25. Juli 2022Peter Pionke
Jan Peifer & Co. geben gequälten Tieren eine Stimme
Um das große Tierleid und die teilweise unvorstellbaren Quälereien zu dokumentieren und Misstände in der industriellen Massentierhaltung und in der Pelzzucht aufzudecken, überschreiten die hauptamtlichen Tierschützer und ihre ehrenamtlichen Helfer auch hin und wieder ganz bewusst für die Tiere Grenzen.
Jan Peifer: „Wir lassen uns von niemanden mundtot machen, auch nicht von der Fleischindustrie. Kein Tier geht freiwillig in einen Schlachthof, Tiere wollen leben!“
Oft gehen Jan Peifer und seine Leute auch anonymen Hinweisen oder Tipps von Insidern nach. Doe riesigen Tierfabriken liegen nun nicht für jeden sichtbar im Industriegebiet einer Stadt, sondern verborgen hinter Wäldern oder weit ab von Wohngebieten. Warum wohl? Niemand soll mitbekommen, was wirklich hinter den Mauern derTierfabriken passiert.
Jetzt gerade erst berichteten u.a. das Nachrichten-Magazin „Focus“ über brutale Quälereien in einem deutschen Kaninchenzuchtbetrieb, die vom Deutschen Tierschutzbüro e.V. aufgedeckt wurden.
Wir haben uns mit Jan Peifer über die Arbeit und die Ziele seiner 2013 in Sankt Augustin gegründeten Tierrechtsorganisation unterhalten, die jetzt auch Büro in Berlin unterhält.
DS: Sie und Ihre Organisation prangern seit Jahren Missstände und Skandale in Saschen Tierschutz an. Was treibt Sie an?
Jan Peifer: „Ich möchte etwas verändern und den Tieren zu ihrem Recht verhelfen. Für mich ist es sehr schwer zu ertragen, dass Millionen von Tieren in Deutschland misshandelt und gequält werden. Mit meinen Aktivitäten möchte ich für Gerechtigkeit sorgen, zumindest ein Stückweit.“
DS: Wie viele Mitglieder hat Ihre Organsisation?
Jan Peifer: „Das Deutsche Tierschutzbüro hat rund 1.400 Mitglieder, wir sind bundesweit tätig und freuen uns natürlich über jede Form der Unterstützung, sei es Finanziell oder durch andere Dinge. Weitere Informationen auf unserer Website www.tierschutzbuero.de“
DS: In welchen Bereich setzen Sie die Schwerpunkte Ihres Engagments?
Jan Peifer: „Wir sind ein sehr kleiner Verein, daher können wir uns leider nicht um alle Tierschutz-Themen kümmern. Der Schwerpunkt liegt daher in den Bereichen Massentierhaltung und Pelztierzucht. Dort sehen wir sehr großen Handlungsbedarf.“
DS: Es gibt in Deutschland zahlreiche Tierschutzorganisationen. Worin unterscheiden sich diese und würde eine Bündelung der Kräfte am Ende nicht effizienter sein und den Tierschutz insgesamt stärken?
Jan Peifer: „Wir unterscheiden uns von anderen Organisationen darin, dass wir primär Bildmaterial aus undercover Recherchen veröffentlichen und Kampagnen durchführen. Dabei kooperieren wir gerne mit anderen Tierrechtsorganisationen.“
DS: Das kostet natürlich alles Geld. Wie finanzieren Sie sich?
Jan Peifer: „Wir finanzieren uns ausschließlich durch Spenden, Gelder vom Staat bekommen wir nicht und möchten wir auch nicht bekommen, damit wir unabhängig bleiben können. Wir sind besonders stolz darauf, dass wir eine sehr schlanke Verwaltung haben. Dafür wurden wir sogar Anfang des Jahres von Stiftung Warentest gelobt. Nur 8 Prozent der Einnahmen werden für Verwaltung / Werbung verwendet, das traf bei einer Untersuchung von Stiftung Warentest nur bei zwei anderen Tierschutzorganisationen zu. Die meisten Organisationen geben 25 – 45 Prozent für Verwaltung & co. aus.“
DS: Wie ist Ihre Herangehensweise, verfolgen Sie Hinweise aus der Bevökerung oder stellen Sie auch von sich aus Nachforschungen bei den üblichen Verdächtigen an: Schweine-, Rinder-, Schaf-, Geflügelzucht- und Pelztier-Fabriken?
