14. Juni 2022

Nach Schicksalsschlag: Krystynas Start in ein neues Leben

Ihr Schicksal hat viele Menschen in Wuppertal tief bewegt. Die Ukrainerin Krystyna Volobuiera, ihr Ehemann Sergey (41) und Tochter Elina (14) waren im Februar mit Kater Stiven Kotlinger im Gepäck in ihren weißen Geländewagen aus dem von Putins Krieg zerstörten und brennenden Hafenstadt Mariupol geflüchtet. Sie wollten nur eines: Weg vom Bomben-Terror, von Tod und Verwüstung.

Krystyna Volobuiera mit Kater Stiven – © Paul Coon

Die kleine Familie machte in einem Vorort von Mariupol Zwischenstation bei Freunden, in deren Haus es einen Luftschutzkeller gab. Ein Hauch von Sicherheit. Doch der Schein trog.

Beim Versuch, anderen Flüchtlingen zu helfen, wurde Sergey von einem Raketentrümmer getroffen und starb vor den Augen seiner verzweifelten Ehefrau. Da es zu gefährlich war, Sergey an Ort und Stelle zu beerdigen, sie aber ihren geliebten Ehemann nicht einfach zurücklassen wollte, wickelte sie seinen Leichnam mit Hilfe von Freunden in Plastikfolie ein.

Am nächsten Morgen ging die Flucht weiter, mit dem toten Sergey im Kofferaum. Vorbei an brennenden Häusern, an Toten, die auf den Strassen lagen. Welch eine psychische Belastung für die tapfere Krystyna und ihre Tochter Elina.

Krystyna Volobuiera vor fünf Wochen- © Paul Coon

Unterwegs Richtung Jalta fanden sie in einem kleinen Ort einen Pfarrer, der Sergey auf dem Dorffriedhof würdevoll bestattete. Ihre große Hoffnung: Irgendwann möchte Krystyna das Grab ihres Mannes besuchen können. 

Ihre Flucht ging weiter. An 18 russischen Checkpoints wurde Krystyna anhalten. Immer in Angst, angriffen zu werden oder das Auto zu verlieren, ohne das eine Flucht unmöglich gewesen wäre. 

Ihr Handy versteckte sie vor jedem Kontrollpunkt der russischen Armee. Auf dem Smartphone waren die Fotos von brennenden Häuserfluchten in Mariupol, von ihrem getöteten Mann, von dessen Beerdigung und von toten Zivilisten am Straßenrand abgespeichert. Fotos, die später einmal als Beweise dienen könnten. Fotos, als einzige Erinnerung an ihr altes Leben vor dem Krieg.


Sergey Volobuier war ein lebensbejahender, sympathischer Mann – © privat

Mutter und Tochter erlebten mit, wie andere Autos von bis an die Zähne bewaffneten russischen Soldaten durchsucht und geplündert wurden.

Fast wie durch ein Wunder kamen Krystyna und Elina unbehelligt davon und landeten nach einer wahren Odyssee zunächst in Warschau (Polen) und schließlich in Wuppertal.  Im Internet war die Ukrainerin auf die Webseite der  Initiative „Stand With UA“ gestoßen, die u.a. von Yewgen Besedin, seiner Frau Iryna und anderen Unterstützern der Ukraine gegründeten Initiative „Stand With UA“ gegründet wurde.

Vor fünf Wochen sass ich Krystyna zum ersten Mal gegenüber. Ich sah in das kreidebleiche Gesicht einer völlig verzweifelten Frau, der das Schicksal so grausam mitgespielt hatte. Es war Herz zerreißend. Krystyna wohnte mit ihrer Tochter Elina und Kater Stiven in einer Flüchtlingsunterkunft. 

Die letzte Ruhestätte von Sergey Volobuier – © privat

Sie zeigte mir Fotos auf ihrem Handy. Sckockierende Dokumente eines grausamen, sinnlosen Krieges. Immer wieder liefen bittere Tränen ihre Wangen herunter. Ich war bewegt, ich war erschüttert. Sie zeigte mir auch Fotos aus guten Zeiten, von ihrem Mann Sergey auf dem Motorrad oder im gemeinsamen Urlaub.

Erinnnerungen, die ihr keiner nehmen kann. Ansonsten hat sie alles verloren. Nur dem mit den Sachen die sie am Körper trug, war sie in Wuppertal angekommen. Krystyna war verzweifelt, aber nicht mutlos. Sie wollte kämpfen und sich und ihrer Tochter in Wuppertal ein neues Leben aufbauen.

Jetzt sitze ich Krystyna wieder gegenüber, an einer liebevoll gedeckten Kaffertafel in einer urgemütlichen kleinen Wohnung in Wichlinghausen. Auf dem Tisch steht köstlicher, selbstgebackener Kuchen. 

Gemütliche Kaffee-Runde: (v.l.) Krystyna Volobuiera, Erik Einar Larsen, Silvia Larsen, Arkadiy Zak und Svitlana Zak – © Paul Coon

Die Fototapete an der Wand, die einen wunderschönen Nordseestrand zeigt, sorgt für einen Hauch von Urlaubsatmosphäre. Krystyna liebt dieses Motiv. Es erinnert sie an die Hafenstadt Mariupol, in der sie mit ihrer Familie bis zum Einmarsch von Putins Truppen glücklich und zufrieden gelebt hat.

Doch der größte Unterschied zu meinem ersten Treffen mit der leidgeprüften, sympathischen Ukrainerin, ist ihr Gesicht. Krystyna lächelt, ihre Augen strahlen. In den letzten Wochen ist viel passiert, was ihr neuen Lebensmut gegeben hat.

Auch Tochter Elina ist bestens gelaunt, chattet mit Freundinnen und Freunden, die sie auf dem Gymnasium in Wuppertal kennen gelernt hat.

