29. Juni 2021

Jubiläumsfeier: Wuppertal Institut richtet Blick nach vorn

Das Wuppertal Institut hat sein 30-jähriges Bestehen als hybrides Event mit der wissenschaftlichen Konferenz „Zukunftswissen: innovativ, transformativ und krisensicher die Zukunft gestalten“ gefeiert. Höhepunkte der Feierlichkeiten waren unter anderem die Grußworte von Prof. Jim Skea und Prof. Dr. Andreas Pinkwart sowie die Keynotes von Prof. Dr. Christa Reicher und Prof. Dr. Dirk Messner.

Auf dem Podium diskutierten (v. l.): Prof. Dr. Christa Reicher, Professorin am Lehrstuhl und Institut Städtebau und Entwerfen der RWTH Aachen, Prof. Dr. Lambert T. Koch, Rektor der Bergischen Universität, Prof. Dr. Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamts, Dr. Tanja Busse, Journalistin und Moderatorin der digitalen Veranstaltung, Christoph Dammermann, Staatssekretär des NRW-Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie, und Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts – © Wuppertal Institut/L. Schenk

Die Jubiläumsfeier bot den mehr als 500 digital zugeschalteten Gästen einen Einblick in die vergangenen 30 Jahre und richtete vor allem den Blick nach vorn für die anstehenden Herausforderungen der nächsten Jahre. Neben den filmischen Beiträgen der Wuppertaler Bühnen, die das knapp sechsstündige Event kurzweilig gestalteten, freute sich das Wuppertal Institut zudem über die zahlreichen Glückwünsche von vielen Förderern, Partnerinnen und Partnern und langjährigen Weggefährten.

Die wissenschaftliche Konferenz anlässlich des 30. Geburtstags des Wuppertal Instituts stand unter dem Motto „Zukunftswissen: innovativ, transformativ und krisensicher die Zukunft gestalten“. Folgende Fragen wurden dabei aufgegriffen: Wie kann die Transformation zu einer sozial und ökologisch gerechten Welt gelingen? In welchen Bereichen braucht es Transformative Innovationen und wie lassen sich diese umsetzen? Welchen Beitrag kann die Wissenschaft zur Krisenprävention leisten? Was können wir aus der Covid-19-Pandemie lernen und wie können wir uns zukünftig krisenfester aufstellen?

Prof. Jim Skea, Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe III des Weltklimarates (IPCC), lobte im Rahmen seines Grußwortes zu Beginn der Konferenz den globalen Charakter des Wuppertal Instituts – ob als Autorinnen und Autoren in den Berichten des Weltklimarates oder als gefragte Expertinnen und Experten in internationalen Netzwerken.

NRW-Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart voll des Lobes

Er betonte, dass es im Kampf gegen den Klimawandel für die Wissenschaft nicht nur um Studien gehe, sondern darum, mit den Menschen zusammen an den echten Problemen zu arbeiten, wofür das Wuppertal Institut die Agenda auf globaler, nationaler, regionaler und lokaler Ebene exzellent vorantreibe. Gerade aus dem Transformationslabor Nordrhein-Westfalen heraus könnten hier sehr wichtige Beiträge geleistet werden.

Anschließend bedankte sich Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, für die herausragende Arbeit des Wuppertal Instituts in Forschung und Beratung im Bereich von Klimaschutz und Energiewende in den vergangenen drei Jahrzehnten.

Das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) ist Gesellschafter des Wuppertal Instituts, das im Verantwortungsbereich des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes NRW angesiedelt ist. Daneben dankte Pinkwart dem Wuppertal Institut und Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick, dem wissenschaftlichen Geschäftsführer des Wuppertal Instituts, persönlich dafür, vor drei Jahren die Initiative IN4climate.NRW mit ins Leben gerufen zu haben.

In dieser Initiative arbeiten Wissenschaft, Wirtschaft und Politik gemeinsam an der Frage, wie sich die energieintensive Industrie klimaneutral aufstellen lässt und zugleich weiter wettbewerbsfähig agieren kann. Hierfür gelte es, sich über die Möglichkeiten von Transformationspfaden auszutauschen, gemeinsame Strategien zu entwickeln und schließlich umzusetzen. Die Wasserstoff-Roadmap für NRW sei ein Beispiel dafür. 

Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick, wissenschaftlicher Geschäftsführer (l.), und Michael Dedek, kaufmännischer Geschäftsführer des Wuppertal Instituts, begrüßten die mehr als 500 digital zugeschalteten Gäste zu Beginn des Jubiläumsevents – ©  Wuppertal Institut/L. Schenk

Prof. Dr. Uwe Schneidewind, Oberbürgermeister der Stadt Wuppertal und ehemaliger Präsident des Wuppertal Instituts, ist begeistert von den neuen Arbeiten des Wuppertal Instituts, die in den vergangenen Monaten entstanden sind: wie etwa der Zugang über Transformative Innovationen – also dem Blick auf Schlüsselinnovationen, die uns wirklich in eine andere Dimension in der Gestaltung der notwendigen Wenden bringen, klug miteinander verknüpft werden und nicht nur technologische, sondern auch soziale Innovationen umfassen müssen. Dies sei ein Ansatz, der in diese Zeit passe und Brücken zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Perspektiven baue.

Keynotes werfen Blick zurück und nach vorn

Prof. Dipl.-Ing. Christa Reicher, Universitätsprofessorin am Lehrstuhl und Institut Städtebau und Entwerfen der RWTH Aachen, beleuchtete in ihrer Keynote, was sich aus dem gelebten Strukturwandel in NRW und speziell dem Ruhrgebiet für die Zukunft lernen lässt. Gerade in Städten sei die Entwicklung der letzten Jahrzehnte geprägt durch einen stetigen Wandel. Dabei komme es auf eine intelligente Gestaltung des Raums an, dieser müsse aber nicht nur für sondern gemeinsam mit Menschen gestaltet werden.

Das Wuppertal Institut trage mit seinem Diskurs in Wissenschaft, Praxis, Gesellschaft entscheidend dazu bei.
Prof. Dr. Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamts, sprach in seiner Keynote über die Herausforderungen der nächsten Jahre, über die großen Aufgaben für die erste Hälfte des Jahrhunderts und über die mangelnde Integration der Klima- und Ressourcenpolitik. Er richtete dabei vor allem den Blick auf die sich entwickelnden Regionen der Welt, die bei den anstehenden Transformationsprozessen mitgenommen werden müssen.

Anschließend griff Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick in seiner Keynote zentrale Highlights aus der Institutsgeschichte auf und ging auf die zentralen Bausteine der zukünftigen Arbeit ein. „Die Arbeiten des Wuppertal Instituts haben sich in den letzten drei Jahrzehnten sehr stark verändert. In den 1990er Jahren stand das wissenschaftsbasierte Agenda Setting im Vordergrund, da Themen wie Klima- oder Ressourcenschutz in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft noch nicht verankert gewesen sind. In den 2000er Jahren kam die Erstellung von Konzepten und Bewertungsmethoden hinzu und im letzten Jahrzehnt die Transformationsforschung. Heute arbeitet das Institut mit seinen Auftraggebern zusammen an der konkreten Umsetzung von Transformationsprozessen und stellt dafür Ziel-, System- und Transformationswissen als wichtigen Orientierungsrahmen bereit.“

Podiumsdiskussion zu anstehenden Transformationsherausforderungen

Auf dem Podium diskutierten zum Abschluss des Vormittagsprogramms  Prof. Dr. Christa Reicher, Prof. Dr. Dr. h. c. Lambert T. Koch, Rektor der Bergischen Universität Wuppertal, Prof. Dr. Dirk Messner, Dr. Tanja Busse, Journalistin und Moderatorin der digitalen Veranstaltung, Christoph Dammermann, Staatssekretär des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, und Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick über die anstehenden Transformationsherausforderungen, etwa den Strukturwandel im Rheinischen Revier und die Rolle neuer Technologien und Strategien sowie besonders über den Einsatz von Wasserstoff im Rahmen der Energiewende.

Dirk Messner machte etwa deutlich: „Jetzt müssen in der Stahlindustrie die Investitionsentscheidungen in Richtung Wasserstoff gefällt werden. Während diese Milliarden-Entscheidungen vorbereitet werden, brauchen wir Anreizstrukturen, Rahmenbedingungen sowie internationale Kooperationen.“

Es gehe nun darum zu zeigen, sagte Christoph Dammermann, dass Klimaschutz in einer industriereichen Region umgesetzt werden kann und dies nicht zu Lasten ökonomischer Faktoren geht, sondern sich positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit auswirke. Zudem müsse es darum gehen, die Wertschöpfung für die zentralen Technologien im Land zu halten. Denn wenn in Deutschland Windräder mit chinesischem Stahl hergestellt würden, hätten wir nichts gewonnen. 