Jan Peifer: „In den meisten Fällen wird uns Bildmaterial aus Mastanlagen und Schlachthäusern zugespielt. Wir bekommen auch Hinweise und versuchen diesen nachzugehen. Das Ganze ist oft nicht so leicht, weil die Tierquälereien hinter hohen Mauern passieren. Die meisten Betrieben befinden sich auch gut versteckt im Wald, denn niemand soll sehen, was darin passiert. Genau dies wollen wir den Menschen aber sichtbar machen.“
DS: Wie verarbeiten Sie und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter die zum Teil blutigen, furchtbaren Bilder, die Sie mit eigenen Augen ansehen müssen?
Jan Peifer: „Das ist in der Tat nicht so einfach und vielen geht es damit sehr schlecht. Ich hab mittlerweile ein dickes Fell entwickelt, mich schockt nicht mehr so viel. Ich glaube, diesen Punkt muss man allein schon aus Selbstschutz auch erreichen, sonst würde man regelrecht daran zerbrechen.“
DS: Bei Ihrer Arbeit für die gute Sache wandeln Sie zwangsläufig immer am Rande der Legalität. Glauben Sie, dass der Staat und die Behörden die Rechte der Täter und Tierquäler zu sehr schützen?
Jan Peifer: „Ich glaube, dass es einen gewissen Schutz gibt, dies ist aber dem geschuldet, dass es offenbar nicht gewollt ist, dass Tierquälerei in Mastanlagen und Schlachthöfen bestraft wird. Es gibt kaum Ermittlungen der Staatsanwaltschaften und noch viel weniger werden vor Gericht gestellt. In den letzten 20 Jahren kam es vielleicht zu 5 bis 8 Verurteilungen, in fast allen Fällen kam es zu Geldstrafen. Dass in Deutschland eine Person wegen Tierquälerei von „Nutz“tieren ins Gefängnis muss, passiert letztlich nicht.“
DS: Gab es schon den Punkt, an dem Sie, weil Sie erkannt haben, dass Sie in dem einen oder anderen Fall von schwerer Tierquälerei wenig bis gar nichts ausrichten konnten, die Brocken am liebsten hingeworfen hätten?
Jan Peifer: „Eigentlich nicht. Wir haben zwar meist nicht den Erfolg, dass eine Mastanlage oder Schlachthof schließt oder das die Täterinnen und Täter ins Gefängnis kommen, aber wir sehen es schon als Erfolg an, wenn die Öffentlichkeit in Form von Medienberichten von der Tierqual mitbekommen. Das ist schließlich auch unser Ziel, wir möchten Menschen zeigen, wie es wirklich in den Zucht- und Mastanlagen zugeht und dass jeder etwas dagegen unternehmen kann, in dem er die Produkte nicht mehr kauft und sich pflanzlich ernährt.“
DS: Viele Tierschützer vertreten ganz klar die Meinung, dass im Prinzip nur Veganer echte Tierfreunde sein können. Aber werden diejenigen, die zwar nicht ganz auf Fleisch verzichten wollen, aber mit voller Überzeugung dafür eintreten, dass die Tiere artgerecht gehalten und mit Respekt behandelt werden, dadurch nicht zu sehr ausgegrenzt, statt deren Wähler-Stimmen dafür zu nutzen, das Tierschutzgesetz eines Tages nachhaltig zu verbessern?
