4. August 2022Peter Pionke
Jochen Rausch: Jetzt spielen die Hobbys die Hauptrolle
Mit seinen Band „Die Helden“ und „Stahlnetz“ liess er in der Musik-Szene aufhorchen und landete mit dem Song „Vor all den Jahren“ sogar einen Top-20-Hit. Mindestens genauso erfolgreich ist er als Buch-Autor. Sein Roman „Krieg“ wurde sogar von der ARD unter dem Titel „Fremder Feind“ verfilmt. Jochen Rausch arbeitet gerade an einem neuen Buch.
Wir habe uns mit dem Musiker, Journalist und Schriftsteller über sein Leben nach der überaus erfolgreichen Rundfunk-Karriere unterhalten.
DS: Wie fühlen Sie sich so im (Un)Ruhestand?
Jochen Rausch: „Ich fremdle mit dem Wort ‚Ruhestand‘. Was soll das sein? Ich teile das Leben in Phasen auf und jetzt hat eine begonnen, die vielleicht die größte Freiheit bietet. Der Job ist passé, die Kinder erwachsen, das Hamsterrad steht still. Allerdings habe ich mir erst einmal die Quadrizepssehne gerissen. Operation, langwierige Rekonvaleszenz, braucht kein Mensch. Aber es geht schon wieder ohne Krücken.“
DS: Auch ‚Helden‘ altern – haben Sie ein Problem damit?
Jochen Rausch: „Udo Lindenberg pflegt auf diese Frage zu antworten: Was ist denn die Alternative?“
Haben Sie überhaupt schon realisiert, dass Sie jetzt eigentlich kein Berufstätiger mehr sind?
Jochen Rausch: „Ich hatte das Glück, mein Leben lang mit Popkultur und sehr vielen jungen Menschen zu tun gehabt zu haben. Übers Alter habe ich nie sonderlich nachgedacht. So gesehen kam die Pensionierung nach 38 Jahren beim WDR dann doch etwas überraschend…aber Scherz beiseite: Ich glaube, es braucht eine gewisse Zeit, sich an die neue Lebensphase zu gewöhnen. Die sollte man sich geben, aber dabei nicht einpennen.“
DS: Wie sehr hat sich Ihr Alltag seither verändert?
Jochen Rausch: „Ich arbeite an einem Buch, das Anfang nächsten Jahres erscheinen wird und kümmere mich um Drehbuchprojekte. Das Schreiben habe ich sonst immer nebenbei gemacht, in der Bahn von und nach Köln, abends nach Feierabend, an den Wochenenden. Das ist schon eine Umgewöhnung, habe schon überlegt, ob ich jeden Tag mit der Regionalbahn fünf Mal hin und her fahre, da ich gewohnt war, da zu schreiben…aber das ist in Coronazeiten keine gute Idee.“
DS: Wie fällt für Sie persönlich die Bilanz Ihres Berufslebens aus?
Jochen Rausch: „Irgendjemand hat mal zu mir gesagt, Deinen Beruf hätte ich gerne als Hobby. Tatsächlich konnte ich im WDR ein paar Ideen verwirklichen, zum Beispiel 1Live. Dafür bin ich sehr dankbar. Dass es natürlich doch nicht immer so spassig war wie ein Hobby, ist klar. Jedes Unternehmen vergeudet viel Energie, um die eigene Schwerkraft zu überwinden. Da unterscheiden sich Medien nicht von anderen Firmen.“
DS: Wie sehr hat sich Rundfunk während Ihrer Karriere beim WDR verändert?
Jochen Rausch: „Darüber könnte man ein Buch schreiben. Die Digitalisierung hat so ziemlich alles verändert. Die Leute glauben jeden Mist auf Facebook oder Twitter und mißtrauen zunehmen den klassischen Medien. Das ist verrückt. Der WDR beispielsweise wird streng kontrolliert von den Gremien und steht immer im Fokus der Öffentlichkeit. Aber dahinter steckt dieser Trump´sche Mechanismus: man muss nur lange genug behaupten, dass die Presse lügt, bis es alle glauben. Das ist vielleicht die größte Veränderung in meinem Beruf, und das hat natürlich auch den WDR verändert.“
DS: Was würden Sie heute anders machen, wenn Sie noch einmal am Anfang Ihrer Karriere stehen würden?
Jochen Rausch: „In den Medien kommen zu viele Leute durch, die nur ihre eigene Karriere im Blick haben, die sich gar nicht wirklich für Inhalte oder Journalismus interessieren. Ich, ich, ich. Hauptsache ins Fernsehen, Hauptsache, irgendwie wichtig erscheinen. Ist nicht so meine Sache, aber ich habe dieses egozentrische Gehabe anderer manchmal zu sehr über mich ergehen lassen anstatt dagegen zu halten.“
Sie sind Journalist, Buchautor, Musiker, Komponist und Moderator. In welchem Bereich starten Sie jetzt besonders durch?
Jochen Rausch: „Ich lasse es mal laufen. Und vielleicht habe ich sogar zu viele Ideen. Ich weiß nur, dass die Zeit immer kostbarer wird, je weniger man davon hat. Der Schauspieler und Regisseur Sean Penn hat mal gesagt, er hätte mal seine Konzepte und Projektideen durchgeschaut und festgestellt, dass er ungefähr 135 werden müsste, um das alles noch zu realisieren. Da könnte ich mithalten.“
DS: Wird man Sie auch noch einmal als Musiker live auf der Bühne sehen?
