22. Juli 2023Peter Pionke
Ralf Aust hat den schärfsten Online-Shop
Die Rasiermesser-Manufaktur Ralf Aust ist ein Einmannbetrieb, der mit seinen Premium-Produkten die ganze Welt beliefert. Die Rasiermesser aus der Hand des 59jährigen haben längst Kultcharakter und sind Liebhaber-Objekte.
Es gibt sie übrigens wirklich noch, die mutigen Männer, die sich nach „Alter Väter Sitte“ mit einem traditionellen Rasiermesser die Bart- oder Körperhaare entfernen. Einer von Ihnen ist Wolfgang Kaminski, früher Manager u.a. von Showstars wie Roy Black, Karel Gott, Wencke Myhre, Daliah Lavi, Dschinghis Khan oder auch von DJ Ötzi.
Inzwischen hat er unter dem Pseudonym Max Heide als erfolgreicher Maler selbst Karriere gemacht. Er ist mittlerweile stolzer Besitzer von sieben Rasiermessern aus dem Hause Aust. Für jeden Wochentag eines. Pure Sammelleidenschaft?
Marken-Radiermesser mit perfektem Schliff
Wolfgang Kaminski: „Überhaupt nicht. Es gibt vier Formen der Rasur. Erstens Elektro, das ist total unsexy, zweitens Mehrklingen-Plastikrasierer, das ist langweilig, spannender wird es dann schon mit einem Rasierhobel mit offener Klinge und richtig scharf ist das Rasieren erst mit einem Marken-Rasiermesser, dessen Klinge den perfekten Schliff hat. Ich brauche morgens beim Rasieren die volle Konzentration. Das macht mich frei und glücklich. Das ist für mich der optimale Start in den Tag. Wenn ich einmal nicht gut drauf oder in Eile bin, rühre ich meine Rasiermesser erst gar nicht an.“
Wolfgang Kaminskis nostalgische Bartschneider haben unterschiedliche Formen und Größen. Nach Gefühl entscheidet er morgens, welches Messer er benutzt. Und natürlich gehören für ihn der gute, alte Rasierpinsel und konventionelle Rasierseife sowie ein Leder-Abziehriemen zu seiner Grundausstattung.
Im Gegensatz zu herkömmlichen Naß-Rasierern aus dem Supermarkt müssen die Klingen von Rasiermessern regelmässig mit Öl gepflegt werden. Und sie brauchen auch ihre „Ruhepausen“, damit sich die superscharfe Klingenspitze nach Gebrauch wieder aufrichten kann.
Auch die 15 verschiedenen Griffe, Hefte oder Schalen aus mehreren speziellen Hölzern oder Carbon, die der Kunde je nach Geschmack und Geldbeutel auswählen kann, stellt Ralf Aust selbst her. Er schneidet sie mit seiner Lasermaschine aus Platten heraus und bearbeitet sie dann weiter.
Der Benutzer eines Marken-Rasiermessers braucht schon eine besondere Beziehung zu diesem besonderen Utensil. Ralf Aust: „In die meisten Messer, die ich ausliefere, graviere ich auf Wunsch des jeweiligen Kunden ganz individuell einen Namen, einen Spruch oder eine Lebensweisheit ein.“
Eine Kundin, die offensichtlich für den Mann ihres Herzens ein Rasiermesser bestellte, ließ darin von Ralf Aust eingravieren: „Für immer Dein“. Eine wirklich scharfe Liebeserklärung.
Der Schleif-Künstler kennt auch einige Frauen, die sich selbst ein Premium-Rasiermesser aus Solingen gönnen, um beispielsweise damit als Alternative zum Epilieren oder Entwachsen die Haare an den Beinen zu entfernen.
Und dann gibt es noch die leidenschaftlichen Sammler, die einfach nur ein schönes und besonderes Raisermesser besitzen möchten. Oder Damen rufen ein paar Tage vor Weihnachten oder dem Geburtstag ihres Liebsten bei Ralf Aust an und sagen: „Machen sie mal was schönes. Sie wissen doch was mein Mann noch nicht hat und ihm gefallen wird.“
Der gelernte Scherenschleifer hat 44 Jahre Berufserfahrung auf dem Buckel. Vor zehn Jahre trat er in die Fußstapfen seines Schwiegervaters und machte sich mit seiner Rasiermesser-Manufaktur selbständig.
Jeden Morgen um Punkt sieben Uhr geht in seiner kleinen Werkstatt das Licht an. Pro Monat stellt er rund 200 Rasiermesser her. Fast alles echte Handarbeit.
Lediglich die groben Rohlinge für die Klingen lässt er von der Solinger Edelstahlschmiede Herkenrath anfertigen.
Handgemachte Rasiermesser kosten 100 bis 330 €
Zwischen 100 € und 330 € kosten seine vollhohl geschliffenen Premium-Rasiermesser, je nach Aufwand und Material. Über 60 verschiedene Arbeitsgänge sind notwendig, bis die Messer in die schmucke schwarze Schachtel mit dem silbernen Aufdruck „Aust Rasiermesser-Manufaktur“ gelegt werden können.
Auch wenn noch einige Friseursalons und Barber-Shops seine megascharfen Produkte bestellen, die meisten Kunden sind mittlerweile Privatleute. Ralf Aust weiß auch warum: „Den professionellen Friseuren ist auf der Pflegeaufwand zu hoch, da nehmen sie zum Rasieren lieber Wegwerfklingen.“
Ralf Aust liebt seinen Beruf, dass sieht man seinen Produkten auch an. Der „Selfmademan“: „Was die Nachfrage angeht, könnte ich sicher zehn Mitarbeiter einstellen.“ Er bleibt aber lieber seinem Motto treu: Klein, aber fein. „Da weiß ich wenigstens, dass die Qualität stimmt. Den Stress, den ich habe, mache ich mir alleine. Und wenn ich einmal einen Rohling beim Schleifen versemmel, bin ich selbst dafür verantwortlich und kein anderer.“
Auch seinen Online-Shop mit immerhin 1.500 verschiedenen Artikeln pflegt Ralf Aust selbst. Und er achtet penibel darauf, dabei alle Gesetze und Verordnungen einzuhalten. Wer bei ihm ein Rasiermesser bestellt, muß ihm eine Kopie seines Personalausweises zumailen. An Kunden unter 18 Jahren darf er keines seiner superscharfen Produkte ausliefern – ähnlich wie bei den scharfen Produkten in den Online-Shops der Erotik-Branche.
Und wenn er einmal nicht hinter seiner Schleifmaschine sitzt, spielt er Golf oder Karambolage-Billard, da kommt es auch auf Präzision an.
Beim Verpacken der bestellten Messer hilft ihm Ehefrau Ilona. Das kann sie sich bei einem Stammkunden wie Wolfgang Kaminski alias Max Heide allerdings sparen. Er schaut immer persönlich bei Ralf Aust vorbei und sucht sich ganz gezielt sein neues, handgefertigtes Messer aus – damit beim Rasieren wirklich alles glatt geht…
Text: Peter Pionke
Link zu Webseite von Rasiermesser-Schmied Ralf Aust:
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