Jan Peifer: „Natürlich wird niemand zum veganer geboren (ich auch nicht) und es braucht einige Schritte bis dahin, die ersten Schritte sind Sie bereits gegangen und wenn alle so umsichtig wären, dann hätten wir sicherlich viele Probleme nicht. In Interviews beschreibe ich das maximal Ziel, zwischenschritte sind wichtig und notwendig und wenn jemand bei einem Zwischenschritt steckend bleibt, dann ist das auf jeden Fall mehr als die meisten jemals machen würden.“
DS: Wie hat sich der Tierschutz in den letzten Jahren aus Ihrer Sicht in Deutschland entwickelt?
Jan Peifer: „In den Bereichen Massentierhaltung und alles was damit zu tun hat, hat sich leider überhaupt nichts verändert oder verbessert. In der Pelztierzucht ist es zumindest so, dass vor ein paar Jahren die letzte Pelzfarm in Deutschland geschlossen hat. Dies übrigens aber nicht etwa, weil es ein gesetzliches Verbot gibt, sondern weil es nicht mehr wirtschaftlich ist. Pelztierzucht im Ausland ist einfach billiger.“
DS: Wo sehen Sie die größten Errungenschaften und Erfolge der deutschen Tierschützer?
Jan Peifer: „Puh, das ist schwer. Gesetzlich gibt’s da leider keine richtigen Erfolge zu verzeichnen. Ich denke, dass wir niemals aufgeben und die Akzeptanz in der Bevölkerung immer größer wird für Tierschutz, Tierrechte und die vegane Lebensweise.“
DS: Welcher Staat hat nach Ihrer Einschätzung das beste Tierschutzgesetz?
Jan Peifer: „Das ist schwer zu sagen, denn es gibt Länder, wo es gute Vorgaben gibt, aber nicht in allen Bereichen. So ist in manchen Bundesstatten von Amerika verboten, Pelz zu verkaufen und damit Handel zu treiben. In der Schweiz ist z.B. die Haltung von Kaninchen in Käfigen verboten und in den Niederlanden die Haltung von Pelztieren. Ein Mix aus allem wäre für Deutschland wünschenswert.“
DS: In mehreren Ländern ist das Schächten von Tieren ausnahmslos verboten. In Deutschland leider nicht – obwohl viele Experten das Schächten als absolute Tierquälerei einstufen. Tierquälerei aus Gründen der Religionsfreiheit – macht Sie das nicht fassungslos und wütend?
Jan Peifer: „Das macht mich vor allem sehr traurig. Auch wir machen immer wieder auf diese Tierquälerei aufmerksam und ich kann persönlich nicht nachvollziehen, dass hier der Staat nicht richtig durchgreift. Leider greift der Staat auch bei vielen anderen Tierschutzthemen nicht richtig durch und das führt uns immer wieder zu dem Punkt, dass wir den Menschen empfehlen, sich vegan zu ernähren.“
DS: Man sagt sicher nichts Falsches, wenn man behauptet, dass Julia Klöckner, Ernährungs- und Tierschutzministerin der großen Koalition, zu kritiklos auf Seiten der Fleischindustrie und der Fleischerzeuger stand. Was hoffen Sie, wird unter ihrem Nachfolger Cem Özdemir besser?
Jan Peifer: „Schlimmer als bei Klöckner kann es nicht werden, wobei ich das auch schon bei dem Vorgänger von Frau Klöckner gesagt habe. Aber in der Tat gab es in den letzten Jahren leider keine Person im Landwirtschaftsministerium, die sich wirklich für den Tierschutz eingesetzt hat. Ein Tierschutzministerium gibt’s ja leider nicht, das wäre sicherlich mal ein Zeichen, wenn eine Regierung solch ein Ministerium schaffen würde. Von Cem Özdemir erhoffe ich mir mehr Tierschutz, allerdings glaube ich, dass es für ihn recht schwer werden wird, schließlich wurden in den letzten Jahren so viele Weichen falsch gestellt, dass es vermutlich etliche Jahre dauern wird, um zumindest ein bisschen was zu ändern, wenn man denn überhaupt was ändern will.“
DS: Auf immer mehr Eier-Packungen steht jetzt „ohne Tötung männlicher Küken“. Was passiert jetzt mit den Millionen geschlüpfter Hähnchen. Hat sich der jahrelange Druck der Tierschützer da endlich ausgezahlt oder kommen die Tiere jetzt eher vom Regen in die Traufe?
