14. Februar 2022Peter Pionke
KATRIN-Experiment wird immer präziser
Das „KArlsruhe TRItium Neutrino Experiment“ (KATRIN) hat nun eine wichtige Schwelle in der Neutrinophysik durchbrochen und die Masse der „Leichtgewichte des Universums“ mit bisher unerreichter Präzision eingegrenzt. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die mitwirkenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift Nature Physics: Sie konnten erstmals messen, dass Neutrinos leichter als 0,8 Elektronenvolt (eV) sind.
Am Experiment beteiligt ist auch ein Team der Bergischen Universität Wuppertal unter Leitung von Prof. Dr. Klaus Helbing.
Das internationale KATRIN-Experiment, das am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit Partnern aus sechs Ländern durchgeführt wird, gilt als die weltweit sensitivste Waage für Neutrinos. Dabei benutzen die Forschenden den Beta-Zerfall von Tritium, einem instabilen Wasserstoff-Isotop, um aus der Energieverteilung der beim Zerfall erzeugten Elektronen die Masse des Neutrinos zu bestimmen.
Dazu ist ein enormer technischer Aufwand notwendig: Das 70 Meter lange Experiment beherbergt die weltweit intensivste Quelle von Tritium sowie ein riesiges Spektrometer, mit dem sich die Energien der Zerfallselektronen mit bisher unerreichter Präzision messen lassen.
Mit den neuen Messergebnissen stößt ein direktes Neutrinomassenexperiment mithilfe einer modell-unabhängigen Labormethode erstmals in den kosmologisch und teilchenphysikalisch so wichtigen Sub-Elektronenvolt-Massenbereich vor, in dem die fundamentale Massenskala von Neutrinos vermutet wird.
„Die Neutrinomasse ist mit grundlegenden Fragen der Kosmologie, Astrophysik und Teilchenphysik verknüpft wie beispielsweise mit der Entwicklung des Universums und der Physik jenseits des Standardmodells der Elementarteilchen“, erklärt Prof. Dr. Klaus Helbing, Leiter des Forschungsteams der Bergischen Universität.
Qualität der Daten kontinuierlich gesteigert
Die hohe Qualität der ersten Daten nach der Inbetriebnahme in 2019 konnte in den vergangenen beiden Jahren kontinuierlich weiter gesteigert werden. „KATRIN als Experiment mit höchsten technologischen Anforderungen läuft nun wie ein perfektes Uhrwerk“, freut sich Prof. Dr. Guido Drexlin vom KIT, Projektleiter und einer der beiden Co-Sprecher des Experiments. Prof. Dr. Christian Weinheimer, Universität Münster und ebenfalls Co-Sprecher, ergänzt: „Entscheidend für das neue Resultat waren die Reduktion der Störsignale und die Erhöhung der Signalrate.“
Der Beitrag der Wissenschaftler der Bergischen Universität umfasst die Bereitstellung und den Betrieb von Kalibrationsinstrumenten. Im Rahmen des KATRIN-Experiments ergeben sich für die Forschenden dabei aufgrund äußerer Einflüsse einzigartige Herausforderungen bei der Entwicklung dieser Hardware.
Dennoch bleibt die Messgenauigkeit auf ein Promille genau, sodass kleinste Unstimmigkeiten im Betrieb des Experiments gefunden werden können.
Noch präziser dank Terahertz-Strahlung
Derzeit beschäftigt sich die Wuppertaler Forschungsgruppe besonders intensiv mit der Reduzierung von unerwünschten Störsignalen, die durch hoch angeregte Atome entstehen. Diese sollen mit Terahertz-Strahlung unschädlich gemacht werden. „Dies ist eine ganz neue Technik, die wir derzeit intensiv zusammen mit Terahertz-Experten untersuchen. Haben wir Erfolg, kann das volle Potenzial von KATRIN ausgeschöpft werden“, erläutert Dr. Enrico Ellinger, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Bergischen Universität.
Mit Freude und Spannung erwarten die Wuppertaler Wissenschaftler eine weitere deutliche Verbesserung der Sensitivität bei der Messung der Neutrino-Masse und der Suche nach neuen physikalischen Phänomenen jenseits bisheriger physikalischer Modelle.
Im Rahmen des KATRIN-Experiments wird die Bergische Universität Wuppertal seit vielen Jahren vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
Link zum Nature Physics-Artikel: http://dx.doi.org/10.1038/s41567-021-01463-1
Eine separate Veröffentlichung zur Arbeit der Wuppertaler Wissenschaftler erscheint zudem demnächst im Fachjournal JINST. Link zum Paper: https://arxiv.org/abs/2101.11495
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