Und auch Kater Stiven, der es sich auf Krystynas Schoss gemütlich gemacht hat, sieht man förmlich an, dass er sich pudelwohl fühlt. 

Krystyna in ihrer hellen, freundlichen Küche – © Paul Coon

Dass es Krystyna trotz der Trauer um ihren Ehemann Sergey wieder viel besser geht, liegt massgeblich an den Menschen, die mit am Tisch sitzen. Da sind Silvia und Erik Einar Larsen, ihre Vermieter.

Sie hatten durch den Artikel in der STADTZEITUNG von Krystynas traurigem Schicksal erfahren und halfen prompt. „Wir hatten zum Glück gerade eine Wohnung frei. Es gab jede Menge Bewerbungen. Doch wir wollten sie derjenigen oder demjenigen geben, der sie am meisten braucht. Als wir dann Krystyna und Elina persönlich kennen lernten, war für uns die Sache sofort klar: Sie bekommen die Wohnung“, erklärte Silvia Larsen, eine gelernte Buchhalterin.

Ihr Ehemann, von Beruf Organist, nickt beifällig. Und natürlich war auch Kater Stiven herzlich willkommen. Die Larsens, die mit in dem schmucken Mehrfamilienhaus wohnen, haben selbst eine Katze. Beide stahlen eine unglaubliche Herzlichkeit aus. Krystyna weiss das dankbar zu schätzen.

Mit am Tisch sitzen auch Svitlana und Arkadiy Zak. Die beiden gebürtigen Ukrainer leben seit 1999 in Wuppertal. Er ist IT-Techniker, sie Krankenschwester. In ihrer Freizeit kümmern sie sich um Krystyna und andere Flüchtlinge aus ihrer ehemaligen Heimat. 

Auf Krystynas Balkon. (vl.) Arkadiy Zak, Svitlana Zak, Krystyna, Silvia Larsen und Erik Einar Larsen – © Paul Coon

Sie verleihen der Neu-Wuppertalerin als Dolmetscher eine Stimme – zum Beispiel bei Behördengängen. Krystyna spricht noch kein Deutsch. Doch sie brennt darauf, die Sprache so schnell wie möglich zu lernen. Schon vor Wochen hat sie sich für einen Deutschkurs angemeldet. Anfang Juli geht es endlich los. Sie kann es kaum erwarten.

Denn Krystyna würde am liebsten wieder in ihrem erlernten Beruf als Buchhalterin arbeiten, hofft in dem Bereich auf einen Job, sobald sie die deutsche Sprache erlernt hat. 

Tochter Elina spricht und versteht schon reinige Brocken Deutsch und hat auf dem Gymnasium auch schon einige Freundinnen und Freunde gefunden. 

„Krystyna ist durch viele tiefe Täler gegangen und wird auch noch einige Zeit brauchen, um das Trauma des Krieges und den Verlust ihres Mannes zu verarbeiten. Aber sie ist auf einem guten Weg“, sagt Arkadiy Zak.

Und wir – die STADTZEITUNG – werden sie und ihre Tochter auch diesem Weg begleiten. 

Text Peter Pionke

 

Krystyna fühlt sich in ihrem neuen Zuhause sichtlich wohl – © Paul Coon

Über „Stand With UA“

Die Initiative „Stand With UA“ wurde u.a. von den gebürtigen Ukrainern Yevgen Besedin, seiner Ehefrau Iryna Grussu, Oleg Punov sowie der Wuppertaler Ex-Stadtverordneten Rosemarie Gundelbacher und dem Bundestagsabgeordneten Helge Lindh gegründet. 

Aktuell notwendige Spenden:

Körperschutz

Volontären, Zivilisten und der Ukrainischen Armee fehlt es aktuell an neuen Schusswesten und weiterer Ausrüstung, wie z.B. Wärmebildkameras und Walkie Talkies. Diese können wir noch besorgen und kaufen sie in größeren Mengen ein.

Medizin

Der Mangel an unterschiedlichen Medikamenten ist sehr hoch. Von ganz einfachen Tabletten gegen Erkältung bis hin zu Morphium oder spezielle Präparate für Epileptiker. Der Bedarf ist aktuell sehr groß und wird durch NGOs sowie private Initiativen gedeckt, allerdings nicht ausreichend.

Viele Frauen und Kinder sind vor Putins Krieg aus der Ukraine geflüchtet – © Pixabay

Lebensmittel

Haltbare Lebensmittel, Nudeln, Konserven etc.

Alle Spenden können den Mitgliedern von „Stand with UA“ persönlich in ihren beiden Lagern übergeben werden:

Jagenbergstr. 07 – 41468 Neuss

oder

Brandströmster. 18 – 42289 Wuppertal

Die Helfer von „Stand with UA“ sind täglich von 10 20 Uhr persönlich vor Ort erreichbar. Wer telefonisch kontakt zu Ihnen auf aufnehmen möchte, kann das unter Telefon +4915202712030 tun.

Hier können Sie Geld spenden

Bankverbindung für Privatspenden

Stand With UA

Sparkasse Hagen-Herdecke

IBAN: DE83 4505 0001 1000 3420 15

 

Bankverbindung für Firmenspenden

CVJM Rheydt-Mitte

Stadtsparkasse Mönchengladbach

IBAN: DE70 3105 0000 0000 1082 66

Verwendungszweck: Stand With UA

 

Link zur Webseite von „Stand with UA“

http://www.standwithua.de

 

Link zum Artikel: „PUTINS KRIEG HAT IHR GROSSES GLÜCK ZERTRÜMMERT“

https://www.die-stadtzeitung.de/index.php/2022/05/06/putins-krieg-hat-krystynas-grosses-glueck-zertruemmert/

 

 

 

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