6. Dezember 2022

Wissenschaftler: „Wir alle sind aus Sternenstaub…“

Woher kommen wir? Unabhängig von Glaubensfragen beschäftigen sich Wissenschaftler weltweit seit vielen Jahren mit dem Ursprung unserer Existenz als Menschen. Das Zauberwort dabei ist: Sternenstaub. Auto Uwe Blass hat sich über dieses spannende Thema in der belebten Uni-Reihe "Transfergeschichten" mit Prof. Dr. Karl-Heinz Kampert unterhalten.

Prof. Dr. Karl-Heinz Kampert – © UniService Transfer

Über das Kommen und Gehen von Sternen und den Ursprung unserer Existenz. Doch woher kommt der Sternenstaub, wie entsteht er und vor allem, was hat er mit unserem Leben zu tun? Der Wuppertaler Astrophysiker Prof. Dr. Karl-Heinz Kampert erklärt es mit den Prozessen im Universum, bei denen kein Atom jemals verloren geht.

Hauptsächlich besteht ein Mensch aus Wasser und Sauerstoff. Der Rest sind Metalle und Nichtmetalle. Aber wissenschaftlich korrekt sind wir aus Sternenstaub entstanden. „Das hört sich immer so metaphorisch an. ´Wir sind aus Sternenstaub entstanden`! Aber es ist tatsächlich so“, sagt Prof. Dr. Karl-Heinz Kampert, der an der Bergischen Universität den Lehrstuhl Astroteilchenphysik leitet.

© Bergische Universität

„Die Elemente, die uns aufbauen, also Wasserstoff, Sauerstoff, Kohlenstoff, Stickstoff, das sind ja die wesentlichen Elemente, die Leben ermöglicht haben. Auch alles Schwere, was in uns ist, Kalzium, Magnesium, Eisen, all das ist in Sternen und Sternexplosionen im Laufe der Geschichte des Universums entstanden. Ohne das gäbe es uns nicht.“

Sterne der ersten Generation

Aus den beim Urknall entstandenen Wasserstoff- und Helium-Gaswolken bildeten sich durch Anziehungskräfte gasförmige Riesen, die ersten Sterne.

„In den ersten drei Minuten nach dem Urknall entstanden die leichten Elemente, also Wasserstoff und Helium sowie äußerst geringe Spuren von Lithium, Beryllium und Bor“, erklärt Kampert, die jedoch noch keine Voraussetzungen für Leben enthielten.

Nach dieser fulminanten Explosion, fährt der Wissenschaftler fort, kam dann erst einmal eine Epoche, in der sich das Universum wieder abkühlen musste. Die Gaswolken verklumpten und erste Sterne bildeten sich. „Das ist so einige 100 Millionen Jahre später passiert, viel kürzer, als wir noch vor zwanzig Jahren gedacht haben. Dann haben sich die ersten wasserstoffreichen Sterne gebildet, und die hatten meist eine relativ kurze Lebensdauer.“

„Mutter Erde“ – im Hintergrund Sternenstaub – © Pixabay

Wenn Kampert von Zeitspannen spricht, dann geht es in der Regel um Millionen oder gar Milliarden von Jahren. Ein kurzes Sternenleben umfasse zwischen 10 und 50 Millionen Jahre. „Die Sonne hat zum Vergleich eine ungefähre Lebensdauer von neun Milliarden Jahren“, sei aber auch bereits ein Stern der zweiten oder dritten Generation, weil in ihr schon Bruchstücke schwerer Elemente enthalten seien.„Natürlich besteht sie nach wie vor im wesentlichen aus Wasserstoff und Helium, aber es gibt auch schon die schweren Elemente, was zeigt, dass die Sonne aus den Überresten früherer Sternexplosionen geschaffen wurde. Und daraus ist schließlich auch die Erde entstanden.“

Kochtöpfe des Universums mit unzähligen Sternen

Schwere Elemente enthalten also die Bausteine des Lebens und finden sich erst in Sternen der zweiten oder dritten Generation. „Sterne sind die Kochtöpfe des Universums“, sagt Kampert lachend, „in denen schwere Elemente erst einmal entstehen. Und wenn so ein Kochtopf überkocht, kann man das mit einer Supernova Explosion vergleichen. Dann werden kurzzeitig explosionsartig großen Mengen von schweren Elementen erzeugt, die uns Menschen ausmachen.“

Eine Galaxie habe ca. 100 Milliarden Sterne und es gebe auch ebenso viele Galaxien im Universum, so dass die Zahl der Sterne unvorstellbar hoch sei.

