16. Juni 2023

Pflege: Das Aus für alternative Wohnformen? 

Ab 1. Januar 2024 gibt es mehr Geld: Die Zuschüsse von der Pflegekasse zum Eigenanteil der Pflegebedürftigen steigen. Und zwar deutlich, denn gab es bislang fünf Prozent im ersten Jahr, werden es künftig schon 15 Prozent sein. Alle weiteren Staffelungen steigen jeweils um fünf Prozent, was bis zum Ablauf von zwei Jahren 30 Prozent, bis zum Ablauf von drei Jahren 50 Prozent und darüber hinaus 75 Prozent ausmachen wird. 

Michael Wessel, Inhaber von Pflege Wessel – © Pflege Wessel

Der Haken: Dies gilt nur für die vollstationäre Pflege. Alternative Wohnformen – wie beispielsweise durch private Anbieter ambulant betreute Wohngemeinschaften – sind im neuen Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) nicht berücksichtigt – und damit klar benachteiligt.

Eine Anfrage beim Bundesministerium für Gesundheit, ob eine Nachbesserung vorgesehen sei, blieb unbeantwortet. „Damit entscheidet noch stärker als bisher die finanzielle Situation anstatt des Wunsches der Pflegebedürftigen bezüglich ihrer Unterbringung“, sagt Michael Wessel, Inhaber Pflege Wessel in Wuppertal. 

Der Ambulante Pflegedienst betreut Wohngemeinschaften für Demenzkranke – eine Wohnform, die viele Betroffene und Angehörige einer vollstationären Unterbringung vorziehen. Das sieht Christoph Hansmann, Geschäftsführer der AmbuCare Holding GmbH mit Sitz in Köln, ähnlich und ergänzt: „Auch viele Pflegekräfte bevorzugen die Wohngemeinschaften als Arbeitsplatz. Bewohner und Mitarbeiter wachsen dort zusammen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass diese Wohnform nun klar benachteiligt werden soll.“

Grundsatz „ambulant vor stationär“ ausgehebelt

Zudem gelte der Grundsatz „ambulant vor stationär“, der ebenfalls ad absurdum geführt werde, wenn „mit zweierlei Maß bei der finanziellen Unterstützung gemessen wird“, sagt Wessel. Denn privat geführte Unternehmen haben seit Inkrafttreten der Tarifpflicht für Pflegekräfte am 1. Januar 2023 ihre Pauschalen erhöht: Unterbringung, Pflege und Betreuung in Wohngemeinschaften werden teurer. 

„Mit der Erhöhung der finanziellen Unterstützung zur vollstationären Pflege wird es für viele eine Entscheidung aus Kostengründen“, prognostiziert Wessel. „Und fast alle Bewohner von Pflege-Wohngemeinschaften werden zu Sozialfällen.“

In Kombination mit der Tarifpflicht werden viele der bundesweit etwa 4.000 ambulant betreuten Wohngemeinschaften vor dem Aus stehen (Quelle: Landesarbeitsgemeinschaft ambulant betreute Wohngemeinschaften in Baden-Württemberg e.V.“, LABEWO). „Die Politik muss schleunigst handeln, weil alte Menschen in diesem Land leider keine Lobby haben.“

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