17. April 2023Peter Pionke
„Fabian“: Die verzweifelte Suche nach Orientierung
Kästners inzwischen auch verfilmte Romanvorlage bietet viele Anknüpfungspunkte zu aktuellen Themen, aber auch (verquerte?) Ansichten der Jugend unserer Zeit, die Regisseurin Barbara Büchmann in Ansätzen offen legt: „Und jetzt sitzen wir wieder im Wartesaal, und wieder heißt er Europa!
Und wieder wissen wir nicht, was geschehen wird. Wir leben provisorisch, die Krise nimmt kein Ende“. Eine Reise ins Ungewisse, gespielt in Berlin zur Zeit am Ende der Weimarer Republiken, am Vorabend von Hitlers Machtübernahme.
Schweinehälfte als Brechreiz?
Der meist beobachtende Charakter der mit Helena Hebecker besetzten Hauptrolle „Fabian“, liefert den roten Faden des Geschehens. An dieser eher widersprüchlichen und lethargischen Person laufen kurze Szenen aus den wilden „Zwanziger Jahren“ im schnellen Wechsel ab, bei denen wegen der thematischen Vermischungen, aber auch der Verteilung der Geschlechterrollen in Mehrfachbesetzung schon mal die Orientierung verloren gehen kann.
Strukturhilfen gibt das Bühnenbild, in dem Neonlichter jeweils anzeigen ob das Werbebüro, die Redaktion, das Café am Tiergarten oder das „Frischfleisch“ dargestellt wird. Eine interpretationsbedürftige, am Haken hängende Schweinehälfte läßt der Fantasie freien Lauf. „Ich will meinendem Brechreiz nicht zu viel zumuten“, so ein Kommentar des Protagonisten.
Während der arbeitslose Fabian durch die Suche nach seinem Platz in der Gesellschaft in einer Situation der Orientierungslosigkeit innere Konflikte austrägt, erlebt er auf seinen Streifzügen durch das Berliner Nachtleben eine enttäuschte Liebe und nach einem verhängnisvollem Scherz den Freitod seines Freundes Labude.
Selbstloser, tödlicher Rettungsversuch
Eine Anstellung bei einer rechtsnationalen Zeitung lehnt Fabian aus moralischen Gründen ab. Dennoch fragt er sich, warum er angesichts der politischen Verhältnisse nur ein Zuschauer bleibt?. „Ich kann vieles und will nichts. Wozu soll ich vorwärts kommen? Wofür und wogegen? Nehmen wir wirklich einmal an, ich sei der Träger einer Funktion. Wo ist das System, in dem ich funktionieren kann? Es ist nicht da und nichts hat Sinn.“
Am Ende wird ein Text vorgetragen, wo Fabian einen kleinen Jungen, der auf dem Geländer einer Brücke balanciert – und in den Fluss fällt. Selbstlos springt Fabian hinterher und möchte dem Jungen helfen. Dieser kann sich allerdings alleine ans Ufer retten, während Fabian ertrinkt, weil er nicht schwimmen kann.
Wie bei Kästner darf auch in der Bühnenfassung von Gero Vierhuff beobachtet werden. Lösungen bietet indessen keiner. Antworten auf brennende Fragen werden nicht geliefert. Wie auch?
Text Siegfried Jähne
Eine weitere Vorstellung steht im Engelsgarten am Donnerstag 20.04.2023 um 19:30 Uhr auf dem Programm.
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