20. Februar 2022Peter Pionke
Dr. Becker-Klinik Juliana: Therapie für Körper und Seele
Die Dr.-Becker-Klinik liegt einen Putt vom Golf-Club Felderbach entfernt an der Strasse Mollenkotten und hat ihre Heimat im Gebäudekomplex des ehemaligen Hotels Juliana. Vieles erinnert hier noch an einen Hotelbetrieb in einem Vier-Sterne-Haus.
Anders als in anderen Kliniken trifft der Besucher hier im Foyer aber nicht auf Patienten, die mit einem Gipsbein im Rollstühlen sitzen oder die Infusionsflaschen in einem fahrbaren Ständer vor sich herschieben.
Das liegt daran, dass in der Dr.-Becker-Klinik Juliana Patientinnen und Patienten behandelt werden, die an auf den ersten Blick unsichtbaren, psychischen und psychosomatischen Krankheiten leiden – an Depressionen, am Burn out-Syndrom oder an Schlaflosigkeit.
Wir haben uns mit Klinik-Direktorin Katharina von Maltzahn über die Alleinstellungsmerkmale der Einrichtung unterhalten, die im Grünen vor der Haustür Wuppertals liegt.
DS: Reha in Wuppertal – haben Sie da nicht schon manches ungläubiges Kopfschütteln geerntet, weil Wuppertal als Stadt und Standort nicht das beste Image hat?
Katharina von Maltzahn: „Sie haben Recht! Die meisten Menschen denken bei der Reha noch immer an die „klassische Kur“, wie man sie in den 1990er Jahren verordnet bekam. Dabei ist Reha viel mehr als eine Kur. Und bei einer Kur denken die Menschen wiederum an eine schöne Landschaft: sinnbildlich an den Schwarzwald oder das Meer. Damit können wir hier natürlich nicht dienen. Aber auch das Bergische Land ist reizvoll und Wuppertal bietet viele schöne Ecken. Und am Ende ist eine Rehamaßnahme kein Urlaub, sondern harte Arbeit mit und an sich selbst.“
DS: Was macht den besonderen Reiz der Klinik aus, die direkt neben einem Golfplatz liegt?
Katharina von Maltzahn: „Das besondere an der Juliana ist die Nähe zur Stadt und doch die ruhige Lage. Wir liegen an der Grenze zwischen Nordrhein und Westfalen – im Übrigen nur einen kurzen Fußmarsch zum Tunnel Schee auf der bekannten Nordbahntrasse entfernt – und sind so sowohl mit den öffentlichen Verkehrsmitteln mit dem Wuppertaler ICE-Bahnhof gut erreichbar als auch am Waldrand und in Golfplatznähe für Spaziergänge mit einer ruhigen Umgebung gesegnet.“
DS: Welches klar definierte Einzugsgebiet gibt es für Ihre Klinik?
Katharina von Maltzahn: „Unsere Rehabilitanden reisen bundesweit an. Besonders bei psychischen Erkrankungen suchen viele Patientinnen ud Patienten den Abstand zur heimischen Umgebung. Sowohl im sozialen als auch geografischen Sinne. Der Großteil unserer Rehabilitanden kommt jedoch aus NRW.“
DS: Wie hoch ist Ihre Klinik-Auslastung?
Katharina von Maltzahn: „Psychische Erkrankungen sind, besonders während der Corona-Pandemie aktuell und bedeutsam wie nie. Anfangs haben wir einige Prozesse umstrukturieren müssen und als wissenschaftlich noch weniger klar war, wie und wo genau man sich anstecken kann, haben wir unsere Belegung zum Schutz von Patientinnen und Patienten und Mitarbeitenden reduziert. Inzwischen wissen wir aber genug, um mit gezielten Hygienemaßnahmen gegensteuern zu können und unsere reguläre Auslastung zu halten. Wir haben 120 Betten und sind aufgrund der längerfristigen Planbarkeit der Reha-Maßnahme (Antragsstellung mit Einladung anstatt einer ad-hoc Einweisung wie im Akutkrankenhaus sei Dank) in der Regel bis auf wenige Betten komplett ausgelastet.“
DS: Wie sehen Sie die Tendenz für die Zukunft: Wird die Zahl der Patientinnen und Patienten sinken oder steigen?
Katharina von Maltzahn: „Baulich können wir nur unsere maximal 120 Patientinnen und Patienten versorgen ohne auf den Standard von Dr. Becker verzichten zu müssen. Das heißt: Einzelzimmer für jeden Rehabilitanden und ein eigenes Bad en suite sowie zahlreiche Aufenthaltsbereiche an unterschiedlichen Stellen der Klinik. Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass der Bedarf psychosomatischer Rehabilitation und Prävention sich in den kommenden Jahren steigern wird. Gleichzeitig wird natürlich auch das Angebot von Rehabilitationsleistungen sich verändern. Doch eins ist für uns gewiss: Besonders die Psychotherapie lebt von der persönlichen Interaktion und den kleinen Nuancen in Mimik und Gestik, rein digital kann ein solches Angebot nicht am Heimatort abgebildet werden.“
DS: Mediziner welcher Fachrichtungen sind in Ihrer Klinik vertreten?