Jan Peifer: „Das ist leider alles Augenwischerei. Es gibt ein paar wenige Betriebe, die die männliche Küken aufziehen, da diese aber nicht so viel Fleisch ansetzen, weil es sich bei den Tieren um eine eierlegende Rasse handelt, ist der Absatz schwer. Und natürlich werden auch diese Tiere getötet, meist schon mit nur wenigen Monaten. Das ganze System ist nur auf Profit aus und dies wird an diesen und anderen Beispielen sehr deutlich. Übrigens, auch für Bio-Eier wurden/werden die männlichen Küken geschreddert, denn die Bio-Hühner stammen meist aus der gleichen Brüterei, wie die konventionellen Hühner.“
DS: Die Hollywood-Stars Keanu Reeves und Joacquin Phönix sind engagierte Tierschützer und Veganer. Von Joacquin Phönix weiss man, dass er regelmässig nachts zum Schlachthof in Los Angeles fährt, um dort die Schweine und Rinder, die in riesigen Tiertransportern zusammengefercht auf den Schichtbeginn im Schlachthof warten, zu tränken und beruhigend auf sie einzureden. Wie wichtig sind solche Gesten von Prominenten?
Jan Peifer: „Sehr wichtig, denn diese Prominenten erreichen sehr viele Menschen. Ich hoffe, dass sich daran noch viele Prominente und auch nicht Prominente ein Vorbild nehmen und aktiv für Tiere werden, damit dieser ganze Irrsinn ein Ende findet.“
DS: In der Ukraine sterben nicht nur viele Menschen. Auch viel unschuldige Tiere werden durch Bomben und Raketen getötet oder verlieren ihre Frauchen und Herrchen und streunen heimatlos und hungrig umher. Was tun Sie für diese Tiere?
Jan Peifer: „Der Schwerpunkt unserer Arbeit ist Massentierhaltung und Pelztierzucht, da wir aber in dieser Krise den Tieren vor Ort helfen wollen, haben wir ein Solo-Shirt ins Leben gerufen, über unsere Shop (www.tierschutzbuero.shop) kann dieses erworben werden, die Erlöse gehen an das polnische Tierheim Orzechowce. Das Tierheim hilft aktuell verschiedenen internationalen Tierschutzorganisationen bei der Rettung, Versorgung und Vermittlung zurückgelassener Tiere in der Ukraine.“
DS: Es gibt momentan unzählige Spendenaufrufe im Zusammenhang mit Russlands Krieg gegen die Ukraine. Wie wirkt sich das auf Ihr Spendenaufkommen aus?
Jan Peifer: „Das Spendenaufkommen geht generell seit einiger Zeit schon zurück. Das fing bei Corona an und hat sich durch den Krieg und die steigenden Preise fortgesetzt. Die Menschen haben einfach nicht mehr so viel Geld und Spenden dann nicht mehr so viel. Persönlich kann ich das nachvollziehen, dennoch trifft es so natürlich auch die Tiere (und viele andere wie z.B. Kinder). Daher sind wir und andere Organisationen sehr dankbar über jeden Euro.“
DS: Welche Tiere besitzen Sie selbst?
Jan Peifer: „Dafür habe ich leider keine Zeit.“
DS: Letzte Frage: Wenn Sie ganz allein einen Passus im Deutschen Tierschutzgesetz ändern könnten, welchen würden Sie ändern?
Jan Peifer: „Ich würde einen Passus einfügen, der dafür sorgt, dass ein Tier viel Rechte bekommt, dass wir als Mensch diese weder essen noch anderweitig missbrauchen dürften.“
DS: Vielen Dank für das sehr interessante, offene Gespräch.
Das Interview führte Peter Pionke
Mehr Informationen unter:
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Deutsches Tierschutzbüro e.V.
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IBAN: DE73 4306 0967 4034 7308 00
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