Jochen Rausch: „Ich weiß nicht, ob das jemand sehen will. Wenn man mit der Musik alt geworden ist wie Mick Jagger, dann vielleicht. Aber dann ist es auch eher Nostalgie. Allerdings weiß ich auch, dass Musiker, wenn sie nur lange genug zusammensitzen, fast immer mit der Idee auseinandergehen, nochmal eine Platte zu machen, oder wenigstens ein paar Gigs zu spielen.“
DS: Ihr Roman „Krieg“ ist unter dem Titel „Fremder Feind“ von der ARD verfilmt und mehrfach ausgezeichnet worden: Ein echter Ritterschlag. Sehen Sie eine Chance, diesen Riesenerfolg noch einmal zu wiederholen?
Jochen Rausch: „Das kann man nicht so steuern. Klar war das gut. Das Schreiben ist ja ein sehr einsames Geschäft und wenn dann plötzlich Millionen Menschen sehen und hören, was man da geschrieben hat, dann ist das gut. Ein Autor will ja gelesen werden, sonst muss man keine Bücher veröffentlichen. Also: Ich arbeite daran, aber ob es klappt, keine Ahnung.“
Hat der Krieg in der Ukraine irgendeinen Einsfluss auf Ihr künstlerisches Schaffen?
Jochen Rausch: „Ich glaube, dass betrifft jeden von uns, egal, an welcher Stelle er oder sie in dieser Gesellschaft steht. Dieser Krieg zeigt uns, dass sich alles jederzeit ändern kann und wir uns nie zu sicher sein sollten. Letztlich ist das ja auch das Thema von ‚Fremder Feind‘: Ein Pazifist wird durch den Tod seines Sohnes in Afghanistan aus seiner Wohlfühlwelt herausgerissen und gerät ungewollt in einen 1:1-Krieg. Mir wäre allerdings lieber gewesen, dass hätte sich nicht Jahre später jetzt wirklich in gewisser Weise in der Ukraine ereignet.“
DS: Woran arbeiten Sie gerade?
Jochen Rausch: „In dem neuen Buch geht es um eine Frau, die ziemlich weit unten ist und sich langsam und mühsam wieder aus einem ziemlich tiefen Tal herausarbeitet.“
DS: Haben Sie noch so etwas wie einen Lebenstraum?
Jochen Rasuch: „Ich würde mir wünschen, eine Zeit ohne Kriege zu erleben, ohne Hass, eine Welt, auf der die Menschen rücksichtsvoll mit sich und dem Planeten umgehen, aber das wird wohl eine Utopie bleiben, weil die kleine Minderheit der Arschlöcher und Despoten es irgendwie immer schaffen, ihr persönliches Ego über das der Allgemeinheit zu erheben.“
DS: Vielen Dank für das offene, sehr interessante Gespräch
Das Interview führte Peter Pionke
Vita Jochen Rausch
Jochen Rausch wurde am 07. April 1956 in Wuppertal geboren. Nach der Fachhochschulreife begann er eine Ausbildung bei der AOK. Zeitgleich arbeitete er als freier Journalist für die Wuppertaler Redaktion der NRZ, für andere WAZ-Zeitungen und für Kulturmagazine. Mitte der 80er arbeitete er als Radio- und TV-Reporter für WDR und ARD (z.B. „Tagesschau“). Parallel studierte er an der Bergischen Uni Wirtschaftswissenschaften und befasste sich mit Rundfunkökonomie.
Nach dem Studium wurde er Redakteur beim WDR und dann Referent des späteren Intendanten Fritz Pleitgen. 1995 wurde er zunächst Musikchef und dann Programmchef von „1LIVE“. Er hatte Lehraufträge, u.a. an der Musikhochschule Karlsruhe. Seit 2005 ist Jochen Rausch auch stellv. Hörfunkdirektor. 2015 erhielt er als erster Radiomacher den Grimmepreis. Ab April 2015 leitete er bis zur Pensionierung im März 2022 neben 1LIVE auch die Programme WDR 2 und WDR 4.
Jochen Rausch als Musiker: Er war Sänger der Band „Die Helden“, später gründete er mit Detlef Cremer„Stahlnetz“. 1982 Veröffentlichung des Albums „Wir sind glücklich“ bei BMG Ariola (produziert vom legendären Conny Plank). Die Single „Vor all den Jahren“ war ein Top 20-Titel.
Unter dem Namen LEBENdIGITAL veröffentlichten Rausch und Cremer verschiedene „Spoken-Song“-Alben, zuletzt mit Udo Lindenberg das Album LINDENBERGTRACKS (Randomhouse).
Er veröffentlichte u.a. folgende Bücher: „Restlicht“ (2008),„Trieb“ (2010), „Krieg“ (2013) und „Rache“ (2015). Alle Bücher kamen auch als Hörbücher heraus. Ende 2016 erscheint beim Berlin Verlag/Piper „Im Taxi – eine Deutschlandreise“. Jochen Rausch ist verheiratet, hat zwei Kinder.
Sein Buch „Krieg“ wurde 2017 unter dem Titel „Fremder Feind“ von der ARD verfilmt. Regie führte Rick Ostermann, die Hauptrollen spielten Ulrich Matthes, Barbara Auer, Lili Epply, Jördis Triebel und Samuel Schneider.
Link zur Webseite von Jochen Rausch:
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