Katharina von Maltzahn: „In der Dr. Becker Klinik Juliana sind sowohl Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie als auch Fachärzte für Psychosomatik und Psychotherapie angestellt. Darüber hinaus decken wir ein allgemeinmedizinisches Spektrum ab, welches außerhalb des psychotherapeutischen Bedarfes die Patientenversorgung umfasst.“
DS: Sie behandeln im weitesten Sinne Krankheiten der Seele – welche besonderen Voraussetzungen müssen da erfüllt werden?
Katharina von Maltzahn: „Im therapeutischen Kontext müssen unsere Mitarbeitenden natürlich eine besondere Empathie mitbringen und auch ein Verständnis für die Belange der Patientinnen und Patietne und deren besonderen und sehr individuellen Lebenssituationen. Aber das ist, denke ich, in jedem Dienstleistungsgewerbe so. Die Rehabilitanden kommen zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten zu uns. Einige haben bereits therapeutische Vorerfahrungen und einen jahrelangen Leidensdruck. Andere sind „frisch“ mit einer Situation in ihrem Leben konfrontiert, mit der sie alleine nicht umgehen können. Daher ist diese Frage schwer zu beantworten.“
DS: Was sind das für Menschen, die zu Ihnen kommen?
Katharina von Maltzahn: „Unsere Rehabilitanden sind Menschen wie Sie und Ich. In der Regel haben diese etwas erlebt, womit sie psychisch nicht zurechtkommen. Das kann die plötzliche und unerwartete Trennung von einem langjährigen Partner sein oder der Verlust eines nahen Angehörigen. Aber auch und oftmals berufliche Problemlagen wie Mobbing oder Burn-Out strapazieren die Psyche unserer Patienten so, dass diese sich Hilfe suchen. Einen „typischen“ Otto-Normalpatienten können wir nicht definieren.“
DS: Wie ist das Verhältnis Frauen – Männer bei der Anzahl der Patientinnen und Patienten?
Katharina von Maltzahn: „Das Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Rehabilitanden liegt bei ca. 1:2 zugunsten des weiblichen Geschlechts. Allerdings liegt dies keineswegs daran, dass Frauen häufiger psychische Probleme als Männer haben. Sie suchen sich statistisch gesehen nur früher und umfänglicher Hilfe.“
DS: Männer sind ja bekanntlich Vorsorge-Muffel und stecken aus Angst vor der möglicherweise unangenehmen Wahrheit gern den Kopf in den Sand. Machen Sie diese Erfahrung in Ihrer Klinik auch?
Katharina von Maltzahn: „Ja, diese Erfahrung machen wir bei uns auch. Die Rehabilitation ist klassischerweise natürlich keine Vorsorgeleistung, aber grundsätzlich kämpfen wir gesellschaftlich auch weiterhin mit einer Stigmatisierung psychischer Erkrankungen. Besonders das „starke Geschlecht“ tut sich oftmals schwer damit, sich Schwäche einzugestehen und offen um Hilfe zu bitten.“
DS: Wie groß ist die Gefahr, dass psychisch erkrankte Menschen viel zu spät den Weg zu Ihnen finden?
Katharina von Maltzahn: „Diese Frage ist schwer bis gar nicht zu beantworten. Als Rehabilitationseinrichtung sehen wir natürlich diejenigen nicht, die so schwer depressiv sind, dass sie in einer Akuteinrichtung behandelt werden müssen. Grundsätzlich hadern viele Personen mit psychischen Beeinträchtigungen aufgrund der gesellschaftlichen Stigmatisierung, auch wenn diese in den letzten Jahren abgenommen hat. Oftmals kommen Patienten zu uns, die bereits eine Chronifizierung der Erkrankung erleben und besser früher gekommen wären. Je später ein Patient den Weg zu uns in die Reha findet, desto steiniger wird der Weg zurück in den Alltag und oftmals auch in den Beruf, da unsere Patienten teilweise bereits lange berufliche Ausfallzeiten hatten, bevor sie zu uns kamen.“
DS: Welche Rolle spielt es, wie die Patienten krankenversichert sind?
Katharina von Maltzahn: „In der Regel kommen Patienten zu uns, die noch erwerbsfähig sind. Dann ist die Rentenversicherung der Leistungsträger, sofern sie gesetzlich krankenversichert sind. Wir bieten aber auch Rehabilitationsleistungen für bereits berentete Personen an, dann zahlt die gesetzliche Krankenversicherung. Aber auch Privatversicherte oder Beamte können bei uns in der Regel auf Kosten Ihrer Versicherung behandelt werden.“
DS: Wie schwer tun sich die Krankenkassen, die Kosten von Therapien gegen Burnout, Depressionen oder Schlafstörungen etc. zu übernehmen?
