28. Januar 2022

Prof. Ernst-Andreas Ziegler: „Niemals geht man so ganz“

Nach 15 Jahren als Vorkämpfer, Gründer und Geschäftsführer des Wuppertaler Leuchtturm-Projekts Junior Uni hat sich Prof. Dr. h.c. Ernst-Andreas Ziegler schweren Herzens in den "Unruhestand" verabschiedet. Sein "Kind" weiss der Vater der Junior Uni bei seinen früheren Geschäftsführer-Kolleginnen Dr. Ariane Staab und Dr. Annika Spathmann in den besten Händen.

Junior Uni-Gründer Prof. Dr. Ernst-Andreas Ziegler – © Anna Schwartz/Junior Uni

Getreu dem Evergreen „Niemals geht man so ganz“ – gesungen von Schauspielerin Trude Herr (04.05.1927 – 16.03.1991), Wolfgang Niedecken (BAP) und Tommy Engel (Bläck Fööss) – bleibt Ernst-Andreas Ziegler der Junior Uni auch in Zukunft als Beiratsmitglied erhalten. Die Europa weit bewunderte außerschulische Einrichtung für Forscherinnen und Forscher im Kindesalter war für ihn immer eine Herzensangelegenheit.

In all den Jahren erledigte er den Full Time Job als Geschäftsführer ehrenamtlich für ein symbolisches Jahresgehalt von 1 Euro, verzichtete sogar komplett auf Aufwandsentschädigung und Benzingeld.

Jetzt bricht für den jung und vital gebliebenen Macher ein neuer Lebensabschnitt an. Wie sieht seine persönliche Bilanz aus? Worauf blickt er besonders gern zurück? Womit beschäftigt er sich in Zukunft? Wir haben uns darüber mit Prof. Dr. Ernst-Andreas Ziegler (83) unterhalten.

DS: Wie schwer oder wie leicht ist es Ihnen gefallen, die Verantwortung nach so vielen Jahren in der ersten Reihe jetzt in jüngere Hände abzugeben?

Dr. Ernst-Andreas Ziegler: „Ein solcher Schritt ist ein tiefer persönlicher Einschnitt. Dabei darf nicht Vordergrund stehen, was einem selbst gut tut, sondern was das Beste ist zur Existenzsicherung, Zukunftsfähigkeit und Weiterentwicklung der Junior Uni. Meine Geschäftsführer-Kolleginnen Dr. Ariane Staab und Dr. Annika Spathmann, unterstützt von unserem Prokuristen Dr. Stefan Hellhake, haben längst bewiesen, dass sie die Junior Uni alleinverantwortlich steuern und weiterentwickeln können. Diese Überzeugung hat mir meine Entscheidung erleichtert.“

Waren ein eingespieltes Team: Die Junior Uni-Geschäftsführerinnen (v.l.) Dr. Ariane Staab, Dr. Annika Spathmann und Prof. Dr. h.c. Ernst-Andreas Ziegler – © Foto: Junior Uni/Uwe Schinkel

DS: Wann ist bei Ihnen der Entschluss gereift, sich aus dem operativen Geschäft der Junior Uni zurück zu ziehen?

Dr. Ernst-Andreas Ziegler: „Eigentlich habe ich jahrelang daran gearbeitet, mich ersetzlich zu machen. Konkret: Ich hatte meinen Rückzug vor vier Jahren mit unseren Gesellschaftern sowie den weiteren Mitgliedern des Kaufmännisch-organisatorischen Beirats – unserem Aufsichtsgremium – abgestimmt. Übernehmen sollte damals meine Geschäftsführer-Kollegin Dr. Ina Krumsiek, die die Junior Uni maßgeblich mit aufgebaut hat. Doch sie erlag einem Krebsleiden – tragisch und grässlich für ihre beiden wunderbaren Kinder, ein fürchterlicher Schock auch für uns alle. Wir denken oft an sie. Also habe ich weitergemacht und meine jetzigen Nachfolgerinnen aufgebaut. Ich habe sie zur Führung ermutigt und bestärkt.“

DS: Haben die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Kontaktbeschränkungen, die sich auch massiv auf den Junior Uni-Alltag ausgewirkt haben, bei Ihrer Entscheidung irgendeine Rolle gespielt?