Planetarischer Nebel verdichtet sich zu neuen Sternen

Die Überreste einer sogenannten Supernova bilden mitsamt Sternenhülle und erbrüteten Elementen einen Staubnebel aus größeren und kleineren Objekten bis hin zu makroskopischen Staubpartikeln, die durch das Weltall wabern und irgendwann auch neue Himmelskörper produzieren. Die Sonne sei ein typischer Stern, erklärt Kampert, der sich an seinem Lebensende aufblähe zu einem so genannten planetarischen Nebel, wie es auch schon viele Sterne vor ihr getan hätten.

„Aber es gibt auch Sterne mit viel größerer Masse als die Sonne, mit 30 bis 50 oder gar 100 Sonnenmassen, die stattdessen als apokalyptische Supernova enden.“ Der Vorgang sei immer der Gleiche. Im Inneren eines Sterns würde gleich einem Funktionsmotor zunächst Wasserstoff zu Helium verbrannt. Durch den Massereichtum sei aber der Gravitationsdruck von außen auf den inneren „Ofen“ so hoch, so dass er viel schneller und heißer brennen müsse, um dem Außendruck standhalten zu können.

Ein ständiges Kommen und Gehen

„Dadurch wird der Energievorrat sehr schnell verbraucht und der Stern lebt kürzer, wobei wir immer noch von 10 bis 50 Millionen Jahren sprechen.“ Das ewige Feuer verbrenne so nach und nach wobei zunächst Wassertoff zu Helium fusioniere, dieses dann weiter zu Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Silizium, usw., bis am Ende dieser Kette Eisen entstehe.

Sternenstaub – © Pixabay

„Bei Eisen hört dann der Verbrennungsprozess auf. Wenn der Eisenkern, also die innere Asche des Sterns, schliesslich eine Masse erreicht, die mehr als anderthalb Sonnenmassen entspricht, dann kann sich der Eisenkern nicht mehr stabilisieren und fällt in sich zusammen, wird zum Neutronenstern.“

Durch diesen Vorgang würden kuzzeitig sehr viele Neutronen freigesetzt, die in der verbleibenden Hülle des Sterns eingefangen werden und dort die schweren Elemente, die Leben ausmachen, entstehen lassen. „Es ist ein ständiges Kommen und Gehen, eine Kreislaufwirtschaft im Universum.“

Bausteine des menschlichen Körpers haben eine lange Reise hinter sich

Irgendwann kommt man dann über diese vielen Metamorphosen auch zum Menschen. Rund die Hälfte aller Atome auf der Erde, und somit der Bausteine jedes menschlichen Körpers, haben bereits eine lange Reise durch die Weiten des Alls hinter sich. „Das ist tatsächlich so“, erklärt der Physiker, „jeder Atomkern in uns, außer Wasserstoff, der aus dem Urknall kommt, hat diese lange Reise hinter sich.“

Explodierte Sterne, oft auch mehrere Supernovae parallel oder in kurzen Abständen der ersten Generation nach dem Urknall hätten Staub in den Kosmos gespuckt. „Da werden große Gebilde im interstellaren Raum geschaffen, viele Magnetfelder entstehen und alles wird durcheinandergewirbelt“, erzählt Kampert.

Nach einer Phase der Abkühlung setzen sich durch die Gravitation die Elemente wieder zusammen, bilden neue Sterne und der Prozess wiederhole sich. Obwohl das Universum bereits ca. 14 Milliarden Jahre alt ist, gäbe es immer noch Sterne der ersten Generation. Die seien jedoch sehr leicht, was es ihnen erlaube, den Kernfusionsofen im Inneren sehr sparsam brennen zu lassen.

