21. Dezember 2022Peter Pionke
Flüchtlings-Helferin Rosi freut sich über strahlende Kinderaugen
Die meisten der geflüchtete Frauen haben Ehemänner, Lebensgefährten, Väter, Brüder, Verwandte und Freunde, die in der Ukraine geblieben sind, um ihr Land unter Einsatz ihres Lebens mit Waffen gegen eine russische Übermacht zu verteidigen.
Jede WhatsApp-Meldung, jeder Anruf könnte eine Todesnachricht sein. Wer schafft es, unter solch dramatischen Umständen ein unbeschwertes, sorgenfreies Leben zu führen? Und doch versuchen die meisten, ihre Sorgen und Ängste zumindest zeitweise zu verdrängen, um ein möglichst normales Leben zu führen, sich zu integrieren, sich nützlich zu machen in der Heimat auf Zeit. Viele der ukrainischen Kids gehen in den Kindergarten oder besuchen eine Schule, ihre Mütter lernen Deutsch, um möglichst schnell einen Job finden zu können. Sie wollen Niemande auf der Tasche liegen. Auch dem deutschen Steuerzahler nicht.
Zwei Wuppertaler, die wirklich beurteilen können, wie gut sich die Flüchtlinge in der Bergischen Metropole eingelebt haben, sind Yevgen Besedin und Rosemarie Gundelbacher, Mitbegründer der Hilfsorganisation „Stand with UA“.
Mit Ihnen haben wir uns unterhalten:
DS: Sie sind Mitbegründer der Organisation „Stand with UA“. Sie betreuen viele Flüchtlinge aus der Ukraine. Wo liegen Ihre Schwerpunkte?
Yevgen Besedin: „Oh, nach Kriegsbeginn am 24.2.2022 kamen in den ersten Tagen über 1.000 Flüchtlinge aus der Ukraine in Wuppertal an. Nach ein paar Wochen waren es schon mehrere Tausend. Ich habe natürlich nicht zu jedem einzelnen Flüchtling Kontakt. Aber wir kümmern uns besonders intensiv und liebevoll um die Waisenkinder aus den ukrainischen Kinderheim, die in Wuppertal in Sicherheit gebracht wurden. Wenn meine Landsleute aus der Ukraine Hilfe brauchen, sind wir da – ob als Dolmetscher bei den Behörden oder auch sonst auch mit Rat unf Tat. Das alles wäre ohne unsere Mitbegründerin Rosemarie Gundelbacher nicht möglich. Sie nutzt ihre exzellenten Kontakte in der Stadt und findet auch in verzwickten Situationen immer einen Ausweg. Ich freue mich sehr, dass sie Teil unseres Teams ist.“
DS: Viele der geflüchteten Frauen und Kinder sind inzwischen in Privatwohnungen untergekommen. Wie schätzen Sie die Situation ein?
Yevgen Besedin: „Viele Wuppertaler mit ukrainischen Wurzeln haben ihre Großeltern oder Verwandte und Freunde bei sich zuhause aufgenommen. Andere konnten eine eigene Wohnung finden, wie etwa Krystyna Volobuieva, deren Ehemann auf der Flucht aus Mariupol ums Leben kam. Sie lebt jetzt mit Tochter und Kater in einer gemütlichen, kleinen Wohnung. Aber leider findet nicht jede Familie eine eigene Wohnung. Die Mietpreise sind oft zu hoch und Sozialwohnungen Mangelware. Die Folge: Die Notunterkünfte der Stadt sind immer noch mit Ukrainern belegt. Und das wird auch vorerst so bleiben, da jetzt im Winter wegen der eisigen Kälte und der von den Russen zerstörten Infrastruktur wohl wieder mehr Flüchtlinge nach Deutschland kommen werden.“
DS: Wie beurteilen Sie die Unterstützung der Wuppertaler Behörden?
Yevgen Besedin: „Die Unterstützung, die der deutsche Staat für Flüchtlinge zur Verfügung stellt, ist schon enorm. Ich denke, dass in keinem anderen Land mehr getan wird als hier in Deutschland. Alle Ukrainerinnen und Ukrainer sind sehr dankbar dafür. Auch ich als Wahl-Wuppertaler danke den deutschen Behörden für die Unterstützung meiner Landsleute aus meiner früheren Heimat. Natürlich gibt es auch Sonderfälle, wo aufgrund der Sprachbarrieren Missverständnisse entstehen und diese dann ausgeräumt werden müssen. In dem Zusammenhang komme ich wieder auf Rosemarie Gundelbacher zu sprechen. Die ehemalige Stadtverordnete ist in Wuppertal bestens vernetzt und hat in vielen der Behörden, die für Flüchtlingsfragen zuständig sind, entsprechende Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner.“
DS: Putins grausamer Krieg dauert leider unvermindert an. Rechnen Sie noch einmal mit einer echten Flüchtlingswelle?
Yevgen Besedin: „Ob es noch einmal zu einer Flüchtlingswelle kommt oder nicht, hängt von der Unterstützung durch die europäischen Staaten und der restlichen Demokratien der Welt ab. Je mehr Hilfsmittel die Ukraine bekommt, das sind vor allem Waffen für Artillerie und Luftabwehr-Systeme, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es noch einmal eine große Flüchtlingswelle geben wird.“.
