24. Februar 2023

Parkinson-Selbsthilfegruppe: Niemand wird zurückgelassen

Niemand wird zurückgelassen! Das ist das Credo der Wuppertaler Parkinson-Selbsthilfegruppe. Für das Jahr 2023 sind wieder kleine und große Aktionen geplant. Parkinson, die Erkrankung des zentralen Nervensystems und die damit verbundenen Folgen, stellen große Herausforderungen an die Betroffenen und deren Angehörigen.

Schaukelt die Sache gemeinsam: das Ehepaar Karin Krause und Uwe Brehm. Der 1959 geborene gelernte Elektroinstallateur führt seit 2016 die Gruppe – © Tatiana Kreutzenbeck

Der renommierte Journalist und  erfolgreiche Buchautor Dr. Matthias Dohmen hat für die STADTZEITUNG über dieses aktuelle Thema ein Interview mit Uwe Brehm geführt, der die Parkinson Selbsthilfegruppe mit Unterstützung seiner Ehefrau Karin Krause seit 2016 leitet.

DS: Wie ist die Gruppe aus dem Corona-Tief herausgekommen? Was hat sie in der Zeit unternommen? Hat sie Federn lassen müssen?

Uwe Brehm: „In der Corona-Zeit hatten wir unsere Mitglieder aufgefordert, sich gegenseitig zu unterstützen, indem sie sich untereinander anrufen beziehungsweise sich mit der Gruppe zu einer Zoom-Sitzung treffen. Das heißt: Wir haben uns öfters per Video gesehen. Da haben wir nicht selten gehört: „Ich bin allein und komme überhaupt  nicht mehr nach draußen.“ Durch Briefe, Telefonate und Nachrichten über Whatsapp haben wir zum Durchhalten und Aufmuntern animiert. In der Weihnachtszeit wurden Päckchen verschickt und zu Ostern sogar ein persönlicher Gruß vorbeigebracht.“

DS: Und trotzdem haben Sie Mitglieder verloren?

Uwe Brehm: „Eben nicht. Nein, wir haben den Bestand erhalten. Alle fühlten sich integriert.“

DS: Andere Selbsthilfegruppen und Vereine singen ein anderes Lied. Was haben Sie besser gemacht?

Uwe Brehm: „Ich muss dazu sagen, dass wir uns auf ein Helferteam stützen konnten, das ein knappes Dutzend Menschen umfasst. Genau in dieser Zeit mussten wir unser ‚Vereinslokal‘ wechseln und haben im Gemeindezentrum Sonnborn eine neue Heimat gefunden. Hier und da wurde gemäkelt, der Weg sei jetzt zu weit, wir waren ja zuvor in der Kohlstraße, aber über die Bildung von Fahrgemeinschaften konnte vieles abgefangen werden. Wir machen überdies unsere Mitglieder darauf aufmerksam, dass die Krankenkassen ihren Mitgliedern ab der Pflegestufe 1 einen Betrag von 125 Euro pro Monat gewähren, mit dem drei Stunden Hilfe in der vielfältigsten Form finanziert werden kann. Die Summe kann man auch für eine sogenannte Alltagsbegleiterin verwenden, die ihre „Kunden“ auf dem Weg zum Treffen hin- und wieder zurückbegleitet. Die Fahrtkosten müssen privat getragen werden. Pfiffig: Zwei Parkinson-Betroffene „teilen“ sich die Alltagsbegleiterin und damit auch die Kosten.“

Das Ehepaar Karin Kraus und Uwe Brehm reist auch privat gern: Hier mit Tochter Beatrice auf einer Kreuzfahrt im hohen Norden – © privat

DS: Und eine große Fahrt gibt es 2023 auch wieder?

Uwe Brehm:  „Klar doch! Wir fahren nach Ruhpolding. Mit voraussichtlich 43 Personen. Mit allem Zipp und Zapp: Koffer, Klamotten, Spiele für die Zeit der Fahrt mit der Bahn und später dem Bus, Rollstühle und Rollatoren, das ist schon eine große Aktion. Für 2024 ist angedacht, dass wir nach Swinemünde fahren.“

DS: Wie lautet Ihr Motto?

Uwe Brehm: „Unser Motto lautet „Spaß und Freude in Dopaminform ohne Medikamente“. Dopamin ist ein wichtiges Medikament bei Parkinson-Erkrankten. Aber wir sind ja keine Ärzte, sondern eine Selbsthilfegruppe. Wir organisieren eben Spaß und Freude ohne Nebenwirkungen. Da geschehen kleine Wunder: Ein Mann, der auf der Weintour – auch ein Highlight in den letzten Jahren – mit Mühe aus dem Bus geleitet wurde, ging nach zwei bis drei Stunden fröhlichen Beisammenseins selbsttätig in den Bus zurück. Wunder können wir leider keine vollbringen, aber die Menschen in gute Stimmung zu versetzen, das gelingt uns schon.“

DS: Stichwort Stephan Bauer – was steckt dahinter?