Katharina von Maltzahn: „Die Kostenübernahme ist in der Regel nicht das Problem. Psychische Erkrankungen sind anerkannte Diagnosen mit einer internationalen Klassifikation. Viel schwieriger als die Kostenübernahme ist es, einen Behandlungsplatz zu finden, auf den der Patient nicht erst monatelang warten muss.“
DS: Eine Therapie in Ihrem Hause dauert fünf Wochen. Wie hoch ist Ihre Erfolgsquote?
Katharina von Maltzahn: „Erfolg ist in diesem Zusammenhang ein schwer zu definierender Begriff. Unsere Chefärztin verspricht allen Patientinnen und Patienten zu Beginn der Maßnahme, dass sie gebessert nach Hause gehen werden, sofern sie sich auf die Maßnahme und unsere Ansätze einlassen. Das ist das A und O bei einer therapeutischen Maßnahme: Bereit zu sein, sich mit sich selbst und seinen Themen auseinandersetzen zu wollen und sich zu öffnen und den therapeutischen Ansätzen „eine Chance“ zu geben, die wir den Patienten bieten. Erfolg, besonders im psychischen Kontext zu messen, ist sehr subjektiv.“
DS: Am Ende von Reha-Therapien in neurologischen, kardiologische oder orthopädischen Reha-Kliniken stehen oft messbare oder offensichtliche Erfolge, mit welchen Ergebnissen werden Ihre Patienten in der Regel entlassen?
Katharina von Maltzahn: „Unsere Rehabilitanden werden immer mit einer Perspektive entlassen, das ist besonders in der Psychosomatik in meinen Augen bereits ein großer Zugewinn. Das Konzept der Rehabilitation umfasst „Hilfe zur Selbsthilfe“, das heißt, dass wir den Patienten bildlich gesprochen die Werkzeuge mit an die Hand geben. Wie viel sie davon im Alltag in der Häuslichkeit nutzen, liegt jeweils am Einzelnen.“
DS: Wie der Erfolg einer Therapie in Ihrem Bereich überhaupt messbar?
Katharina von Maltzahn: „Es gibt wissenschaftliche Testungen, die die Veränderung des Gesundheitszustands abbilden. Es hängt aber natürlich auch viel von der persönlichen Erwartung(shaltung) und der Langfristigkeit, quasi der Nutzung des o.g. Werkzeugkoffers ab.“
DS: Patientinnen und Patienten müssen sich bei Ihnen öffnen, vieles von dem preisgeben, was sich im Innersten abspielt. Dadurch dürfte die Bindung Ärztin-Arzt-Patient enger und intensiver sein, als zum Zahnarzt, HNO-Arzt oder Orthopäden. Hat das Auswirkungen auf eine mögliche Nachbehandlung?
Katharina von Maltzahn: „Nein. Grundsätzlich ist die Rehabilitation nicht darauf ausgelegt, eine Alltagsstruktur für den Patienten zu schaffen, in der er sich dauerhaft bewegt, sondern eher, den Rahmen für die Nachbehandlung zu stecken. Besonders, da wir ein bundesweites Einzugsgebiet haben, wäre dies rein geografisch nicht möglich. Wir bieten ein Nachsorgeprogramm in Form einer wöchentlichen Gruppentherapie an, welches Patientinnen und Patienten, die in der Nähe wohnen, gerne annehmen. Darin sind dann aber auch oftmals Patienten, die ihre Reha an einem anderen Ort absolviert haben. Wir versuchen, den Patienten ein stabiles Fundament zu bieten, welches, ähnlich wie die Verschalung bei einer Bodenplatte, auch stabil steht, nachdem die Verschalung weggenommen wurde – dafür muss aber der Beton natürlich ausgetrocknet sein. Das ist dann idealerweise das Ende der Reha. Am Heimatort sind die Patienten in der Regel bereits psychotherapeutisch eingebunden. Und wenn nicht, dann hat ihnen die Maßnahme bei uns zumindest gezeigt, dass die Hürde, sich persönlich zu öffnen, der schwerste Schritt ist.“
DS: Was war für Sie persönlich das beeindruckendste Erlebnis in Ihrer Zeit als Verwaltungsdirektorin der Dr. Becker-Klinik Juliana?
Katharina von Maltzahn: „Das definitiv schönste Gefühl war es, nachdem wir zu Beginn der Pandemie den Rehabetrieb für einen knappen Monat eingestellt hatten und uns als Ersatzkrankenhaus für Kurzzeitpflege mit sehr umfassender Detailplanung bereits mit der WTG-Behörde abgestimmt hatten, wieder „unsere“ Patienten begrüßen zu dürfen. In so einer Klinik ist immer etwas los und dieser Monat ohne Patienten ist etwas gewesen, das ich vorher auch noch nie erlebt hatte.“
DS: Vielen Dank für das sehr offene, informative Gespräch
Das Interview führte Peter Pionke
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