3. August 2023Peter Pionke
Die Traumkarriere des Schiedsrichters Robin Braun
Sein bis zu diesem Zeitpunkt bereits kometenhafter Aufstieg rückte in den Blickpunkt der Fachwelt. Die Schiedsrichter Karriere des Robin Braun ist in der Tat atemberaubend. Eine Karriere, die für ihn als 13jähriger im Jahre 2009 beim SV Jägerhaus-Linde begann.
Schon wenig später, im Jahre 2014, galt er als einer der landesweit besten Jung-Schiedsrichter und wurde für das deutsche Pokalfinale zwischen Bayern München und Borussia Dortmund im Berliner Olympia Stadion als Balljunge nominiert. 2017, drei Jahre später, leitete er 21mal Spiele der Regionalliga West. Seit 2019 pfiff er in der Dritten Liga so erfolgreich, dass man ihm schon seit 2021, jetzt 25jährig, Begegnungen der Liga 2 anvertraut.
Leidenschaft und Emotionen
Zwei Begriffe rücken im intensiven Gesprächen mit Robin Braun heute immer wieder in den Mittelpunkt: Leidenschaft und Emotionen. Kernsätze einer Beschreibungen für das, was ihn seit seinem 13. Lebensjahr prägt. Als eher mittelmäßig begabter pummeliger Fußballer, der sich in der Verteidigung und im zentralen Mittelfeld versuchte, folgte er ungewöhnlich früh dem Ruf der Schwarzkittel-Gilde.
Der Schüler des Remscheider Leibniz Gymnasiums brachte vor allem in den Fächern Sport und Sozialwissenschaften gute Leistungen. Keine schlechten Voraussetzungen also, um sich bereits in diesem Alter behaupten zu können. „Das Schiri-Amt trägt enorm zur Persönlichkeitsbildung bei“, erklärt er heute rückblickend.
Schiedsrichter haben ja quasi immer „Auswärtsspiele“. Schon als „Knirps“ musste er seine Anreise zu den angesetzten Spielen selbst organisieren und sich schließlich meist allein einem erwartungsvollen, oft emotionalen Publikum stellen. An diesen grundlegenden Anforderungen hat sich bis heute nicht wirklich viel geändert, wenn auch die Rahmenbedingungen eine ständige Weiterentwicklung und Professionalisierung erfahren haben.
Das Kopfkino hilft
Es ist der Moment, wenn er aus den Stadion Katakomben in die Sportarena heraustritt, der ihn heute am stärksten emotional berührt. Und wie geht er damit um? „Ich bin voll auf meine Aufgabe vorausdenkend fokussiert und blende aus, was um mich herum passiert. Das beginnt schon bei der Anreise. In meinem Kopfkino relativiere ich alle Risiken“, so seine Beschreibung für den Moment der Momente auf diese Frage.
Möglich ist das freilich wohl auch nur deshalb, weil er sich wie wohl alle Schiedsrichter der oberen Ligen auf jedes Spiel aufwendig vorbereitet. Dazu gehört das intensive Studium der Mannschaften, die er „pfeifen“ soll. Aus den Betrachtungen von Videos der letzten Spiele dieser Mannschaften gewinnt er unverzichtbare Erkenntnisse für seine herausfordernde Arbeit. Welche? und warum?
„Weil ich nur so die beste Position für eine gute Wahrnehmung erreichen kann“, sagt er. Er kennt damit die Spielsysteme und Standards der Vereine, antizipiert sie und richtet sein eigenes Stellungsspiel und seine Laufwege darauf aus.
Vertrauen gewinnen
Zur Vorbereitung gehört aber auch ein umfangreiches tägliches Fitness-Training nach Empfehlung des DFB sowie nach eigenem Ermessen. Dies geschieht meist auf dem Sportplatz oder -lieber noch- in den Wäldern des Bergischen Landes, wo er dann gerne die Seele baumeln läßt. Ausdauertraining steht genauso wie Sprint- und Mentaltraining auf dem Programm.