Uwe Brehm: „So heißt unser nächster Gast. Sein Programm steht unter dem Motto „Vor der Ehe wollt‘ ich ewig leben“. Das wird am 19. März sicher wieder ein volles Haus. Einzelheiten, Eintritt usw. kann man unserer Homepage www.wuppertal-parkinson.de entnehmen. Ich gehe davon aus, dass die Stimmung so gut ist wie beim letzten Entertainer Martin Schopps oder bei Simon Krebs, der ebenfalls bei uns zu Gast war und der mit Mitsingliedern wie „Aber bitte mit Sahne“ begeistert hat.“

DS: Stichwort Weintour 2023, wohin geht es diesmal?

Uwe Brehm: „Sie führt uns Ende September/Anfang Oktober für eine halbe Woche nach Bad Münster am Stein. Bei diesen Touren im normalen Reisebus können keine Rollstuhlfahrer mit. Deswegen bieten wir Tagestouren im Umkreis an, weil dann der Bus zwar eine Rampe, aber leider keine Toilette an Bord hat. Unglücklicherweise ist der Platz im Bus begrenzt, und nur ein Platz existiert für jemanden, der sich nicht – auch nicht mit Hilfe – aus seinem Rollstuhl herausbewegen kann.“

Am 10. Juni 2022 war der WDR zu Gast bei der Parkinsongruppe Wuppertal. Er machte für einen später ausgestrahlten Film Aufnahmen vom Treffen der Parkinson-Gruppe mit der Choreographin Bridget Petzold, der Frau des renommierten Filmproduzenten Frank Petzold, beim Workshop „Bewegen mit Musik“ — © Screenshot privat

DS: Wie hilft die Gruppe dem Einzelnen, der vielleicht gerade die niederschmetternde Diagnose Parkinson erhalten hat und Panik bekommt?

Uwe Brehm: „Das ist für jeden Betroffenen ein kritischer Moment. Der erste Kontakt erfolgt in den meistens Fällen telefonisch und wir klären jeden, soweit nötig, über wichtige Punkte auf. Nicht selten kommt auch eine Gegenfrage: Haben Sie denn Ahnung, sind Sie selbst betroffen? Ich selbst habe ja nun kein Parkinson, aber seit 2016, seit ich die Gruppe leite, habe ich viel gelernt – auch über zentrale Veranstaltungen der Deutschen Parkinson-Vereinigung, die auch zahlreiche Broschüren zum Thema erarbeitet hat und eigene Zeitschriften vertreibt. Es gibt viele Vorteile, die man mit der Mitgliedschaft erwirbt. Ist also Interesse an unserer Gruppe vorhanden, laden wir zu einem ersten Kennenlernen bei einem der nächsten Treffen ein.“

DS: Und dann geht sicher das große das Fragen los?

Uwe Brehm: „Richtig! Programm Selbsthilfe: Diejenigen, die an der Krankheit leiden – und das kann sehr unterschiedlich sein, da existieren tausend Facetten – reden dann bei unseren Treffen über Medikamente und Ärzte, Sportprogramme und Hilfsmittel.“

DS: Und das alles passiert im Stuhlkreis und in großer Runde?

Uwe Brehm: „Eben nicht. Das haben wir einmal versucht und nie wieder. Ein Thema wie Tiefenhirnstimulation muss nicht unbedingt in großer Runde erörtert werden. Bei uns hat sich der Achtertisch durchgesetzt, was aber nicht ausschließt, dass der eine oder andere bei „delikaten“ Fragen das Zweiergespräch vorzieht. Außerdem hat nicht jeder zur gleichen Zeit dasselbe Problem. Wir sind Ansprechpartner für alle Belange, gleichzeitig Vermittler und Bindeglied zwischen allen Gruppenmitgliedern. Es ist wichtig, dass jeder sich in seiner Krankheit aufgehoben fühlt und nicht allein dasteht“

DS: Und was ist mit den Familie des Betroffenen?

Uwe Brehm: „An die denken wir auch. „Spaß, Freude, Infos und Unterstützung“ gilt auch für das Umfeld desjenigen, der von Parkinson betroffen ist. Da können sich echte Dramen abspielen. Nicht selten berichten uns Angehörige davon, dass sie „nicht mehr können“, dass sie eine Atempause brauchen, einmal Luft schnappen wollen. Da helfen wir mit unserem Netzwerk und schauen, welche Unterstützung gebraucht wird. Wir sind schon so etwas wie eine große Familie, wo der eine für den anderen da ist. Der Zusammenhalt und die Gemeinschaft untereinander in der Gruppe sind enorm.“

DS: Vielen Dank für das aufschlussreiche, informative und offene Gespräch.

Das Interview führte Dr. Matthias Dohmen

 

Link zur Homepage der Parkinson-Selbsthilfegruppe Wuppertal:

http://www.wuppertal-parkinson.de

Kontakt zu Uwe Brehm und Karin Krause:

Telefon: 0212-2218753

E-mail: brehm@wuppertal-parkinson.de

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