DS: Wie sehr sind Sie mit der Spendenbereitschaft der Wuppertalerinnen und Wuppertaler zufrieden?
Yevgen Besedin: „Die Spendenbereitschaft in Wuppertal war von Anfang groß. Zuerst haben Privatleute viel gespendet. Inzwischen gibt es mehr Spenden von Unternehmern und Firmen. Zum Beispiel haben wir letzte Woche 3.000 € von der Firma Berning + Söhne GmbH & Co. KG erhalten. Dafür sind wie sehr dankbar! Das Geld wird für Medikamente verwendet, die in die Ukraine schicken.“
DS: Was benötigen die Flüchtlinge, die bereits in Wuppertal sind, besonders nötig?
Yevgen Besedin: „Viele Ukrainer, die jetzt in Wuppertal in Sicherheit sind, möchte sich hier einleben und auch am Stadtleben teilhaben. Es gibt die ukrainische Initiativen, die beispielsweise freiwillig in ihrer Umgebung Müll aufsammeln. Sie wünschen sich mehr Kontakt zu den Einheimischen. Sie sind wirklich sehr stark daran interessiert, sich zu integrieren und wollen die deutsche Mentalität besser und schneller verstehen.“
DS: Wie können Wuppertaler Bürger Menschen helfen, die trotz aler Kriegswirren in der Ukraine ausharren?
Yevgen Besedin: „Denen können die Wuppertaler ganz einfach helfen, indem sie sich einfach eine Organisation aussuchen, der sie vertrauen können und über die sie dann monatlich einen kleinen Beitrag spenden, um so Not leidenden Menschen in der Ukraine zu helfen. Es gibt in jeder Region der Ukraine Hilfsorganisationen, die tagtäglich Lebensmittel und Wasser zu den Menschen bringen, die unter ständiger Bombardierung leben müssen.“
DS: Wie werden Sie selbst die Feiertage und den Silvester verbringen?
Yevgen Besedin: „Ich werde die Weihnachtstage im Kreise der Familie verbringen. Dazu kommen noch einige ukrainische Flüchtlinge, die mittlerweile auch zu unserem Team gehören und uns tatkräftig unterstützen. Und auch privat sind wir mittlerweile sehr gut befreundet.“
Fragen an Rosemarie „Rosi“ Gundelbacher
DS: Sie haben vom ersten Tag an die 140 Waisenkinder betreut, die aus der Kiew fliehen konnten und nach einer wahren Odyssee in Wuppertal angekommen sind. Wie geht es den Kindern inzwischen?
Rosemarie Gundelbacher: „Erfreulicher Weise können wir sagen, dass sich die Kinder sehr gut eingelebt haben und somit auch viele schreckliche Dinge vergessen konnten. Die Betreuung ist sehr gut und die Kinder haben sehr viel Zuwendung erfahren, so dass sie aufgrund der Spendenbereitschaft Spielzeug, Fahrräder etc. bekommen haben. Das Schönste sind die strahlenden Kinderaugen.“
DS: Was war das berührendste Erlebnis, das Sie in Zusammenhang mit den Flüchtlingskindern hatten?
Rosemarie Gundelbacher: „Mein schönstes Erlebnis war die Liebe eines kleinen Mädchens zu einem Wachmann. Sie wartete jeden Tag auf ihn, lief auf ihn zu und umklammerte ihn fest mit ihren kleinen Armen. Sie war glücklich, wenn er sich beim Essen zu ihr setzte und er sie danach ins Bett brachte. Die Zuneigung beruhte übrigens auf Gegenseitigkeit. Der Wachmann sagte mir, dass er die Kleine am liebsten adoptieren würde. Aber das ist nicht so einfach.“
DS: Die Kinder hatten in ihrer Heimat kein richtiges Zuhause, in das sie irgendwann zurückkehren könnten. Gehen Sie davon aus, dass die Kinder und Jugendlichen für immer in Deutschland bleiben und adoptiert werden können?
Rosemarie Gundelbacher: „Wie die Zukunft der Kinder aussehen wird, kann man noch nicht sagen. Das Jugendamt befasst sich sehr mit der Thematik, aber es ist einfach noch zu früh, um Entscheidungen. Da müssen noch eine Menge juristischer Fragen geklärt werden – u.a. auch mit den ukrainischen Behörden. Es wird sicher noch dauern, ehe Waisenkinder aus der Ukraine zur Adoption freigegeben werden können.“
DS: Als Mitglied der Organisation „Stand with UA“ können Sie sicher eine Zwischenbilanz ziehen. Die große Mehrzahl der Flüchtlinge sind Frauen und Kinder. Wie stellt sich die aktuelle Situation dar?
Rosemarie Gundelbacher: „Es kommen immer noch täglich Flüchtinge an. Unser Ziel ist es, auch hier Hilfestellung zu leisten. Das Leid dieser Menschen ist unsagbar gross. Für Yevgen Besedin ist es immer noch selbstverständlich, allen die kommen, Hilfestellung zu geben. Das heißt bei der Registrierung und Unterbringung behilflich zu sein. Die Behördengänge nehmen sehr viel Zeit in Anspruch.“
DS: Wie werden Sie selbst die Feiertage und den Silvester verbringen?
Rosemarie Gundelbacher: „Die Feiertage und Silvester verbringe ich zuhause im Kreise meiner Familie.“
Die Interviews führte Peter Pionke
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