Schließlich gilt es im Spiel rund zehn bis zwölf Kilometer zu laufen und ständig hochkonzentriert zu sein. „Das ist Stress pur, danach ist man erst mal platt“ referiert Robin, der seinen Stil von niemandem kopieren will, sondern sein eigenes Konzept verfolgt. „Ich spreche mit den Spielern meist auf der Du-Ebene und versuche mit ihnen auch sprachlich auf Augenhöhe zu bleiben“.
Kommt es da nicht auch mal zu Akzeptanz-Problemen, zum Beispiel mit sogenannten Starspielern? „Für mich ist es unerheblich, welchen Status der Spieler hat. Mir ist wichtig, dass jeder Spieler von der ersten Minute an weiss, worum es geht, Vertrauen gewinnt und spürt, das wir das gemeinsame Ziel verfolgen, nämlich ein faires Spiel zu erleben in dem die bekannten Regeln gelten. Da wo es Auslegungsprobleme gibt, kommt es drauf an, wie sie kommuniziert werden“. „Erfolg hat auf Dauer nur, wer eine Fehlerkultur entwickelt und mit sich selbstkritisch umgehen kann“, so seine Einschätzung.
Tatsächlich hat sich das Bild der Schiedsrichter in den letzten Jahren enorm gewandelt, was nicht nur in der Kleidung seinen Ausdruck findet. Früher trug man nur Schwarz, einem Richter ähnlich, Hemden mit Kragen zum Beispiel. Heute treten Schiedsrichter doch eher wie Sportler auf, geben Interviews und scheuen die Öffentlichkeit nicht mehr. Es gibt beim DFB ein neues Verständnis für die Außendarstellung.
„Schiri, ich weiss wo du wohnst“
Die neue Offenheit beim DFB hat indessen auch seine Grenzen. Schiris, die heute in der Öffentlichkeit offiziell auftreten, haben eine intensive Schulung hinter sich. Dazu gehört auch der Umgang mit sensiblen Themen, wie etwa Politik, Sexualität, Religion, Geld und die der Privatsphäre.
„Schiri, ich weiß wo dein Auto steht, oder Schiri ich weiß es, wo Du wohnst“, sind typische Sprüche von erregten, unzufriedenen Fans, die den Unparteiischen in jeder Beziehung Zurückhaltung abverlangen.
So kann man Robin Braun folgerichtig auch nur bedingt Meinungsäußerungen entlocken. Seine Position etwa zur Fussball-Nationalmannschaft? „Die Leistung spricht für sich“, so die diplomatische Aussage. Wichtig ist ihm auch seine Privatsphäre. Seine Freundin, so verrät er immerhin, sei selbst aktive Fußballerin und bringe das notwendige Verständnis für seine Passion auf. Sehr eindeutig wird er indessen, wenn es um Themen wie Diskriminierung geht.
Er musste einmal ein Spiel der dritten Liga unterbrechen, nachdem ein Akteur von einem Zuschauer rassistisch beleidigt wurde. Die Begegnung wurde von ihm erst fortgesetzt, als eine entsprechenden Lautsprecherdurchsage den gewünschten Erfolg hatte. Hier hat der DFB seinen Schiedsrichter inzwischen klare Verhaltensregeln mit auf dem Weg gegeben. „Da gibt es keine zwei Meinungen, alle verfolgen das gleiche Ziel,“ sagt Robin Braun.
Spieler bekommen Millionen-und die Schiris…?
Die Diskrepanz der Einkommen von Spielern und Schiedsrichtern ist ein beliebtes Thema, nicht nur an den Stammtischen. Braun kann man hierzu kein Statement entlocken. Dass viele Bundesliga-Stars Millionen kassieren, ist hinlänglich bekannt. Im Gegensatz zu den Schiris in den unteren Klassen, die buchstäblich für ein Taschengeld pfeifen, verdienen die Unparteiischen in der 1. und 2. Bundesliga mittlerweile gutes Geld.. Dabei sind die Verdienstmöglichkeiten der Bundesligaschiedsrichter nach Kategorien gestaffelt.
