9. April 2023Peter Pionke
Kästners „Fabian“: Ein Zug, der sein Ziel niemals erreicht
Mit seinem Roman entwarf Erich Kästner ein Gesellschaftsbild Berlins am Vorabend der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933. Wie er 1950 im Vorwort zur Neuauflage schrieb, wollte er „vor dem Abgrund warnen, dem sich Deutschland und damit Europa näherten“.
Für Kästner gingen in dieser Zeit politischer und moralischer Verfall der Gesellschaft Hand in Hand. Die abwartende Passivität derjenigen, die die gesellschaftlichen Verhältnisse durchschauen ist zentraler – und bis heute aktueller – Aspekt seiner Kritik.
Kaum stillbare Vergnügungssucht
Kästners Großstadtroman „Fabian“ spiegelt eindrücklich das Leben im Berlin der 1930er Jahre wider und zeigt deutlich die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise und der politischen Unsicherheit, die zu großer Arbeitslosigkeit, aber auch zu einer kaum stillbaren Vergnügungssucht der Menschen führt.
Die Handlung spielt in Berlin des Jahres 1931. Während der 32jährige Germanist Jakob Fabian tagsüber seiner Arbeit als Werbetexter nachgeht, erkundet er nachts zusammen mit seinem Studienkollegen Labude die Unterweltkneipen, Bordelle und Künstlerateliers.
Dr. Jakob Fabian, lässt sich durch das Berlin der „Goldenen Zwanziger“ treiben. Er versucht im Labyrinth der Großstadt seine Integrität und seine Moral zu behaupten. Doch die Stadt windet sich wie in einem Fiebertraum; die junge Demokratie der Weimarer Republik wird mehr und mehr in ihren Grundfesten erschüttert.
Fabian gibt sich meist als distanzierter Beobachter und hat jeglichen Glauben an Moral und Anstand aufgegeben, doch als er sich eines Nachts in die selbstbewusste Cornelia Battenberg verliebt, beginnt Fabian wieder an das Gute zu glauben. Als am nächsten Tag ein kleiner Junge von einer Brücke fällt, springt Fabian hinterher, um ihn zu retten. Während der Junge ans Ufer schwimmt, ertrinkt Fabian, weil er nicht schwimmen kann. Der Zug, der durch die Jahre jagt, kommt niemals an sein Ziel.
Die Geschichte eines Moralisten
Das Thema „Fabian“ ist die Geschichte eines Moralisten, die inzwischen unter dem Titel „Fabian oder der Gang vor die Hunde“ von Dominik Graf (u.a. mit Tom Schilling, Meret Becker und Anne Bennent) verfilmt und im Juni 2021 im Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele Berlin seine Premiere feierte und im Rahmen der Verleihung des Deutschen Filmpreises 2021 mit der „Silbernen Lola“ ausgezeichnet wurde. Das ZDF hatte diesen Film in dieser Woche in seinem Programm.
In der Produktion von „Junges Theater Wuppertal“ führt Barbara Büchmann Regie, die Choreographie ist von Luca Völkel, die Dramaturgie ist von Victoria Di Bello, das Schauspiel-Coaching hat Kevin Wilke übernommen. Das Copyright für das Tanzensemble des Tanzhauses Wuppertal hat Leander Kemperdick.
Man darf gespannt sein, wie dieses spannende und eindrucksvolle Thema in Wuppertal auf die Bühne gebracht wird. Weitere Vorstellungen gibt es am Samstag, 15. April, Sonntag, den 16. April sowie Donnerstag, den 20. April, jeweils um 19.30 Uhr im Engelsgarten.
Text: Siegfried Jähne
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