23. Juli 2023Peter Pionke
Erika Schneider: „Stern-Stunde“ in Rio de Janeiro
Manche kennt man gut, andere weniger. Aber wer die Texte liest, möchte sie sie vermutlich alle persönlich kennenlernen. So hat es jedenfalls eine Leserin und alte Freundin des Autors formuliert. – Bisher erschienen: Klaus Schumann und Michael Walter. Diesmal dreht sich alles um Erika Schneider.
„Für diese Erlebnisreise mussten wir, mein Mann und ich, vor Jahren einen weiten Flug in Kauf nehmen, nämlich von Frankfurt nach Santiago de Chile. Hier hatten wir eine Stunde Aufenthalt. Weiter ging ging es mit einer kleinen Maschine. Sie stand auf dem Rollfeld für uns bereit.
Mit ihr überflogen wir bei klarem, wolkenlosem Himmel die Anden und landeten schließlich in der südlichsten Stadt Chiles, Punta Arenas. Wir hatten Glück, vor wenigen Tagen herrschte hier ein so gewaltiger Sturm, dass die Bewohner nur mit äußerster Anstrengung die Straßen hatten überqueren konnten. Jetzt war es frühlingshaft mild und die Sonne schien.
Besuch der Stadt am Ende der Welt
Der Hafen von Punta Arenas war einst Ausgangspunkt für antarktische Expeditionen. Hier lag nun unser schwimmendes Hotel, mit dem wir unsere Reise fortsetzen wollten. Aber erst am übernächsten Tag, und so blieb uns einen Tag zur freien Verfügung um die größte Stadt an der Magellanstraße kennen zu lernen.
In der Mitte der Stadt befindet sich ein kleiner Park. Hier steht das Denkmal Magellans, umgeben von vier Feuerland-Indianern. Wir bummelten durch die Stadt, deren Häuser noch zum größten Teil aus der Kolonialzeit stammen.
Am Nachmittag verabschiedete sich das Schiff von Punta Arenas und nahm Kurs auf den Beagle-Kanal. Am nächsten Morgen erlebten wir um 7.00 Uhr einen strahlenden Sonnenaufgang. In der Ferne erhoben sich die ersten Gletscher Feuerlands. Je weiter wir durch den Beagle-Kanal fuhren, je größer und gigantischer präsentierten sich die Gletscher. Bei diesem Anblick schweigt der Mensch und genießt.
Am Mittag erreichten wir dann die südlichste Stadt der Welt, Ushuaia. Die Stadt am Ende der Welt liegt am Beagle-Kanal im Süden Feuerlands. Sie gehört zu Argentinien und war einst eine Sträflingskolonie. Heute leben dort rund 35.000 Einwohner, und sie ist zu einem Anziehungspunkt für den Tourismus geworden.
Bei unserer Ankunft zeigte sich die Stadt von ihrer schönsten Seite. Die schneebedeckten Berge, die sie umgaben, präsentierten sich bei diesem tollen Wetter in ihrer ganzen Pracht. Wir hatten einen Ausflug um Lago Escondido gebucht .Dieser glasklare See liegt in einer waldreichen Landschaft, von hohen Bergen umgeben. Hier hatten wir Zeit für einen herrlichen Spaziergang.
Um 22:00 Uhr verabschiedete sich das Schiff mit einer wehmütigen Melodie. Die Außendecks des Schiffes waren bevölkert mit Kreuzfahrern, um Abschied zu nehmen, von der südlichsten Stadt der Welt.
Doch nun konzentrierten sich alle auf das nächste Ziel. Das Schiff nahm Kurs auf Kap Horn. Am späten Abend gingen mein Mann und ich noch einmal an Deck, ein banger Blick zum Nachthimmel, sämtliche sichtbaren Sterne hatten sich am Firmament versammelt.