Chancen für Durchbruch für den Klimaschutz stehen gut

Manfred Fischedick ergänzte: „Die Chancen für einen Durchbruch für den Klimaschutz sind heute sehr gut, wir sollten sie nutzen. Noch vor fünf Jahren waren wir in einer ganz anderen Situation: Der Druck für die Industrie war nicht so hoch und der Wille radikale Veränderungen zu durchdenken vielleicht noch nicht stark genug. Inzwischen haben Unternehmen Investitionsfahrpläne in der Schublade und möchten lieber sofort statt erst morgen in klimaneutrale Prozesse investieren – mit entsprechender Planungssicherheit ließe sich das umsetzen.“ 

Auch Prof. Lambert Koch betonte die Bedeutung, Ökonomie und Ökologie unter einen Hut zu bringen: Man müsse die Herausforderungen annehmen und nach Lösungen suchen, dürfe das System aber nicht überdrehen. Die Wissenschaft könne dabei helfen, den richtigen gemeinsamen Kurs zu bestimmen, in dem sie auf die drei ihre eigenen Ziele „verstehen, vermitteln und gestalten“ abhebe.

„Nur normative Ziele setzen, reicht nicht, wir müssen Menschen mitnehmen. Aber die Transformation ist nicht beliebig, denn die Grenzen des Erdsystems, der Atmosphäre, der Ökosysteme sind nicht beliebig dehnbar. Also müssen wir die Grenzen akzeptieren, die die Physik uns vorgibt – die Transformation muss innerhalb dieser Grenzen und mit der entsprechenden Geschwindigkeit stattfinden“, ergänzte Dirk Messner.

Film zum Nachhaltigkeitsmanagement am Wuppertal Institut

Wie nachhaltig ist das Wuppertal Institut selbst? In einem filmischen Beitrag stellte das Institut während der virtuellen Geburtstagsfeier seinen Nachhaltigkeitsbericht vor und gab einen kleinen Einblick in die Themen, mit denen es sich innerhalb seines eigenen Nachhaltigkeitsmanagements beschäftigt. Während der Mittagspause hatten alle Gäste Gelegenheit sich an einer Umfrage zum Nachhaltigkeitsmanagement zu beteiligen. Die Umfrage ist noch online und kann von allen Interessierten ausgefüllt werden.

Ergebnisse aus den Transformations-Workshops

Um die transformativen Innovationen in den Bereichen Energie und Industrie, Stadt und Mobilität, nachhaltige Konsummuster und Kreislaufwirtschaft zu veranschaulichen, fanden nachmittags parallel verschiedene Workshops in interaktiven Formaten statt. 

Im Workshop „Klimaneutral 2035 – Umbau der Städte“ war Dr. Birgit  Schneider-Bönninger, Dezernentin für Sport und Kultur der Stadt Bonn, zu Gast. Thorsten Koska, Co-Leiter des Forschungsbereichs Mobilität und Verkehrspolitik, und Anja Bierwirth, Leiterin des Forschungsbereichs Stadtwandel am Wuppertal Institut, sprachen über die vielfältigen Herausforderungen, die mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2035 für die Städte verbunden sind. Dazu gehören etwa in der Mobilität und im Gebäudebereich, welche Rahmenbedingungen auf übergeordneter politischer Ebene den Wandel vor Ort unterstützen können. 

Workshop-Zusammenfassung auf dem Podium mit Abteilungs- und Forschungsbereichsleitenden des Wuppertal Instituts (von links): Prof. Dr. Stefan Lechtenböhmer, Prof. Dr. Christa Liedtke, Moderatorin Dr. Tanja Busse, Dr. Henning Wilts und Anja Bierwirth – © Wuppertal Institut/L. Schenk

Der zweite Workshop „Zukunftswissen für die Kreislaufwirtschaft“ beschäftigte sich mit der Frage: Wie kommen wir von der Theorie zur Praxis? Dr. Bärbel Birnstengel von Prognos und Pia Schnück, die bei der REWE das Thema Kreislaufwirtschaft verantwortet, berichteten aus ihrer Praxis, wie das Thema immer mehr an Relevanz gewinnt. Die Diskussion mit den Teilnehmenden zeigte deutlich, wie wichtig integrierte Sichtweisen sind: Es gelte daher auch in Zukunft die großen Themen und ihr Zusammenspiel im Blick zu behalten. Die Kreislaufwirtschaft werde nur funktionieren, wenn die ökonomischen Anreize stimmen, die Preise mithin die ökologische Wahrheit sagen.

