12. September 2021

Moby Dick: Lauter Ungewöhnlichkeiten packend inszeniert

Eindringlich, packend, vielfarbig: So hat man den berühmten, Mitte des vorvorigen Jahrhunderts erstmalig erschienenen Roman von Hermann Melville noch nicht gesehen, auch nicht auf der Leinwand. Die Besetzung, die Musik, das Bühnenbild, die ganze Inszenierung des Wuppertaler Regisseurs Robert Sturm ist vom Feinsten und zieht die Zuschauer in den Bann.

Eine Szene aus „Moby Dick“: Die Darsteller in dem angedeuteten Schiff – © Heinrich Brinkmöller-Becker

Die Zuschauer sehen sich einer überdimensionalen Bühne gegenüber, auf der Musik und Chor integraler Bestandteil der gesamten Handlung sind.

Die Geschichte ist schnell erzählt: Ahab, die männliche Hauptfigur, hasst den Wal Moby Dick bis aufs Blut und verfolgt ihn über alle Meere, nur von dem einen Gedanken geprägt, das Leben des Säugetiers, dessen Widerstand ihn ein Bein gekostet hat, auszulöschen.

Alle Seeleute ordnen sich ihm unter und legen symbolisch die das Holzbein symbolisierende Manschette an. Sie ordnen sich ihm unter – und verlieren den Kampf: Die alten weißen Männer Bernd Kuschmann, Jan Minarik, Jörg Reimers und Pierre Siegenthaler (schauspielernd), Ed Kortlandt, Jean Laurent Sasportes und Mark Sieczkarek (tanzend).

Darsteller im Bühnenbild, dass von Tony Cragg entworfen wurde – © Heinrich Brinkmöller-Becker

Nur eine Frau, Luise Kinner, entzieht sich dem Bann des Bösen, hüllt ihr Bein nicht ein. Ganz dicht bei ihr in einer zentralen Szene: der Violinist Alexander Balanescu, von dem man, sähe man nur flüchtig hin, nicht wüsste, ob man ihn zu den Musikern oder zu den Schauspielern zählen sollte.

Er beeindruckte den „STADTZEITUNGS“-Kritiker am nachdrücklichsten. An- und abschwellend, feinfühlig und dann wieder bedrohlich-gewaltig, symbolisiert er mit seinem Spiel die Schönheit, aber auch die zerstörerische Wucht der Gezeiten.

Zweifellos eine ungewöhnliche und beispielhafte von Robert Sturm inszenierte Produktion der Wuppertaler Bühnen und Sinfonieorchester in Kooperation mit Riedel Communications, einen großen Stoff der Weltliteratur aufgreifend, der schon beim Erscheinen parabelhaft war: die Zerstörung von Tier- und Umwelt glossierend, die ja letzten Endes die menschliche Existenz in Frage stellt, und politische Missstände, Diktaturen und Kriege karikierend.

Der erfolgreiche Wuppertaler Regisseur Robert Sturm – © Claudia Kempf

Das nahm mit. Den gestalterischen Rahmen, das das beklemmend unfertige Bühnenbild aus Versatzstücken von Booten, Aussichtsposten, langen schweren Tauen, schuf Tony Cragg. Ohne Pause wurde gepoltert, gesungen, gewankt, geschwankt, gekämpft, bis die Kreatur den sich maßlos überschätzenden Menschen besiegt. Ahab tot, Stück zu Ende.

Am Premieren-Abend stimmte alles. Ein besonderes Wort des Dankes verdienen Musiker und der Chor, also das multinational zusammengesetzte Schönberg-Ensemble der – sperriger Name – Hochschule für Musik und Tanz Köln (Abteilung Wuppertal), sowie alle Mitwirkenden, denen das Publikum stehende Ovationen bereitete. Wenn in diesen Tagen so viel von kulturellem Aufbruch nach lähmender Coronapause die Rede ist: In der Riedel-Halle V war er zu besichtigen.

Text: Dr. Matthias Dohmen

 

Mysteriös, geheimnisvoll, düster: Das Bühnenbild, das exzellent zur Inszenierung des Stückes passt – © Heinrich Brinkmöller-Becker

Weitere Aufführungen:

10.09. – 11.09. – 12.09. – 17.09. – 18.09. – 19.09. 

Beginn: jeweils 19:30 Uhr

Tickets unter Ticket-Hotline: 0202-5637666 oder http://www.kulturkarte-wuppertal.de

 

Das Plakat zu „Moby Dick

Herman Melvilles
Moby-Dick

in der Bühnenfassung von Robert Sturm

Texte: Herman Melville in der Übersetzung von Matthias Jendis 

Eine Produktion der Wuppertaler Bühnen und Sinfonieorchester GmbH in Partnerschaft mit RIEDEL Communications & Co. KG 

Aufführungsort: RIEDEL Communications, Halle V

Probenszene mit dem Komponisten und Violinisten Alexander Balnescu und  der Darstellerin Luise Kinner – © Ralf Silberkuhl

Komposition: Alexander Balanescu

Bühne: Tony Cragg

Regie: Robert Sturm

Bewegung: Jean Laurent Sasportes

Kostüme: Anika Elias

Videoregie: Eva Rini May

Der Komponist Alexander Balanescu – © Heinrich Brinkmöller-Becker

Besetzung: Luise Kinner – Ed Kortlandt – Bernd Kuschmann – Jan Minarik,
Jörg Reimers – Jean Laurent Sasportes – Mark Sieczkarek – Pierre Siegenthaler

Live-Musik: Schönberg-Ensemble der Hochschule für Musik und Tanz Köln, Standort Wuppertal und Alexander Balanescu (Violine) unter der Leitung von Werner Dickel 

Sänger:  Anna Christin Sayn (Sopran) – Hasmik Muradyan (Mezzosopran) – George Clark (Bariton)

Violinen: Sofia Chelidoni – Tomas Ionescu – Sophia Oertel – Emanuel Rauch 

Viola: Marina Eichberg – Maria Garcia Sanchez – Gijoon Jo – Alejandro Vega

Cello: Mufei Feng – Sebastian Lara – Ana Catarina Pimentel Rodrigues – Elektra Stevi 

Bass: Carlota Ramos – Juan Sánchez Granados

Schlagzeug: Franz-Josef Staudinger 

Musikalische Einstudierung: Alexander Balanescu – Werner Dickel 

Regie- und Produktionsassistenz, Inspizienz: Barbara Büchmann

Technische Leitung: Manfred Marczewski

Sounddesign: Will-Jan Pielage

Lichtkonzept: Ffedy Deisenroth

Videotechnik: Sven Petersen – evs interactive

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: Amrei Feuerstack

 

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