Dr. Ernst-Andreas Ziegler: „Nein. Ich bin noch nie vor Schwierigkeiten weggelaufen. Ich bin dankbar und stolz, wie gut die Junior Uni – Kompliment an viele – diese Pandemieprobleme bislang gemeistert hat. Den Hauptanteil daran hat die neue Geschäftsführung. Zum Beispiel durch die Digitalisierung vieler Kurse, was im grenzenlosen Internet dazu geführt hat, dass wir jetzt sogar in den USA, in Norwegen oder Österreich Studentinnen und Studenten haben. 

DS: Hand aufs Herz, haben die „jungen Pferde“ mit den Hufen gescharrt und Signale gesendet, dass sie jetzt gern die Verantwortung übernehmen würden oder haben Sie den Entschluss ganz allein im stillen Kämmerlein gefasst?

Dr. Ernst-Andreas Ziegler: „Wer bestens vorbereitet ist, will und muss zum rechten Zeitpunkt auch starten dürfen. Das ist wie bei einem Generationenwechsel in einem Unternehmen. Oder wie im Sport – in meinem Fall wie beim Marathonlauf. Gedrängt hat mich niemand. Den richtigen Moment zum Rückzug habe ich selbst bestimmt. Ich bin dankbar, dass alle Beteiligten großes Verständnis zeigten – dazu ausdrücklich auch meine Frau, die Kinder, Enkel und Freunde. Für die Familie, für mich selbst und für alles, was die Zukunft bringt, habe ich künftig viel mehr Zeit als vorher. Ich bin gespannt darauf.“

Prof. Dr. h.c. Ernst-Andreas Ziegler (2.v.l.), Gründer der Wuppertaler Junior-Uni, mit den Ehrenpräsidenten des Marketing-Clubs Bergisch Land. Vok Dams und Dieter Lübcke, sowie dem früheren Präsidenten Erich Giese (2017)
 – © Junior Uni

DS: Wie oft im Monat werden Sie denn in Zukunft noch in der Junior Uni anzutreffen sein?

Dr. Ernst-Andreas Zuegler: „Ungefragt werde ich mich nicht in die Geschäftsführung einmischen. Ich vertraue, dass vieles in meinem Sinne weitergeht, doch ich weiß und ich werde respektieren, dass manches anders entschieden wird, als ich das tun würde. Alles hat seine Zeit. Doch ich bin nicht aus der Welt. Dank meiner Wahl in den Beirat bleibe ich weiterhin Teil der Junior Uni. Das ist ein bewusstes Signal an alle Geldgeber und ideellen Unterstützer und natürlich an die gesamte Öffentlichkeit.“

DS: Kaum jemand kann sich  vorstellen, dass Sie jetzt in Ihrem zweiten Zuhause keinen eigenen Schreibtisch mehr haben werden?

Dr. Ernst-Andreas Ziegler: „Keine Sorge. Ich werde immer willkommen sein.“

DS: Persönliche Kontakte sind gerade bei der Sponsorenpflege äußerst wichtig. Damit waren Sie ja reichlich gesegnet. Was macht Sie denn so sicher, dass diese Geldquellen auch in Zukunft sprudeln?

Dr. Ernst-Andreas Ziegler: „Die nur privat finanzierte Junior Uni ist ein Gemeinschaftswerk. So etwas Einmaliges aufzubauen schafft kein Mensch allein. Nur dank grandioser Persönlichkeiten, die den Karren von Anfang an mitgezogen haben, konnte es gelingen. Deshalb bin ich zutiefst davon überzeugt, dass jeder, der Anteil am Werden und Wachsen der Junior Uni hat, sie auch künftig fördern wird. Das gilt für die jeweiligen Nachfolger in den uns finanzierenden Unternehmen und Stiftungen, das gilt für den hochengagierten Förderverein, das gilt für zahllose Einzelspenderinnen und Einzelspender.“

DS: Wie gut sehen Sie die Junior Uni für die Zukunft aufgestellt?

Dr. Ernst-Andreas Ziegler: „Bestens.“

DS: Welchen Schritt muss das von Ihnen gegründete Leuchtturm-Projekt als nächstes gehen?

