8. Januar 2022Peter Pionke
Dr. Detlef Schulz übersetzt: Zahnarzt Deutsch – Deutsch Zahnarzt
Diese und viele andere Kapitel finden Sie in dem lehrreichen Buch „Der Zahn-Kompass“, geschrieben vom erfahrenen Essener Zahnarzt Dr. Detlef Schulz, der sich selbst als Gesundheitscoach definiert.
Die Heldenreise
Viele große Filme und Romane, deren Charaktere uns faszinieren, folgen der Erzählstruktur der „Heldenreise“. Ein Ruf des Abenteuers führt die Figur hinaus aus ihrer gewohnten Welt und Komfortzone in neue Gefilde. Dort stellt sie sich, an denen sie wächst und als neuer Mensch nach Hause zurückkehrt, als „Meister beider Welten“.
Ein ganz wichtiger Schritt in diesem Ablauf ist die „Weigerung“. Der Held oder die Heldin möchte die Mission zunächst nicht antreten. Zu groß sind die Ängste. Zu gering ist das Zutrauen in sich selbst, sich der Herausforderung wirklich stellen zu können.
In der echten Welt geht diese Weigerung oft mit einer gedanklichen Blockade einher. Nehmen wir an, Ihre persönliche Heldenreise ist der Weg zu echter Zahngesundheit oder auch „nur“ zu einem attraktiveren Lächeln. In vielen Fällen startet daraufhin ein innerer Monolog dieser oder ähnlicher Art:
„Immer mehr meiner Bekannten haben plötzlich viel hellere Zähne. Wie kann das sein? Und was ist eigentlich mit meiner Zahnfarbe? Irgendwie war die früher auch mal weißer. Doch halt!
Meine Erfahrungen beim Zahnarzt waren bisher nie die besten. Wer weiß, was da alles auf mich zukommt, wenn ich bei der nächsten Kontrolle das Thema anspreche? Lieber sage ich gar nichts und lasse nur schnell das Nötigste nachsehen. Hoffentlich finden die kein Loch. Obwohl … an den Backenzähnen hat es schon beim letzten Mal etwas geblutet.
Letzte Woche hat aus der Familie jemand starke Zahnschmerzen bekommen. Natürlich am Freitagnachmittag. Die ganze Nacht konnte er nicht schlafen. Im ganzen Kopf hat es gepocht und gehämmert. Irgendwann war die Angst kleiner als der Schmerz. Angst kostet Zähne! Soviel ist gewiss.
Vielleicht sollte ich doch meine Füllungen erneuern lassen. Es heißt ja immer, die halten nicht so lange. Meine sind schon länger als zehn Jahre im Mund. Aber wenn eine Krone gemacht werden muss, dann ist doch der Zahn kaputt.
In der Praxis erzählen sie zwar immer, dass der Zahn stabilisiert werden muss, aber ich merke doch nichts! Außerdem bin ich noch ein bisschen zu jung für eine Krone.
Oder?
Wie war das eigentlich bei meinen Großeltern? Die konnten die Zähne rausnehmen. Das ist zwar praktisch, aber irgendwie will ich meine Zähne schon behalten. Die letzte Zahnreinigung ist auch schon wieder mehr als ein Jahr her. Doch immer wenn ich mich aufraffen will einen Termin zu machen, kommt was dazwischen.
Naja, vielleicht sollte ich vor dem Urlaub noch mal zur Kontrolle gehen. Das Auto ist auch noch mit der Inspektion fällig. Wann läuft da eigentlich die Garantie ab? Das muss ich dringend checken.
Für die Inspektion meiner Zähne habe ich einen Plan von meiner Krankenkasse zugeschickt bekommen. Wo habe ich den gleich abgeheftet? Egal. Selbst, wenn ich ihn finde, begreife ich ihn sowieso nicht. Da sind nur so rätselhafte Abkürzungen drauf …“
Kennen Sie das?
Haben Sie derlei stille Gespräche ebenfalls schon mit sich selbst geführt?
Falls ja, wäre die legendäre Heldenreise somit bereits beendet. Die „Weigerung“ bliebe bestehen. In den Geschichten, die wir alle lieben, geht es allerdings danach weiter. Der Grund: Im nächsten Schritt begegnet der Held einem „Mentor“.
Dieser erfahrene Helfer hat schon vieles auf dem kommenden Weg gesehen. Er wird zum Scout, zum Sherpa, zum Reiseführer. Am Ende des Abenteuers wartet eine große Belohnung, die für alle Mühen, Rückschläge und Selbstüberwindungen entschädigt.