Laut dem Fachmagazin „Kicker“ ( Ausgabe vom 28.09.22) konnten sie sich zuletzt über allgemein gestiegene Honorare freuen. FIFA-Schiedsrichter der Elite und First-Class kassieren demnach seit 2021 pro Saison 82.000 Euro Grundgehalt (davor: 80.000 Euro), die übrigen FIFA-Schiedsrichter und Schiris, die seit fünf Jahren in der Bundesliga pfeifen, 72.000 (70.000), die weiteren Erstliga-Referees 62.000 (60.000) und die Zweitliga-Unparteiischen 41.000 (40.000).
Die Spielhonorare haben sogar schon die zweite Steigerung hinter sich. Pro Bundesliga-Spiel gibt es aktuell 5600 Euro (21/22: 5300, davor: 5000) und ab nächster Saison 6000 Euro. In der 2. Liga ist es jeweils die Hälfte.
Erheblich geringer fallen naturgemäß die Verdienstmöglichkeiten für Schiedsrichter in den unteren Klassen aus. Auch wenn bei den meisten Schiris der Focus auf dem Fußball liegt, ist es unter den Unparteiischen nicht unüblich noch einem anderen Beruf nachzugehen, oft sind es Juristen, wie Dr. Robin Braun, der beim Wuppertaler Landgericht tätig ist. Man muss in diesem Zusammenhang sehen, dass die Schiedsrichter in den Spitzenklassen nicht zeitlich unbegrenzt aktiv sein können.
Vielfach wurde auch in Deutschland schon die Forderung nach „Profi-Schiedsrichtern“ laut. Zu diesem Thema führt Braun aus: „Ungeachtet der jeweiligen Einordnung, die Ausübung des Schiedsrichteramtes ist für mich eine Leidenschaft, welcher ich professionell nachgehe“.
Druck durch Wettbewerb
In Deutschland gibt es mit abnehmender Tendenz rund 45.000 Schiedsrichter. Aktuell werden in der ersten Bundesliga 24 Unparteiische eingesetzt. Der Wettbewerb ist in der Spitze immens groß. Schiris unterliegen nicht nur der öffentlichen, sondern auch der internen Bewertung.
So vergibt das Fachmagazin „Kicker“ regelmäßig Noten und veröffentlicht Ranglisten. „Natürlich schaue ich da drauf, aber wichtiger sind für mich die internen Bewertungen durch offizielle DFB-Beobachter“, erklärt Robin Braun. Hier wird jedes Spiel analysiert und im Rahmen eines Coaching von erfahrenen Kollegen besprochen.
In der Zukunft 1. Bundesliga?
Auch für Schiedsrichter gibt es Auf- und Abstiege, wenn auch nicht so zwangsläufig geregelt wie bei den Fussballvereinen selbst. Man darf also gespannt sein, wie sich der überaus sympathische und auch emphatische Wuppertaler Unparteiische hier weiter entwickelt. Inzwischen ist er natürlich längst nicht mehr „pummelig“, sondern hat das Gardemasse von 183 cm und dabei das Idealgewicht von 76 kg.
Für ihn selbst ist nach eigenem Bekunden beruflich und sportlich im Moment noch alles offen. So steht In diesem Jahr für Dr. Robin Braun das 2. juristische Staatsexamen auf dem Programm, der krönende Abschluss der juristischen Ausbildung. Ist es bestanden, ist er Volljurist.“
Und am 28. Juli beginnt die 2. Bundesliga; mit Dr. Robin Braun, davon darf man sicher ausgehen. Bei welchem Spiel ist noch offen. Aus guten Gründen werden die Ansetzungen vom DFB erst unmittelbar vor den Begegnungen bekannt gegeben.
Robin Braun freut sich auf die neue Spielzeit und hofft auf eine erfolgreiche Zweitligasaison mit guten Spielleitungen. Sein großes Ziel bleibt natürlich auf lange Sicht die 1. Bundesliga – das er das kann, hat er sehr eindrucksvoll am 22. April beim Bundesligaspiel TSG Hoffenheim gegen den 1.FC Köln bewiesen.
Text Siegfried Jähne
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