3. Dezember 2021Peter Pionke
Erste Hilfe wenn Sie von Zahnschmerzen gequält werden
Wohl kaum ein Erlebnis hinterlässt einen so bleibenden Eindruck wie Zahnschmerzen. Vielleicht haben Sie schon einmal von jeman- dem gehört, wie sich das anfühlt. Sollten Sie diese Erfahrung selbst gemacht haben, wissen Sie, wovon ich rede.
Um dieses Gefühl besser zu verstehen, werde ich zunächst auf ein paar Grundlagen eingehen und Ihnen dann Möglichkeiten zur ersten Hilfe an die Hand zu geben.
Schmerz kann man sich am besten so vorstellen, dass es zu einem Ungleichgewicht kommt. Aufgrund einer äußeren Ursache, zum Beispiel einer Entzündung, verschiebt sich auf zellulärer Ebene das Gleichgewicht und es kommt zu einer Ausgleichsreaktion. Wie bei einem Vulkan entsteht ein Überdruck, der nirgendwohin entweichen kann.
Durch dementsprechende Meldesysteme wird dieser Umstand an das Gehirn weitergeleitet. Schmerzen, die von den Zähnen oder dem Zahnfleisch ausgehen, können abhängig von der Tageszeit pochen oder ziehen und werden unter anderem durch Süßigkeiten, Kälte, Wärme oder zu festes Beißen ausgelöst.
Als Ursache kommen eine Zahnfleischentzündung, eine Entzündung im Zahnnerv, beides zusammen oder dumpfe Schmerzen im Kieferknochen in Frage. Was genau zutrifft, stellt der Zahnarzt bei der Untersuchung fest. Bei der Analyse gibt es ein Standardverfahren.
Auf den Zahn klopfen, ob er empfindlich ist. Um das Zahnfleisch herumfahren, um festzustellen, ob es zu einer starken Blutung kommt. Die so genannte Vitalitätsprobe durchführen, um festzustellen, ob der Zahn stark auf Temperatur reagiert.
Unterstützend wird häufig eine Röntgenaufnahme des Gebietes veranlasst. Oft ist es so, dass man nach einer gewissen Zeit gar nicht mehr zuordnen kann, von wo der Schmerz eigentlich ausgeht. Das resultiert daher, dass die End- und Hauptäste des Nervs, der dieses Gebiet versorgt, nicht mehr unterscheiden können, da der Vorgang schon zu lange anhält.
Häufig fragt der Arzt auch danach, ob eine Füllung frisch gelegt wurde oder die Zähne in letzter Zeit überkront worden sind. Anhand dieser Informationen lässt sich bereits eingrenzen, wie die nächsten Behandlungsschritte aussehen sollten.
Kleiner Ausflug in die Anatomie – der Zahn besteht, vereinfacht gesagt, aus drei Schichten. Die Schutzschicht, der sogenannte Zahnschmelz, besteht zu 99 Prozent aus Stein (Mineral). Darunter befindet sich das Dentin. Hier sind es nur noch 70 Prozent Mineralanteil. Den Rest stellen Ausläufer der Nerven dar.
Deshalb hat man auch beim Bohren in diesem Gebiet mitunter sehr starke Schmerzempfindung. Man kann es sich kaum vorstellen, aber in diesem Bereich tummeln sich auf nur einem Quadratmillimeter bis zu mehrere hundert Fortsetzungen des Nervs.
Im Hohlraum des Zahnes befinden sich außerdem Blutgefäße, die zur Versorgung benötigt werden. Des Weiteren ist der Zahn von einer Zahnleischmanschette umgeben und im Knochen leicht federnd aufgehängt.
Dies alles ist wichtig, um besser zu verstehen was passiert, wenn dieses Gleichgewicht empfindlich gestört wird. Zu den beiden Hauptursachen des Schmerzes gehört entweder eine entzündliche Reaktion in der Zahnfleischtasche (also dem angrenzenden Gewebe um den Zahn herum) oder ein Stau vor der relativ kleinen Eintrittsöffnung an der Wurzel.
Die Größenverhältnisse veranschaulichen eindeutig, was passiert, wenn mehr Zellen rein wollen, um zu helfen, als raus können – es kommt zu einem Stau wie an einer Autobahnauffahrt. Damit beginnt im Allgemeinen eine Kettenreaktion. Der Stau vergrößert sich und es kann zu einer Schwellung im umgebenden Gewebe kommen.
Unterscheiden lassen sich hierbei noch zwei Sonderformen: Die chronische, also länger andauernde, Entzündung sowie die akute. Diese wird möglicherweise durch ein Ungleichgewicht bei Wetterwechsel oder Stress ausgelöst.
Es lassen sich viele weitere Ursachen für Zahnschmerzen finden. Im Folgenden möchte ich Ihnen einen Überblick geben, welche Ursachen für ungewöhnliche Symptome im Mund verantwortlich sind und wie Sie diese einordnen können. Fachtypische wissenschaftliche Ausführungen lasse ich dabei bewusst beiseite.
Ein freiliegender Zahnhals
Äußere Faktoren wie zu viel säurehaltige Getränke oder ein zu starker Anpressdruck beim Putzen der feinen Kanälchen, legen die Wurzeloberfläche frei, sodass Temperaturextreme schnell an den Zahnnerv gemeldet werden können.
Die Therapie besteht meist darin, diese Kanälchen mit Pasten oder Lacken zu versiegeln. Ebenfalls gibt es spezialisierte Zahncremes, die durch ihre Inhalts- stoffe eine lindernde Wirkung haben können.
Karies
Die wohl bekannteste Ursache für Zahnschmerzen. Doch was passiert dabei eigentlich genau? Bestimmte Bakteriengruppen führen durch gemeinsames Wirken zu einer säurebedingten Auflösung der Schmelzschutzschicht. Andere Bakterien folgen ihnen und arbeiten sich wie bei einem Tunnelbau weiter in den Zahn hinein Richtung Nervengewebe vor.
Durch die Nervfortsatzkanälchen werden Gifte zu den Meldern des Nervs weitergeleitet. Dieser ruft je nach Menge mittels Botenstoffen Abwehrzellen zu Hilfe. Dieser Vorgang kann je nach Geschwindigkeit bis zu mehrere Jahre dauern, denn der Nerv hat eine zweite Abwehrmethode: Er kann diese Kanälchen quasi mit neuer Zahnsubstanz verkitten.
Wie bei einer Muschel wird auf diesen Reiz hin sozusagen eine Perle gebildet und neue Zahnsubstanz als Schutzschicht entsteht. Das ist aber nicht immer der Fall. Ich fasse zusammen: Karies löst mittels Säure den Zahn auf.
Dieser Vorgang dauert mitunter sehr lange und ist ohne Röntgenaufnahme für den Zahnarzt meist nicht zu entdecken. Die gefährlichste Form geht vom Kontaktpunkt der Zähne zum Nachbarn aus. Von außen ist Sie oft nicht zu entdecken. Bleibt das Loch unentdeckt, tritt ein plötzlicher Schmerz auf.
Erst als Reaktion auf kalt, dann auf kalt und warm, dann nur noch auf Wärme … schließlich wird er unerträglich. Die Vorgeschichte kann sich über mehrere Jahre hinziehen.
Ein Loch unter einer alten Füllung oder Krone
Dieses verursacht die gleichen Symptome wie das klassische Kariesloch, ist aber von außen gar nicht und röntgenologisch manchmal nicht erkennbar. Typischer Satz des Patienten: „Ich habe jahrelang nichts gemerkt.“
Schmerzen nach dem Legen einer frischen Füllung
Eine frische Bohrung strapaziert die Abwehr des Körpers sehr. Es kann zu Schmerzen kommen, obwohl der Zahn vorher nicht wehgetan hat. Das ist bis zu einem gewissen Grad nicht besorgniserregend. Meist klingt dieser Schmerz nach einigen Tagen bis Wochen ab.
Es sei denn, die Karies war bereits so tief, dass die Abwehr gegen die Bakteriengifte eigentlich schon verloren gewesen ist. In diesem Fall werden durch die Bohrung schlafende Hunde geweckt. Eine Kettenreaktion entsteht.
Dem Zahnarzt stehen außer seiner persönlichen Einschätzung keine verlässlichen Geräte zur Verfügung, um dieses Risiko beurteilen zu können. Die Konsequenz aus dieser Vorgeschichte ist entweder die Wurzelbehandlung mit Kanalaufbereitung oder die Extraktion des Zahnes.
Stellen Sie es sich so vor, als ob ein Flugzeug beim Start nicht mehr abbremsen kann. Ein Point of no Return.
Schmerzen beim Aufbiss auf eine neue Füllung oder Krone
Oft ist die neue Versorgung einfach ein bisschen zu hoch. Lassen Sie ruhig mehrfach die Höhe kontrollieren.
Schmerzen nach oder während einer Wurzelbehandlung
In der ersten Phase konnte das Nervengewebe noch nicht ganz entfernt werden. Durch Abwehrprozesse des Körpers entstehen Überdruck oder Aufbissempfindlichkeit. Es kann zur Vermehrung von Bakterien kommen. Linderung verschafft meist ein Entfernen des provisorischen Verschlusses. Es dauert unterschiedlich lange, bis dieser Vorgang abklingen kann.
In der zweiten Phase kann es sein, dass nach dem Legen einer Wurzelfüllung eine unbemerkte Restentzündung noch nicht abgeklungen ist. Fragen Sie Ihren Zahn- arzt, was empfohlen wird.
Fremdkörper im Zahnfleisch
Ein kleines Objekt wie die Spelze vom Popcorn oder eine Zahnbürstenborste hat sich im Gewebe festgeklemmt. Der Körper versucht, es durch die Schwellung und entzündliche Reaktion loszuwerden. Nachdem das Objekt entfernt wurde, ist das Symptom verschwunden.
Entzündung einer Zahnfleischtasche
Das Zahnfleisch schwillt bei Berührung an, auch an mehreren Zähnen. Blutung und Schmerz. In akuter Form ist es meist die Folge einer länger anhaltenden Vorerkrankung. Ein schlechter Geschmack im Mund deutet daraufhin, dass die Körperabwehr mit der chronischen Entzündung nicht mehr klarkommt und die überhandnehmenden Bakterien durch einen Abwehrschub loszuwerden versucht.
Mundspüllösungen bieten sich hier als erste Hilfe an. Vor allem, da aus Gründen der Schonung weniger stark und intensiv geputzt wird – und das, wo gerade hier intensivere Putzdauer angesagt wäre, auch wenn es blutet. Die Desinfektion der Zahnfleischtasche hat Vorrang!
Stellen Sie sich vor, wie Bakteriengifte und Abbauprodukte die Abwehr des Körpers jetzt erst recht herausfordern. Auf jeden Fall ist in dieser Lage die Praxis aufzusuchen, um den Grad der Auswirkung einschätzen zu können.
Weisheitszahn
Wenige Wörter werfen so schnell die Horrorvariante des Kopfkinos an wie dieses. Und es ist tatsächlich sehr ernst. Oft wird in der Praxis erklärt, dass der Weisheitszahn schon zur Hälfte in den Mund schaut. Eine sogenannte Schleimhautkappe bedeckt ihn teilweise. Jetzt schlägt – meistens am Wochenende oder im Urlaub – die Stunde der Bakterien.
In diesem Biotop fühlen sie sich besonders wohl und vermehren sich prächtig. Der Körper will die lästigen Dinger loswerden und reagiert mit einer Schwellung. Da sie einfach zu viel Platz einnimmt, beißt man auf sie auf und eine Kettenreaktion beginnt. Oft lässt das Ganze nach der Behandlung in der Praxis wieder nach. Konsequenz ist angesagt, auch wenn der Schmerz wieder verschwindet.
Dicke Backe
Dieses Phänomen ist meist relativ schmerzarm, aber sehr außenwirksam. Oft ist ein Zahn dafür verantwortlich. Hier hat die Abwehr endgültig alle Schleusen geöffnet. Suchen Sie sofort einen Zahnarzt auf, da sich die Entzündung im Gesicht weiter ausbreiten kann. Die Therapie besteht meist in der Entlastung der Schwellung oberhalb des betreffenden Zahnes im Mund.
Treten derlei Schmerzphänomene bei Ihnen auf, können Sie sich wie folgt im allerersten Schritt selbst behelfen, bevor Sie so schnell wie möglich eine Praxis aufsuchen.
Erste Hilfe bei Schmerz an einem Zahn
Nehmen Sie Schmerztabletten wie Ibuprofen und setzen Sie die Dosis bei guter Verträglichkeit zu Beginn eher hoch an, da die antientzündliche Komponente dann am besten wirken kann.
Lokal kann auch eine Gewürznelke in den betreffenden Bereich der Zahnregion positioniert werden. Suchen Sie sofort die zahnärztliche Praxis auf, denn je länger Sie warten, desto weiter breitet sich die Entzündung im Nervengewebe aus.
Überwinden Sie Ihre möglichen Vermeidungsmuster und tun Sie alles zur Rettung Ihres Zahnes. Lernen Sie aus den schlechten Erfahrungen von Generationen von Menschen vor Ihnen. Handeln Sie Ihrem Körper zu Liebe.
Erste Hilfe bei Zahnfleischentzündung
Reinigen Sie intensiv, auch und gerade dann, wenn es blutet. Nutzen Sie eine konzentrierte Mundspülung und lassen Sie diese lange einwirken. Eine Propolis-Tinktur rund um das betroffene Gebiet hat sich zur Desinfizierung ebenfalls bewährt.
Besorgen Sie sich dieses komplexe Bienenprodukt am besten direkt bei einem Imker. Auch hiernach sollten Sie natürlich die Praxis aufsuchen und geeignete weitere Schritte einleiten.
Zivilisatorische Genussmittel wie Zucker, genetische Aspekte wie die Speichelzusammensetzung oder die Entzündungsreaktion sowie der persönliche Umgang mit der Zahnpflege bestimmen die Lebensqualität in Ihrem Mund.
Nutzen Sie intensiv die Möglichkeiten der modernen Zahnmedizin, um Ihre Zähne so lange wie möglich zu behalten. Sie haben maximal 28 Versuche, danach teilen Sie das Schicksal der jetzigen Generation der über 80-Jährigen, die zu über 90 Prozent eine Art Prothese tragen.
Auch wenn Sie in Ihrer Kindheit schlechte Erfahrungen gemacht haben, stellen Sie sich der Verantwortung für Ihre Mundgesundheit. Denken Sie nochmal daran: Ein Zahn besteht zu mehr als 70 Prozent aus einer Art Mineral.
Genauso wie der saure Regen und andere Umwelteinflüsse den Sandstein des Kölner Doms auflösen, zersetzt sich auch unter ungünstigen Bedingungen Ihr Zahn.
In meiner eigenen Praxis habe ich seit der Eröffnung mehr als 13.800 Patienten gesehen und glauben Sie mir: Gäbe es einen Trick, wie Sie um aktives Tun herumkommen, würde ich ihn gerne mit Ihnen teilen.
Ihr Dr. Detlef Schulz
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