Lassen Sie mich der Mentor Ihrer Heldenreise sein!
Der Zahn-Kompass kann Ihr wichtigstes Werkzeug auf diesem Weg werden – denn nur ein aufgeklärter Patient ist ein mündiger Patient.
Die Natur schenkt uns (die möglichen vier Weisheitszähne beiseitegelassen) mit spätestens 15 Jahren ganze 28 Zähne.
Ab diesem Augenblick läuft ein Countdown: 28, 27, 26 …
Um möglichst viele dieser Zähne möglichst lange zu erhalten, ist es wichtig, die Heldenreise anzutreten und nicht bereits beim Schritt der„Weigerung“ zu verharren. Gehen Sie mit mir auf diese Reise für Ihre Gesundheit. Überwinden wir gemeinsam Ihre Angst.
Es lohnt sich, denn Sie haben nur diesen einen Körper.
Der Zeitstrahl
Jeder hat sich bestimmt schon mal gewundert, dass es Menschen gibt, die regelmäßig neue Löcher bekommen, obwohl Sie die Zähne regelmäßig putzen. Sie suchen die Schuld bei sich und verzweifeln mitunter über den vorzeitigen Verlust der eigenen Zähne, während andere Menschen bloß alle paar Jahre zum Zahnarzt gehen und lediglich ein wenig Zahnstein haben?
Jeder hat sein persönliches Risiko für Zahnfleischrückgang oder Karies, eine komplexe Kombination aus Genetik, Putztechnik, Ernährung, Bakterieninfektion und der Anzahl der Prophylaxesitzungen.
Gibt es dennoch einen roten Faden, vielleicht sogar ein Muster?
Diese Frage habe ich mir oft gestellt.
Dabei herausgekommen ist der Dental Time Bar oder Zeitstrahl – eine Veranschaulichung der häufigsten Beobachtungen in Zehn-Jahres-Intervallen, stabil fußend auf der Erfahrung mit mehr als 13.700 Patienten.
Der Dental Time Bar ist ein Ursache-Wirkungsmodell. Das bedeutet, ein Risiko tritt vermehrt in bestimmten Lebensabschnitten auf. Da die Karies in Deutschland statistisch auf dem Rückzug ist, verschieben sich die Konsequenzen zunehmend auf dem Zeitstrahl nach hinten.
Gleichzeitig nimmt leichter und mittlerer Zahnfleischrückgang zu, bedingt durch Stoff wechselprobleme und Stress. Wer sich hier genau informieren möchte, dem empfehle ich die Deutsche Mund- gesundheitsstudie, kurz DMS, in der aktuell 5. Auflage.
Als ich 1994 meine Praxis in Essen eröffnete, machte der IHCF, die Stiftung zur Förderung der Gesundheit, mit der Forderung „22 77 99“ Schlagzeilen. Ein internationaler Zusammenschluss aus Universitäten und Firmen stellte unter dem Motto „22 Zähne mit 77 Lebensjahren für 99 Prozent der Bevölkerung“ ein hohes Ziel für das Zahnbewusstsein auf, das größtenteils noch heute belächelt wird.
Trotzdem gibt es große Fortschritte. Gerade die heutige Elterngeneration der Millennium-Kinder schaffte es, ihre Erfahrungen rund um die Mundgesundheit gut weiterzugeben, so dass schätzungsweise 80 Prozent der bis zu 18jährigen heute kariesfrei sind. Das Präventionsprogramm der Krankenkassen und die besseren Inhaltsstoffe der Zahnpasta trugen ebenfalls dazu bei.
Begleitend zum Zeitstrahl hier einige Bemerkungen und Erläute- run-gen zu häufigsten und üblichsten Risiken, die in den verschiedenen Lebensabschnitten auftreten können …
Der Leitkeim von Karies, Streptococcus mutans, überträgt sich durch den Speichel der Eltern. Haben diese aktive Karies oder eine hohe Konzentration im Speichel, werden die Milchzähne relativ schnell infiziert. Konsumiert das Kind noch dazu viel Zucker und ist die Zahnpflege schwierig, geht‘s los.
Dies alles findet zwischen dem Durchbruch der Milchzähne und den ersten bleibenden Zähnen im sechsten Lebensjahr statt. Die Fluorid-Konzentration in der Kinderzahnpasta kann nach einschlägigen Studien eine Schutzschicht im Zahnschmelz der Milchzähne bilden.
Gelingt es ferner, die Risikofaktoren Zucker und nicht optimales Putzen weitestgehend zu eliminieren, besteht eine große Chance, dass die bleibenden Zähne es schaffen.
Doch nun zur Realität der weiteren Jahrzehnte.
Die Kariesinfektion springt auf die ersten Backenzähne über. Die Motivation, die ersten Löcher mit einer Füllung zu verschließen, war nachvollziehbarerweise sehr gering. Wurde trotzdem gebohrt, dann meist unter sehr erzwungenen Bedingungen.
Die traumatischen Erlebnisse, der Schmerz und die Angst, setzen sich als Muster fest. Mit dem 15. Lebensjahr sind die bleibenden Zähne im Mund ausgebildet. Pubertierende Jugendliche können, selbst ohne vorherige Angstmuster, allein schon wegen Ihrer Vorbehalte gegen Regeln, dem Zahnarztbesuch nur selten positive Seiten abgewinnen.
Das Reparaturdenken sah bis in die frühen Neunzigerjahre die Amalgamfüllung als Standardtherapie vor. Die Kariesstellen wurden großzügig entfernt und der Zahn massiv verfüllt.
Oft sehe ich Amalgamfüllungen, die mehr als 30 Jahre im Mund verweilen. Die nächste Bohrung führt dann allerdings aus Stabilitätsgründen zur Krone oder der Nerv ist zu strapaziert und muss gezogen werden.
Ein Trost bleibt. Die Kariesanfälligkeit sinkt um das 20. Lebensjahr. Zahnpasta und Pflege bewirken im Idealfall einen Stopp für neue Löcher. Im Zeitstrahl ist deshalb eine Lücke bis zum 30. Lebensjahr.
Die Füllungen halten, das Putzen gelingt ganz gut, Zahnsteinentfernung einmal im Jahr reicht – so lautete über Jahrzehnte das
Gewohnheitsdenken bei vielen Ärzten und Patienten. Leider ist das sehr kurzfristig gedacht.
Zahnfleischerkrankungen nehmen nach dem 30. Lebensjahr deutlich, aber langsam fortschreitend zu. Da es am Anfang selten Schmerzen gibt, empfindet man keine Notwendigkeit, etwas was zu tun. Das rächt sich später sehr schmerzhaft.
Zahnverlust und Prothese ab dem 65. Lebensjahr gehören für viele zur Alltags- erfahrung. Es war früher ganz normal und ist bis heute nicht selten. Auf dem Zeitstrahl erkennen Sie deutlich den Zeitraffer. Kleine Füllung, große Füllung, Wurzelbehandlung, Zange und Prothese.
Der gleiche Backenzahn, den Sie mit dem 6. Lebensjahr im Mund mit der Zunge gespürt haben, ist Ihrer Achtsamkeit und Vorsorge auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Er macht in fünf Jahren 1,5 Millionen Kaubewegungen. Tagein, tagaus. Ich betreue ein Seniorenstift.
Dort habe ich von jeder Bewohnerin und jedem Bewohner das Gleiche gehört:„Hätte ich doch nur besser auf meine Zähne geachtet! Ich würde so gerne nochmal mit meinen eigenen Zähnen kräftig zubeißen können.“ Diese Entwicklung wäre nur durch aufwendige, implantatgetragene Prothesenverankerungen etwas zu verbessern. Dazu fehlt es oft an den anatomischen oder materiellen Grundvoraussetzungen.
Und damals, in der Nachkriegszeit, gab es wahrlich andere Sorgen und Nöte als neue Zähne. Von den Materialien und Verfahren der damaligen Zeit ganz zu schweigen.
Doktor Dets Praxistipp:
Lassen Sie sich von Ihrer Praxis das aktuelle Loch- und Zahnfleischrisiko einschätzen. Investieren Sie in Prophylaxe und lassen Sie regelmäßig den Biofilm entfernen. Warten Sie nicht, bis der Zahn wehtut. Sollte eine Füllung nötig werden, investieren Sie in die haltbarste, auch wenn Sie in Ihrer Wahrnehmung oft finanziell außerhalb Ihrer Komfortzone ist. Achtung! Nebenwirkungen von Medikamenten können den Speichel verändern. Plötzlich bekommen Sie doch wieder Löcher, obwohl Sie jahrelang keine Anzeichen hatten.
Lernen Sie aus den unangenehmen Erfahrungen Ihrer Eltern und Großeltern!
Unterbrechen Sie den Teufelskreis aus Verschieben der Zahn- arztbesuche und dem Verlust von Zähnen!
Achten Sie auf Ihre Gesundheit, Sie haben nur die eine!
Zahnarzt Deutsch – Deutsch Zahnarzt
OP-Lampe ist in Position gebracht, das helle Licht streift kurz die Augen. Die Assistentin im Hintergrund ist startklar.
Der Stuhl fährt nach hinten, da kommen schon die ersten Anweisungen. In einem Fachchinesisch, dessen typischste Vokabeln ich an dieser Stelle einmal für Sie übersetze.
Zahnarzt sagt: „Wir machen heute eine 01.“
Patient denkt: „Oh je, was ist das bloß wieder?“
Bedeutung: Die 01 oder 001 ist die Gebührenziffer für die Kontrolle des sogenannten Befundes. Dabei gibt es eine vereinfachte Risikoabschätzung für jeden Zahn, die zweimal jährlich im Abstand von sechs Monaten durchgeführt werden darf.
Zahnarzt sagt: „Wir machen noch den PSI-Wert.“
Patient denkt: „Jetzt wird‘s esoterisch!“
Bedeutung: PSI steht für Parodontaler Screening Index. Sie haben Ihn im Kapitel zur Prophylaxe bereits kennengelernt. Alle zwei Jahre soll nach den Regeln der gesetzlichen Krankenkassen der Zahnfleischentzündungsgrad von 0 bis 4 dokumentiert werden.
Die Handlungsempfehlung basiert auf dem Grad der Zahnfleischentzündung zur Vermeidung langfristiger Schäden.
Zahnarzt sagt: „Sie benötigen einen PZR-Termin.“
Patient denkt: „Zahnstein entfernen reicht doch auch.“
Bedeutung: Der Biofilm auf dem Zahn ist auffällig. Mit der professionellen Zahnreinigung werden alle Flächen, insbesondere die schwer erreichbaren Zwischenräume, auf Hochglanz gebracht.
Vergleichbar dem vollen Programm in der Waschstraße fürs Auto mit Vorwäsche, Shampoo, Waschen, Hochglanzversiegeln und Unterboden plus Felgenspezialreinigung. Von Hand, wohlgemerkt. Das dient nicht nur beim Auto dem Werterhalt.
Zahnarzt sagt: „UPT ist wieder fällig.“
Patient denkt: „???“
Bedeutung: UPT ist die Abkürzung für die unterstützende Parodontitistherapie, die Sie ebenfalls bereits kurz kennengelernt haben. Eine professionelle Zahnreinigung mit Schwerpunkt auf die Prävention bei einer chronischen Zahnfleischentzündung.
Zahnarzt sagt: „Wir brauchen ein OPG.“
Patient denkt: „Mal sehen, was das jetzt wieder ist.“
Bedeutung: OPG ist die Abkürzung für ein Orthopantomogramm. Auf diesem Übersichtsröntgenbild sind alle Zähne und die Kieferhöhlen beurteilbar. Entzündungsherde, Knochenabbau und mögliche Kariesstellen sind so diagnostizierbar.
Oft kommt es vor, dass sich im Zahnzwischenraum unbemerkt Karies entwickeln kann. Das Loch bemerken Sie erst sehr viel später, wenn es wehtut. Manchmal zu spät.
Was Sie während der Behandlung ebenfalls zu hören bekommen, sind die internationalen Abkürzungen für Positionsangaben innerhalb des Mundes, mit deren Hilfe sich Zahnärzte weltweit über alle Sprachgrenzen austauschen können.
Vorne Richtung Lippen = Mesial – Nach hinten gerichtet = Distal – Zur Wange = Bukkal – Zur Zunge = Lingual
Die Oberfläche bei Backenzähnen = Okklusal
Die Schneidekante bei Frontzähnen = Inzisal
Der Raum zwischen zwei Zähnen = Approximal
Die Codierung der einzelnen Zähne erfolgt über eine zweistellige Koordinatenangabe.
Aus Sicht des Patienten:
oben
rechts 18-17-16-15-14-13-12-11 – 21-22-23-24-25-26-27-28 links
unten
rechts 48-47-46-45-44-43-42-41 – 31-32-33-34-35-36-37-38 links
LINK zur Webseite von Dr. Detlef Schulz
Weiter mit:
Kommentare
Neuen Kommentar verfassen