„… Staub zu Staub.“

Nahezu jedes Atom im menschlichen Körper war einmal Teil eines Sterns. Das kann sogar, selbst über den Tod hinaus, eine tröstliche Vorstellung sein, wenn man davon ausgeht, dass Materie immer wieder neu entsteht. „Ich finde das auch eine schöne Vorstellung, denn so sind wir entstanden. Auch diese Formel – ohne religiös zu werden – ´Erde zu Erde, Asche zu Asche und Staub zu Staub`, hat es ja schon vorher gegeben, noch bevor man sich über diese Prozesse im Klaren geworden ist, und sie ist physikalisch völlig richtig.“

Das Universum – © Pixabay

Dazu seien 1957 zwei Papiere entstanden, die diese Erkenntnis formuliert hätten, berichtet Kampert. „Damals ist erstmals verstanden worden, dass all diese schweren Elemente, die uns ausmachen, in Sternenexplosionen und Sternen entstanden sind. Und daraus sind letztlich auch wir Menschen entstanden.“

Kein Atom geht je verloren: Recycling im Weltall als Vorbild?

Kein einziges Atom im Weltall geht jemals verloren. Aus dem, was war, was ist und was sein wird, entsteht im ewigen Kreislauf des Werdens, Vergehens und Neuwerdens neue Materie. Alles wird recycelt und als Baumaterial in den Kreislauf der Natur zurückgeführt.

Dazu Kampert: „Das ist absolut richtig. Kein Atom geht je verloren, alles wird recycelt und immer wieder entstehen neue Sterne und und auch neues Leben daraus. Die Natur macht uns das eindrücklich vor.“ Das Problem bei uns Menschen sei leider, dass wir uns so verhielten, als ob es endlose Ressourcen gäbe.

„Menschen sind stellarer Atommüll“

„Natürlich kann man sagen, wir wandeln ja auch nur um. Aber das führt lokal auf dem Planeten Erde dazu, dass wir augenblicklich mehr verbrennen, also Energie freisetzen, als neue Energie eingespeichert werden kann. Kohle, Öl und Gas sind ja vor Millionen von Jahren entstanden und wurden von der Natur in die Erde eingespeichert. Heute wird das innerhalb von kürzester Zeit wieder freigesetzt. Und dadurch gerät das Klima aus dem Takt und es passiert das, was wir beobachten.“

Martin Rees, Hofastronom der verstorbenen Queen Elisabeth II. und Professor für Kosmologie und Astrophysik an der britischen Universität Cambridge sagt: „Die Menschen sind stellarer Atommüll“.

Das ist zwar nicht sehr schmeichelhaft, aber so gesehen, konnten wir erst über viele Sterne- Recyclingverfahren entstehen, und dass bedeutet eine konstante Nachhaltigkeit in der Entwicklung des Universums, von der wir auf der Erde noch weit entfernt sind. „Die Erkenntnis, dass die Natur alles recycelt,“, sagt Kampert abschließend, „sollte uns zu denken geben.“

Uwe Blass

 

Prof. Dr. Karl-Heinz Kampert – © UniService Transfer

Über Prof. Dr. Karl-Heinz Kampert

Prof. Dr. Karl-Heinz Kampert studierte von 1977 bis 1983 an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Physik. Von 1983 bis 1986 war Kampert wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Westfälischen Wilhelms-Universität und promovierte 1986. Anschließend war er für drei Jahre als postdoktoraler Forschungsstipendiat an der Großforschungseinrichtung CERN in der Schweiz tätig.

Von 1989 bis 1995 war er Assistenzprofessor für Physik an der Münsteraner Universität, währenddessen habilitierte er sich 1993. Anschließend lehrte er als Professor der Physik an der Universität Karlsruhe und dem Forschungszentrum Karlsruhe, die 2009 beide zum Karlsruher Institut für Technologie fusionierten. Seit 2003 lehrt er schließlich Experimentalphysik an der Bergischen Universität Wuppertal.

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