Dr. Ernst-Andreas Ziegler: „Öffentliche Ratschläge gebe ich nicht. Die neue Leitung wird das entscheiden, bei großen Projekten in Abstimmung mit dem Beirat.“

DS: Sie haben sich mit der Junior Uni zu Lebzeiten selbst ein Denkmal gesetzt. Welche Gefühle überwiegen in diesem Zusammenhang bei Ihnen?

Dr. Ernst-Andreas Ziegler: „Mir ging es nie darum, mir ein Denkmal zu setzen. Ich wollte mit der Junior Uni den Menschen in Stadt und Region Mut machen, und ich wollte mit vielen anderen unbedingt beweisen, dass unser Konzept funktioniert und dass Wuppertal nach wie vor die Größe und das Potential hat, ganz neue Ideen zu entwickeln – für das gesamte Bildungssystem. Das ist uns gemeinsam gelungen. Also ist meine jetzige Gemütslage so etwas wie eine Mischung aus Dankbarbeit und neuen kreativen Zukunftserwartungen. Ich bin glücklich, dass ich mich – einschließlich der Vorbereitungszeit – 15 Jahre lang für ein Bildungsprojekt engagieren durfte, das es vorher noch nicht gegeben hat.“

DS: Also sind all ihre Erwartungen, die Sie im Vorfeld an die einmalige außerschulische Bildungseinrichtung  geknüpft haben, letztendlich Realität geworden?

Dr. Ernst-Andreas Ziegler: „Dieses Großprojekt bestätigt jeden Tag unser Credo: Kein Mensch wird dumm geboren, jeder junge Mensch kann durch Experimentieren und Forschen ohne jeden Druck spielerisches Lernen zum Hobby machen. Und so bekommt jede und jeder vorher nicht für möglich gehaltene Lebenschancen, selbst wenn er oder sie aus Familien aus dem sogenannten bildungsfernem Milieu kommt. Bessere Bildungschancen unabhängig vom Geldbeutel, dem Sozialstatus und der Herkunft der Eltern – das propagieren seit Jahrzehnten Politik und Wirtschaft. Doch wie das wirklich gehen kann, haben erst wir ganz praktisch gezeigt. Trotzdem war der letzte Schritt, also der Rückzug jetzt, der für mich allerschwerste.“ 

Die von Ernst-Andreas Ziegler gegründete Junior Uni – bunt wie ihr Bildungsangebot – Im Vordergrund die von Bildhauer Tony Cragg gestiftete Skulptur – © Achim Otto

DS: Der Erfolg hat 1.000 Väter. Mittlerweile ist die Junior Uni das Lieblingskind sämtlicher Funktionsträger in unserer schönen Stadt. Das war nicht immer so. Können Sie sich rückblickend an eine Begebenheit erinnern, die Sie richtig auf die Palme gebracht hat?

Dr. Ernst-Andreas Ziegler: „Alles Schnee von gestern. Ich finde es wunderbar, dass die gesamte Stadtgesellschaft stolz auf die Junior Uni ist. Die Junior Uni  hat sich diese Anerkennung schwer erarbeitet. Sie legt für Wuppertal und das Bergische Land international Ehre ein. Das war eine bürgerliche Großtat. Denn was wir geschafft haben, ist eigentlich staatliche Aufgabe. Solange Politik und Verwaltung das aber selbst nicht leisten, braucht es noch immer mehr weitere Junior Unis.“

DS: Mit Rentnern auf einer Parkbank sitzend kann man sich Sie gar nicht vorstellen. Haben sie schon konkrete Ideen, wie Sie demnächst Ihre zusätzliche Freizeit nutzen werden?

Dr. Ernst-Andreas Ziegler: „Keine Sorge. Langeweile werde ich nicht haben. Solange ich gesund, körperlich und geistig gefordert bin, werden mir die Ideen nicht ausgehen. Die kriege ich oft beim Laufen mit unserer Hündin Zelda. Ich liebe noch immer den Langstreckenlauf.“

DS: Sie haben ja als erfolgreicher Autor schon mehrere Bücher veröffentlicht! Aber noch keine Autobiografie. Ist da vielleicht schon etwas in Arbeit?