Die Corona-Pandemie markiert eine Zeitenwende – gesellschaftlich, politisch, wirtschaftlich, wissenschaftlich und vor allem individuell. Der Workshop „Nachhaltig und gesund Leben in Zeiten der Pandemie (und danach)“ zeigte anhand der Bereiche Handel und Gesundheit, dass die Pandemie individuelle und institutionelle Veränderungs- und Innovationskompetenzen gezeigt und fortentwickelt hat, die die notwendigen gesellschaftlichen Transformationsprozesse für Nachhaltigkeit und Resilienz ermöglichen können.

Politik und Wissenschaft sollten die vorhandenen Kompetenzen wahrnehmen und mit den Menschen für Nachhaltigkeit in Wert setzen.

Der Workshop „Klimaneutrale Industrie als gesellschaftliche Herausforderung“, den Katja Witte, stellvertretende Leiterin der Abteilung Zukünftige Energie- und Industriesysteme, und Dr. Anna Leipprand, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsbereich Strukturwandel und Innovationen am Wuppertal Institut, moderierten, zeigte, dass der Weg hin zu einer klimaneutralen Industrie technisch möglich ist und es eine große Bereitschaft in Industrie, Politik und Verbänden gibt, diesen Weg gemeinsam zu gehen. Die Referierenden waren sich einig, dass es nun darauf ankomme, die politischen Rahmenbedingungen dafür zu gestalten aber auch das gesellschaftliche Vertrauen für den industriellen Wandel zu gewinnen und diesen Prozess gemeinsam mit den Menschen zu gestalten. 

Konferenzabschluss richtet Blick in die Zukunft

„Das Wuppertal Institut wird sich auch in den nächsten Jahren mit voller Kraft dafür einsetzen, Lösungsbeiträge für die großen Herausforderungen zu entwickeln und mithelfen diese umzusetzen und voranzutreiben. Gerade jetzt kommt es auf den Gestaltungswillen an und den Mut zum Handeln. Denn dieses Jahrzehnt ist der entscheidende Zeitraum, der darüber bestimmen wird, ob die gesetzten Ziele überhaupt erreicht werden können. Dafür müssen zweifelsohne noch viele dicke Bretter gebohrt werden und alle müssen mit anpacken. Aus der Umsetzung inkrementeller Innovation muss die Phase der Umsetzung transformativer, wirkmächtiger Innovationen werden. Aber solange Politik, Wirtschaft und Gesellschaft das gemeinsam angehen, ist das zu schaffen“, ist Manfred Fischedick zum Abschluss der Jubiläumskonferenz zuversichtlich.

Er bedankte sich für die positive Resonanz, die zahlreichen virtuellen Gäste und eingegangenen Glückwünsche aller Partnerinnen und Partner und Weggefährten sowie für die Beiträge der Wuppertaler Bühnen, die das Jubiläumsevent kurzweilig gestalteten. Daneben bedankte er sich herzlich bei der Stadtsparkasse Wuppertal, der Stiftung Mercator und der Vereinigung der Freunde des Wuppertal Instituts e. V. für die starke Unterstützung, durch die diese Konferenz als hybrides Format erst möglich wurde.

Jubiläumskonferenz online anschauen

Im YouTube-Kanal des Wuppertal Instituts ist die Jubiläumsfeier als kompletter Mitschnitt verfügbar und enthält neben der spannenden Podiumsdiskussion auch alle Grußworte sowie die Keynotes der Vortragenden. Zudem wurden während der Jubiläumsfeier Statements der Diskutantinnen und Diskutanten aufgezeichnet, die in einem filmischen Best-of mit Blick hinter die Kulissen hier zu finden sind.

Kommentare

Neuen Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert