bruder Abidin Polat. Er wollte dem Opfer des Überfalls Genesungswünsche seiner Gemeinde übermitteln.

Der bemitleidenswerte Ali Polat (72) ist seit dem Überfall ein Pflegefall – © Ecevit Polat

Doch damit nicht genug. Die Männer kamen ins Gespräch und Macoglu klagte sein Leid, dass es in den Seniorenheimen seiner Stadt einen großen Mangel Betten, Rollstühlen, Rollatoren etc. gäbe. 

Was man wissen muß: Mehmet Macoglu, inzwischen Bürgermeister der Provinz-Hauptstadt Tunceli (37.000 Einwohner), zu der auch das Dorf Ovacik gehört, ist das einzige kommunistische Stadtoberhaupt in der ganzen Türkei. 

Der türkische Robin Hood verteilt in der kargen Region weit weg von Ankara und Istanbul kostenlos Saatgut an die arme Bevölkerung. Busfahren und die Trinkwasserversorgung sind hier kostenlos. 

Recep Tayyip Edogan, Präsident der Türkei und Vorsitzender der rechtspopulistischen Partei AKP, ein Mann, der Luxus liebt, und eigentlich keinen Widerspruch und keine Opposition duldet, ist Lichtjahre davon entfernt, einen Mehmet Macoglu-Fan-Club zu gründen. Doch die Beliebtheit in der Bevölkerung schützt den kommunistischen Bürgermeister (noch). 

Mehmet Macoglu hatte sich bei der letzten Kommunalwahl in Tunceli sogar klar gegen den etablierten AKP-Kandidaten durchgesetzt.

Ali Polat in der neuen Wohnung: Links: Ehefrau Vida – rechts: Bundestagsabgeordneter Helge Lindh – © Rosemarie Gundelbacher

Jedenfalls hinterliess Mehmet Macoglus Hilferuf im Namen der alten Bürgerinnen und Bürger in Tunceli einen nachhaltigen Eindruck bei Ecevit Polat und dessen Onkel Abidin.

Ecevit rief den Bundestagsabgeordneten Helge Lindh (SPD) und die Ex-Stadtverordnete Rosemarie Gundelbacher (CDU) an, die sich zuvor sehr intensiv für die Belange von Überfall-Opfer Ali Polat eingesetzt hatte.

In kürzester Zeit stand eine „Große Koalition“ der Hilfe. Für die in der Türkei gegründete Hilfsorganisation “Uğur Böcekleri“ (deutsch: „Marienkäfer“) und starteten Rosemarie Gundelbacher und Helge Lindh eine Sammel-Aktion. Mit großem Erfolg. Altenheime und Krankenhäuser stellte spontan ihre ausrangierten, aber gut erhaltenen Möbel zur Verfügung: 60 Betten, Nachtschränkchen, Rollstühle, Rollatoren und sogar einen Badewannenlift.

Die Wuppertaler Spedition „Umzüge Bernd Zierden“ aus Wichlinghausen sammelte die gespendeten Stücke in zwei Containern kostenlos ein.

Ein Teil der gespendeten Betten, Rollstühle etc., die in von der Spedition Zierden zur Verfügung gestellten Container gesammelt wurden – © Spedition Zierden

Rosemarie Gundelbacher: „Helge Lindh und ich waren angenehm überrascht, auf welch große Hilfsbereitschaft wir mit unserer Aktion gestoßen sind. Helge Lindh hat inzwischen die Schirmherrschaft für die Hilfsarktion übernommen und demnächst auch nach Tunceli reisen.“ 

Unterstützung brauchten Rosemarie Gundelbacher und Helge Lindh aber noch einmal. Zuletzt fehlten noch 3.500 € – die Kosten für den 3.675 Kilometer langen Transport (Lastwagen, Sprit, Fahrer) nach Tunceli. 

Aber auch hier wurde das Duo im Eiltempo fündig. Susanne Freund, Leiterin der Seniorenresidenz Laurentiusplatz, erklärte spontan: „Wir übernehmen die Kosten für den Transport komplett. Wir  tragen nicht nur Verantwortung für unsere Senioren, denen es gut geht, wir sehen es auch als unsere Aufgabe an, den alten Menschen zu helfen, die nicht auf der Sonnenseite leben, wie die in Tunceli. Wir werden den Verein ‚Marienkäfer‘ auch in Zukunft unterstützen.“

Jetzt kann er bald losgehen, der Hilfstranport in die Türkei.

Setzt sich seit vielen Jahren für die Belange von alten Menschen und besonders auch für Ali Polat ein: Ex-Stadtverordnete Rosemarie Gundelbacher – © Paul Coon

Der tragische Fall des Ali Polat 

Die Tat sorgte im Mai 2019 für Entsetzen! Zwei Jugendliche überfielen im Flur eines Wohnhauses auf Heckinghauser Strasse den damals 70 Jahre alten Ali Polat. Ohne Vorwarnung schlugen sie auf den Rentner ein, stießen ihn brutal mit dem Kopf gegen die Wand und prügelten sogar noch auf den wehrlosen Mann ein, als er schon am Boden lag. Mädchen, die die beide Jugendlichen begeleiteten, schritten nicht ein, sondern feuerten Calvin-Jeremias S. (14) und Hendrik-Christo V. (15) sogar noch an.

Ali Polat erlitt eine schwere Hirnblutung und lag wochenlang im Koma. Er erholte sich von brutalen Attacken nie wieder und ist heute ein Pflegefall. Ein Wuppertaler Gericht verurteilte die jugendlichen Täter zu zwei Jahren und vier Monaten Gefängnis wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung. Für viele Prozeßbeobachter – auch für Ecevit Polat, Sohn des Opfers – ein viel zu mildes Urteil. 

Die Verteidigung hatte sogar gefordert, die beiden Mitglieder der berüchtigten Gucci-Jugendbande nur zu einer Haftstrafe von eineinhalb Jahren auf Bewährung zu verurteilen, wie Carsten Rebber, Anwalt von Ali Polat später berichtete.

Es dauerte Monate, bis Ali Polat überhaupt Schadenersatz zugesprochen wurde. Die Gegenseite zweifelte an, dass Hirnblutung und Koma überhaupt von den brutalen Schlägen herrührten. 

Am Ende bekam Ali Polat Recht. Das hat er auch dem unermüdlichen Einsatz von Rosemarie Gundelbacher, zu der Zeit CDU-Stadtverordnete und Mitglied des Seniorenbeirat mit zu verdanken. Sie kämpfte zwei Jahre an seiner Seite für die Gerechtigkeit. 

Mit der Schadenersatzzahlung kann Ali Polat aber leider nicht die für immer verlorene Lebensqualität zurückkaufen. 

Text Peter Pionke

Kommentare

Neuen Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert