24. Dezember 2021Peter Pionke
Peter Neururer: Sportliche Entwicklung ist sensationell
Siegfried Jähne hat Lichtgestalt Peter Neururer, der als Kult-Figur im deutschen Fußball gilt und jetzt beim WSV für Sport, Marketing und Kommunikation zuständig ist, für die STADTZEITUNG interviewt.
Die Einbindung des Fußballfachmanns Peter Neururer in das neue WSV-Vorstandsteam neben Finanzexperete Jochen Leonhardt und Sportchef Thomas Richter, dem früheren WSV -Torwart, -Manager und -Trainer, darf als geschickter Schachzug von Hauptsponsor Friedhelm Runge gewertet werden.
Peter Neururer ist eine der schillernsten Figuren im deutschen Fußball. Neururer gilt als Kult-Trainer schlechthin. Die Kommentare des 66jährigen („gelebte 170 Jahre alt, gefühlte 35“) sind legendär.
Die einen nennen ihn „Peter der Große“, andere „Motivationswunder“. Uli Hoeneß schlug eins vor, das Ruhrgebiet in „Neururergebiet“ umzubenennen. „Ich war für 16 Vereine aktiv und habe 619 Pflichtspiele als Coach in der Bundesliga absolviert“ berichtet er, der auch als Experte für Sport1 tätig ist, aus seiner Vita.
Auf eine Journalistenfrage, wo er sich denn jetzt beworben habe, entgegnete er einst: „Ich bewerbe mich nicht, mich findet man.“
DS: Wer war es, der sie für den WSV gefunden hat?
Peter Neururer (schmunzelnd): “Friedhelm Runge war es. Ich hatte schon in früheren Jahren mit ihm Kontakt, doch damals scheiterte mein Engagement offensichtlich aufgrund von fehlerhafter Kommunikation. Diesmal gab es eine bessere Kommunikation, an der auch WSV-Sponsor Stölting beteiligt war, den ich ebenfalls seit Jahren kenne und schätze.“
DS: Wie ordnen sie die Entwicklung beim WSV ein und welche Erfahrungen haben Sie in ihrer Aufgabe als WSV-Vorstand gemacht?
Peter Neururer: „Den sportlichen Erfolg kann man nur als sensationell bezeichnen. Die von Björn Mehnert trainierte Mannschaft spielt einen begeisternden Fußball, das erleichtert natürlich auch meine Arbeit im Sponsoringbereich. Es geht zwar langsam, aber es geht aufwärts. Die Leute wurden oft enttäuscht, sehen aber, dass jetzt vieles besser geworden ist. Viele trauern alte Zeiten nach und vergessen dabei, die Probleme in der Jetzt-Zeit zukunftsorientiert zu lösen. Ich versuche ihnen zu vermitteln, dass Ressentiments nicht zielführend sind und eine Stadt wie Wuppertal auch aus Gründen der Attraktivität einen Fußballverein im oberen Bereich braucht.“
DS: Welchen Stellenwert hat in dem Zusammenhang eine Persönlichkeit wie Friedhelm Runge?
Peter Neururer: „Man muss wissen und anerkennen, dass es diesen Traditionsverein WSV vermutlich nicht mehr gäbe, hätte sich nicht Friedhelm Runge mit seinem persönlichen und finanziellen Engagement eingebracht. Der Verein kann sich aber dauerhaft nicht nur auf eine Person konzentrieren, sondern muss sich breiter aufstellen. Wir brauchen mehr Persönlichkeiten vom Schlage Runges. In Wuppertal ist Großartiges möglich.“
DS: Trotz des sportlichen Auftriebs ist die Zuschauer-Resonanz in dieser Saison eher enttäuschend. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Peter Neururer: „Ja, Sie haben recht. In Essen kommen derzeit mehr Zuschauer zum Training als beim WSV zu Heimspielen. Das hängt mit vielen Faktoren zusammen. Corona ist sicher ein Grund. Aber auch die Entwicklungen in der Vergangenheit. Wer, wie der WSV von ganz oben kommt und nach unten geht, hat es naturgemäß deutlich schwerer als jemand, der von unten nach oben kommt. Das hängt mit Begeisterung und mit Illusionen und Desillusionen zusammen. In Wuppertal kommen auch noch mediale Themen hinzu. In einer Stadt, in der es auf diesem Gebiet einen größeren Wettbewerb gibt, gibt es auch mehr Gesprächsstoff, oft auch mehr positive Berichte. Hier sehe ich einen deutlichen Nachholbedarf.
Schade, dass wir gegen Bochum recht unglücklich aus dem DFB-Pokal ausgeschieden sind. Da hätten wir noch eine größere Resonanz und gute Einnahmen haben können.“
DS: Noch nie war die Chance aufzusteigen, größer als in dieser Saison. Sollte der Verein nicht gerade jetzt für weitere Verstärkungen sorgen?
Peter Neururer: „Ein Aufstieg schon in dieser Saison käme aus meiner Sicht einem Fußballwunder gleich. Immer gerne und auch sofort, wenn das möglich ist! Aber dafür braucht man auch die Voraussetzungen. Man sollte sich immer nur realistische Ziele setzen. Wenn man jetzt drei oder vier Spieler aussortieren würde, die die Erwartungen nicht erfüllen konnten, müsste man drei oder vier neue spielstärkere Akteure hinzugewinnen. Wenn man sich oben etablieren kann, müßte ein solcher Austausch kontinuierlich Jahr für Jahr erfolgen. Das gesamte Team am Saisonende etwa mit zehn neuen Spielern zu bestücken wäre kontraproduktiv“.
DS: Wo stehen sie Schwachpunkte im Umfeld?
Peter Neururer: „Für mich ist es schon sensationell, wie die Mannschaft auf diesem Rasenplatz, der für mich eher ein Acker ist, solch herausragenden Fußball spielen kann. Hier sind die gegnerischen Mannschaften immer im Vorteil, weil es leichter ist gegen den Ball als mit dem Ball zu spielen. Das hat auch mit dem Ballbesitz zu tun. Unsere Mannschaft hatte ihr bestes Spiel in dieser Saison beim 1.FC Köln im Franz-Kremer-Stadion, wo sie einen Traum-Teppich vorfand. Aber auch hier im Zoo-Stadion erwarte ich Verbesserungen. Wenn 2024 in Deutschland die Fußball-Europameisterschaft stattfindet, wird es im Westen vier Spielstätten, nämlich in Köln, Düsseldorf, Dortmund und Gelsenkirchen geben. Da wird Wuppertal Trainings-Standort für eine Nationalmannschaft werden und dann bekommen wir auch einen besseren Rasenplatz, der dann auch mit einer Rasenheizung ausgestattet sein dürfte. Ansonsten kenne ich keine Stadt, in der eine Mannschaft zu Trainingszwecken täglich so weit reisen muss wie in Wuppertal. Nicht umsonst werden wir unser Trainingslager im Winter wieder in der Türkei aufschlagen.“
DS: Wie sehen Sie die globale Entwicklung im Fußball?
Peter Neururer: „Die kann ich nur katastrophal nennen. Vieles hat mit Fußball gar nichts mehr zu tun. Den, der 100 Mio. Euro Ablöse zahlt, den könnte man sonst für geisteskrank erklären. Auch mit den utopischen Gehältern macht man den Fußball an seiner Basis kaputt. Das ist ja alles nicht mehr finanzierbar. Wenn wir sehen, dass der von einem arabischen Scheich gesponserte englische Fußballclub Newcastle United der reichste Verein der Welt sein wird, weiß man, worum es eigentlich geht. Der FC Barcelona ist mit 1,35 Milliarden verschuldet, betätigt sich aber als Großeinkäufer. Und wenn es bei den Weltmeisterschaften künftig statt 16 Teilnehmern nach den Plänen des Schweizers Infantino ab dem Jahre 2026 eine Weltmeisterschaft mit 48 Mannschaften geben soll, weiß man spätestens jetzt, dass es hier nur noch um Geschäft und nicht mehr um Sport gehen kann. Nicht nur die Qualität leidet, wenn absurde Pläne realisiert werden. Wenn unsere Vereine auf diesem Klavier mitspielen wollten, müssten sie scheitern. Schon heute sieht man, dass die Jugendarbeit vernachlässigt wird und wir dabei sind, zweitklassige Spieler aus dem Ausland zu verpflichten. Zum Glück hat der WSV in Wuppertal immer großen Wert auf Jugendarbeit gelegt.“
DS: Welche Hobbys pflegt der Privatmann Neururer?
Peter Neururer: „Ich spiele regelmäßig in Gelsenkirchen Buer oder in meinem Garten am Haus Golf. Mein Handicap ist allerdings von einst 10,4 auf 17,5 abgesunken. Dann bereitet mir meine Harley-Davidson große Freude, aktuell fehlen mir nur noch zwei große Ziele auf der Weltkarte.“
DS: Was würden Sie machen, wenn sie nicht Fußballtrainer geworden wären?
Peter Neururer: „Ich habe eine sportwissenschaftliche Lehrerausbildung, in der ich es auch mit Jura zu tun hatte. Da hätte sich sicher etwas gefunden.“
DS: Ein Reporter schrieb mal, sie würden mit ihrem Auto nicht einparken, sondern einschleudern. Ist ihre diesbezügliche Leidenschaft noch vorhanden und welches Auto nennen Sie nach ihrer Porsche-Zeit derzeit ihr eigen?
Peter Neururer: „Also man darf nicht alles glauben, was geschrieben steht, manche Zitate stammen von Leuten, mit denen ich noch nie gesprochen habe. Derzeit nutze ich für meine täglichen Fahrten einen Peugeot.“
DS: Es gibt soviel tolle Sprüche von Ihnen. Welchen können Sie im Zusammenhang mit dem WSV beitragen?
Neururer: „Sprüche sind immer situationsbedingt, wäre es anders, wäre ich ja ein Sprücheklopfer. Das bin ich nicht und das will ich auch nicht sein.“
Das Interview führte SIEGFRIED JÄHNE
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