Dr. Ernst-Andreas Ziegler: „Nein.“

DS: Wenn Sie auf Ihre Zeit als Gründer und Geschäftsführer der Junior Uni zurückblicken, gibt es da so etwas wie ein absolutes Highlight?

Dr. Ernst Andreas Ziegler: „Die Krönung war der Besuch von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel. Die ehemals mächtigste Frau der Welt war restlos begeistert. Obwohl sie auf den Besuch gut vorbereitet und über unser Konzept bestens informiert war, übertraf das, was wir ihr zeigen durften, ihre Erwartungen bei weitem. Sie war einfach hin und weg. Und das hat sie öffentlich gesagt und mir beim Einsteigen in ihren Dienstwagen dann auch noch ein zweites Mal. Vergesse ich nie.“

DS: Vielen Dank für das offene, interessante Gespräch

Das Interview führte Peter Pionke

Der Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel am 13.05.2019 – ein echtes Highlight für die Junior Uni und auch für Prof. Ernst-Andreas Ziegler – © Junior Uni / Anna Schwartz

Vita Prof. Dr. h.c. Ernst-Andreas Ziegler

Ernst-Andreas Ziegler wurde am 28.11.1938 in Weimar geboren. Er wuchs in der Pfalz auf. Dort erlernte er zunächst den Beruf des Schriftsetzers. Anschließend machte er in der Redaktion der Pirmasenser Zeitung ein Volontariat. Er arbeitete als Redakteur und Reporter bei der Deutschen Presse-Agentur dpa und wurde schließlich stellv. Lokalchef des Wuppertaler General-Anzeigers (heute Westdeutsche Zeitung).

Anschließend baute Ernst-Andreas Ziegler bei den Wuppertaler Stadtwerken die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit auf, um dann als Chefredakteur zu einer Düsseldorfer Nachrichten-Agentur zu wechseln. Hier erreichte ihn ein Anruf des damaligen Wuppertaler Oberstadtdirektors Rolf Krumsiek. Er bot ihm 1972 die Aufgabe des Presseamtsleiters an. Ernst-Andreas Ziegler sagte zu und verantwortete 32 Jahre lang die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Wuppertal.

Von der Universität Kosice bekam er die Ehrendoktor-Würde verliehen. Die Laudatio in der slowakischen Stadt hielt damals kein Geringerer als der legendäre FDP-Politiker und Ex-Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher.

Von 1999 bis 2004 hielt Ernst-Andreas Ziegler dort als Dozent, seitdem als Honorarprofessor Vorlesungen über „Politische Kommunikation & Marketing“. Fünf Jahre lang fungierte Ernst-Andreas Ziegler als ehrenamtlicher Chefberater des slowakischen Staatspräsidenten für den deutschsprachigen Raum.Seit seinem Ausscheiden aus den Diensten der Stadt ist er beruflich bundesweit als Politik-, Kommunikations- und Unternehmensberater aktiv.

Der mehrfache Buchautor gründete 2008 mit herausragenden Wuppertaler Persönlichkeiten die rein privat finanzierte Junior Uni. Für ein symbolisches Jahresgehalt von 1 Euro leitete er die Geschicke der außerschulischen Einrichtung bis zum 31.12.2021 als Geschäftsführer. Seit dem 01.01.2022 hat er einen Platz im kaufmännisch-organisatorischen Beirat inne.

Ernst-Andreas Ziegler ist verheiratet mit einer Ärztin, hat vier Kinder und drei Enkel. Seine Hobbies: Langstreckenlauf, Lesen, Natur und Menschen. Sein Lebensmotto: Nie aufgeben!

 

 

 

 

Kommentare

  1. Hana Houštecká sagt:

    Ich kenne Andreas vor allem aus der Zeit, wo er die Stafelläufe aus Wuppertal nach Kosice organisiert hat. Er war der Motor des ganzen Vorhabens. Nie geschlafen, nie was gegessen, trotzalledem immer fit und voll bei der Sache. Einmalig. Ich stelle mir vor, er läuft jetzt mit seinem Hund und lässt sich dabei die besten Ideen für die Junior-Uni noch einfallen. Leute wie er werden nie alt.

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