So schlich ich dann am nächsten Morgen ganz früh aus der Kabine, ging an Deck, es war lausig kalt, aber keine Wolke weit und breit. Ich also zurück in die Kabine: „Werner aufstehen, gleich geht die Sonne auf.“
Das ließ er sich nicht zweimal sagen, kaum hatten wir die Außendecks erreicht, tauchte die Sonne glutrot aus dem Meer auf. Wir gingen bis zur Brücke, der Kapitän winkte uns heran, er strahlte und meinte, so eine Kap-Horn-Fahrt würde auch er nur alle paar Jahre erleben.
Traumwetter am „berüchtigten“ Kap Horn
Mit unserem verhältnismäßig kleinen Schiff konnten wir ganz nahe an das Kap heranfahren. Dann lag das Felsmassiv, das sich bis zu einer Höhe von 424 Metern aus dem Meer erhob zum Greifen nah vor uns. Es markiert den südlichsten Punkt Südamerikas.
Aber was war mit meinem Mann los: „Sag mal, fehlt dir was?“ Er sah mich an, „Nein nein, alles perfekt, zu perfekt“, murmelte er. Mir ging eine Stalllaterne auf: „Du hättest wohl ein bisschen Sturm.“ Ich sah ihn an. „Und ich bin so froh, dass wir die Kap-Horn-Umrundung bei so einem tollen Wetter erleben dürfen, du Seebär.“
„Na ja, für dich freut es mich ja auch, du hattest ja genug Angst, aber mir ist das Wetter etwas zu südseehaft.“ ich gab ihm einen Schubs: „Und nun komme und genieße mit mir.“ Das tat er dann auch. Unser Kapitän ließ sich bei der Umrundung des Kaps Zeit. Vielleicht dachte er an den Seefahrer „Wilhelm Cornelius Schouten (sprich Schauten), der als erster 1616 das Kap umsegelte und es anschließend nach seinem holländischen Geburtsort Horn benannte.
Unser nächstes Ziel waren die Falkland-Inseln. Die erste, die wir besuchen wollten, war Carcass Island und gehört zu den West-Falkland-Inseln, ein kleines Naturschutzparadies. Das Tandern zu dieser Insel war bei leichtem Seegang schon etwas abenteuerlich, begleitet wurden wir von einem Schwarm Delphine, die die Touristen als dankbare Abwechslung ansahen.
Wir verließen die westlichen Falkland-Inseln und erreichten am nächsten Morgen die Ost-Falkland-Inseln. Im Hafen der Hauptstadt Port Stanley legten wir an. Hier lebten zu der Zeit etwa drei Viertel der gesamten Falkland-Bewohner. Das imposanteste Gebäude war der Amtssitz des Inselgouverneurs, die interessantesten Souvenirs waren wunderschöne Briefmarken, die zum Kartenschreiben animierten, schließlich bekommt nicht jeder eine Ansichtskarte von den Falkland-Inseln.
Beeindruckt von hinreißender Tango-Schau
So waren wir dann auch etwas zögerlich mit Abschiednehmen, aber es half nichts, die Reise ging weiter nach Puerto Madryn. Diese Stadt liegt an der Küste des Golfo Nuvo, entdeckt hat sie der portugiesische Seefahrer Magellan. Heute ist sie eine moderne Hafenstadt mit etwa 20.000 Einwohnern. Unser Ausflugsziel war die Halbinsel Valdes, eines der wichtigsten Naturschutzgebiete Argentiniens. Brutstätte für Glattwale, Seeelefanten und Seelöwen.
Als wir nachmittags nach Puerto Madryn zurückkehrten, tummelten sich doch tatsächlich ein paar Seelöwen im Hafenbecken. Mit diesem Bild nahmen wir Abschied von einer fernen Welt. Ungefähr 700 Seemeilen trennten von unserem nächsten Ziel, Argentinien. Hier hieß unser Ausflugsziel Buenos Aires. Dort hatten wir zwei Tage Aufenthalt Und für den ersten Abend gleich eine Tango-Schau gebucht, in San Telmo.
Wenn wir auch keine guten Tänzer waren, aber mein Mann spielte diverse Instrumente, und er liebte den Klang des Bandoneons. Die Tango-Schau war grandios, die Bandoneonspieler, waren ältere Musiker, die ihr Instrument perfekt beherrschten. Die Tänzer tanzten mit einer Perfektion, die atemberaubend war. Der Applaus nahm kein Ende.
Für den nächsten Tag hatten wir eine Stadtrundfahrt gebucht, um wenigstens ein paar Sehenswürdigkeiten dieser quirligen Millionenmetropole mitzubekommen, darunter der berühmte Friedhof La Recoleta, der für seine aufwendigen Gruften berühmt ist. Hier befindet sich die letzte Ruhestätte von Evita Peron.
Das Opernhaus ist ein Prachtbau für sich. Es wurde am 25. Mai 1908 mit der Oper „Aida“ eröffnet. Wir fuhren über die Piaza de Majo, benannt nach der Mai-Revolution. Sie ist das Herzstück von Buenos Aires. Später hatten wir noch Zeit, uns das berühmte Künstlerviertel La Boca mit seinen bunten Wellblechhäusern anzuschauen. Hier war der Tango allgegenwärtig zu Hause.
Als wir aufs Schiff zurückkehrten, bemerkte ich einen jungen, gutgekleideten Mann, den ich zuvor noch nicht gesehen hatte. Er vertrat die Firma Hans Stern, eine Diamantendynastie mit Sitz in Rio de Janeiro, unserer nächsten Station. Der junge Mann verteilte Prospekte. Ich blätterte durch den Katalog, traumhafte Schmuckstücke, nichts für meine Geldbörse.
Mein Mann blätterte ebenfalls und stieß auf eine Pressemitteilung, die eine kurze Lebensbeschreibung über Hans Stern enthielt. Mein Mann zeigte mir den Artikel und meinte schmunzelnd: „Hier hast du einen ganz und gar besonderen Wuppertaler für deine Bürgerfunksendung.“ Mir stockte der Atem, da stand doch tatsächlich: „Hans Stern, geboren in Wuppertal.“
Ich suchte den Agenten auf, und erzählte ihm, das ich in Wuppertal, im Lokalradio, eine Sendung starten würde mit dem Titel „Der besondere Wuppertaler“. Dass dies im Rahmen des Bürgerfunks geschah, musste ich ja nicht erwähnen. Ich sah den jungen Mann strahlend an, sah ich doch meine Chance, ein paar Worte mit dem berühmten Hans Stern wechseln zu dürfen.
Privataudienz bei Diamanten-König Hans Stern
Der Agent nahm meine Visitenkarte, „Radio Impuls“, entgegen und meinte, wenn wir nach Rio kämen, sei der Senior in der Firma: „Mal sehen was ich machen kann.“Ein Tag, bevor wir im Hafen von Rio de Janeiro einliefen, kam der Agent auf uns zu mit den Worten: „Sie werden im Hafen von Rio von einem unserer Mitarbeiter abgeholt, Hans Stern wird sie empfangen.“
Ich bedankte mich, dann sah ich meinen Mann an: „Mir wird schwindelig.“ Mein Mann: „Da musst du durch. Wir müssen da durch.“ Im allgemeinen empfing Hans Stern keine Reporter. „Ja“, sagte ich, „das sind ja auch keine Bürgerfunker.“Dann stand sie da, für uns abholbereit, eine schwarze Limousine. Ein junger Chilene, der perfekt deutsch sprach, begrüßte uns: “Ich bin Ihr Begleiter.“ Er öffnete die Autotüre, eine Glasscheibe befand sich zwischen dem Fahrer und uns.
Unser Begleiter saß neben dem Fahrer. „Wir fahren Sie zunächst zur Firma, schauen Sie sich alles in Ruhe an, die Auslagen, den Film über die Herstellung von Diamanten, ich bleibe in Ihrer Nähe, und bringe sie anschließend in das Büro unseres Seniorchefs.“Dann standen wir vor meinem „besonderen Wuppertaler“. Ein kleiner, älterer Mann empfing uns freundlich. „Was ist der Anlass Ihres Besuchs“, wollte er wissen.
Ich gab ihm den Zeitungsartikel und erzählte von unserer Radiosendung „Der besondere Wuppertaler“. Der Chef des Imperiums schmunzelte: „Gebürtig bin ich aus Essen, aber ich hatte Verwandte in Wuppertal.“ Na, das kann man doch noch durchgehen lassen, oder? Wir plauderten noch eine Weile bei Gebäck und Tee, Ich hüstelte und sah Hans Stern an: „Darf mein Mann ein Foto von Ihnen und mir machen? Werner Schneider durfte. „Haben sie noch einen Wunsch?“, fragte Hans Stern. „Oh ja, für meine Radiosendung benötige ich eine CD mit dem Sänger Antônio Carlos Jobim, der das Mädchen von Ipanema berühmt gemacht hat.“
Ich durfte sie mir im Verkaufsshop abholen. Ich versprach ihm einen Mitschnitt der Sendung zuzuschicken. Der junge Mann, der uns hergebracht hatte, fuhr uns auch wieder zum Schiff zurück. „Wie lange bleiben sie noch in Rio?“, wollte er wissen. „Noch eineinhalb Tage“, sagten wir. „Wenn Sie möchten, hole ich Sie morgen früh ab, ich stehe Ihnen für zwei Tage zur Verfügung.“ „Wie kommen wir zu dieser Ehre?“
„Das hat mein Chef so angeordnet.“ Mein Mann räusperte sich: „Ja, dann sind wir Morgen um 10.00 Uhr startklar. Ich betrat wie auf Wolke 7 die Schiffsplanken. Die nächsten beiden Tage waren ausgefüllt mit Fahrten zum Corcovado, zum Zuckerhut, zum berühmten Maracana-Stadion und zum Strand von Ipanema. Hier machten wir halt und luden unseren chilenischen Reiseleiter zum Essen ein.
Wir schossen noch ein paar Erinnerungsfotos Das wichtigste Foto, meine Wenigkeit und Hans Stern zeigend, hütete ich wie einen Augapfel. Denn ohne diese Foto hätte mir zuhause keiner die Story geglaubt.
So brachte dann die WZ am 15. April 1997 einen Artikel mit besagtem Bild und Text, dass Erika Schneider in Rio de Janeiro ihre Sternstunde mit Hans Stern hatte.
Über Erika Schneider
Erika Schneider ist Gründerin des „Literaturcafés“ am Eckbusch. Sie erlernte einen kaufmännischen Beruf, hatte aber immer einen Faible für die Kultur. Sie schrieb sie Theaterstücke wie „Halbstarke klagen an“ und veröffentlichte das Buch „Sybille’s mörderische Abenteuer“, ein Sammelband ihrer Sybille-Voß-Kurzkrimis: Neben Kurzkrimis verfasst Erika Schneider Reisebeschreibungen und Gedichte.
Mit ihrem Ehemann Werner ist Erika in der ganzen Welt herumgekommen, ob es das Ziel Papua-Neuguinea, Australien oder Orinoko hieß. Und nicht zuletzt auch Ushuaia (Argentinien) und Rio de Janeiro.(Brasilien).
1998 waren Schneiders in der grönländischen Hauptstadt Nuuk, wo man mit Journalisten der ortsansässigen Radiostation zusammentraf. Erika Schneider arbeitet seit langem für das Bürgerradio auf der Frequenz von „Radio Wuppertal“ und für „Radio Kilowatt“, das im Katholischen Vereinshaus am Laurentiusplatz produziert wird.
„Radio mache ich am liebsten“, bekennt Erika Schneider, die weiter durch die weite Welt tourt, um Menschen kennenzulernen. Ihre Mutter war Weißnäherin, ihr Vater fiel 1941 in Rußland. Das war , Erika gerade einmal drei Jahre alt. Ein existentieller Grund für sie, sich für den Frieden in Europa einzusetzen.“
Bearbeitet von Dr. Matthias Dohmen
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