27. August 2023Peter Pionke
Die wissenschaftliche Welt zu Gast in Wuppertal
Autor Uwe Blass hat sich im Rahmen der Uni-Reihe „Transfergeschichten“ mit dem Umweltwissenschaftler über die Ziele des Kongresses unterhalten.
“Clean Environment, Human Health, Our future”, zu Deutsch, “Saubere Umwelt, menschliche Gesundheit, unsere Zukunft“, ist der Titel einer viertägigen Konferenz, die mit einem nie dagewesenen internationalen Aufgebot an Wissenschaftler*innen nach Wuppertal kommt. „Es ist eine der bedeutendsten, führenden Umweltkonferenzen weltweit“, erklärt Prof. Rinklebe zu Beginn.
„Das besondere daran ist, dass es eigentlich zwei Konferenzen sind, die erstmalig kombiniert werden. Beide haben eine lange Geschichte, eine jahrzehntelange Tradition. Sie wurden in der Vergangenheit immer an unterschiedlichen Standorten der Welt abgehalten und finden nun erstmalig in Deutschland, und zwar in Wuppertal, statt.“
Übergeordnetes Thema ist die Umweltverschmutzung mit all ihren schädlichen Stoffen mit dem direkten Fokus auf alle Schwermetalle. „Dazu gehören u.a. Blei, Quecksilber, Chrom, Nickel, Kupfer, Zink oder Kobald“. Aber auch die Spurenelemente werden von allen Seiten beleuchtet. Da gehe es dann um Stoffe wie Arsen oder Thalium. Auch Seltene Erden oder Elemente der chemikalischen Stoffgruppe PFAS, über die aktuell in der Presse vielfach berichtet wird, werden diskutiert.
1.000 angemeldete Kongressteilnehmer aus aller Welt
Ohne Zweifel brennt uns allen das Thema Umweltverschmutzung unter den Nägeln, sehen wir doch Tag für Tag deren Auswirkungen. Wir sägen sozusagen an unserer Lebensgrundlage, wenn wir Ökosysteme zerstören, die Artenvielfalt beschneiden und mit der zunehmenden Umweltverschmutzung auch Krankheiten, Hunger und Seuchen Vorschub leisten. Daher ist das Thema eine Mammutaufgabe für die gesamte globale Gemeinschaft.
Genau so global wie die Thematik ist daher auch die Teilnahme von über 1.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt. Dazu Jörg Rinklebe: „Die Wissenschaftler kommen von allen Kontinenten, aus mehr als 80 Ländern. Es haben sich 2000 Leute registriert, etwa 1000 werden wir hier erwarten. Es sind die führenden Wissenschaftler auf diesen Fachgebieten aus der ganzen Welt, zusammen mit ihren Arbeitsgruppen und Mitarbeitern. Wir erwarten auch Vertreter aus Behörden, der Industrie und aus Analysefirmen, weil wir das gesamte Spektrum abdecken wollen.“
Dabei gehe es u.a. darum, Messmethoden für Schadstoffe zu besprechen, diese zu bewerten und die Länderbehörden zu involvieren und auch in die Verantwortung zu nehmen, weil sie letztendlich für die Gefahrenabwehr und Gefahrenbewertung verantwortlich sind.
15 Jahre Vorbereitung auf die größte Umweltkonferenz
Jörg Rinklebe ist seit vielen Jahren in der internationalen Gesellschaft für Spurenelemente, der ´Trace Element Biogeochemistry`(ISTEB) aktiv, der er mittlerweile als Präsident vorsteht.
Er erklärt: „Seit 15 Jahren bereite ich diese Konferenz vor, in der Hoffnung, sie auch einmal nach Deutschland zu holen. Den Vorlauf braucht man, denn es gibt natürlich weltweit sehr viele Bewerber, die Interesse daran haben, einen solchen Kongress auszurichten. Jetzt haben wir es tatsächlich geschafft, diese internationale Konferenz nach Wuppertal zu holen. Als die Entscheidung des Vorstandes getroffen war, war es nicht mehr so schwierig, Leute zu akquirieren, weil es Teilnehmerlisten der vorangegenene Kongresse gibt. Über Anzeigenwerbung strömten dann die Anmeldezahlen. Die große Resonanz hat uns dann aber doch überwältigt.“
Der Wuppertaler Kongress wird auch eine einzigartige umweltpolitische Ideenschmiede sein mit dem größtmöglichen Themenspektrum aller Umweltverschmutzungsproblematiken. „Grundsätzlich decken wir alle Ökosystemkompartimente ab“, erläutert der Wissenschaftler, „das bedeutet, die Luft- und Wasserqualität, ebenso den Boden, Sedimente und auch Tiere.“
Das gehe von Walen und Delphinen angefangen, über Eisbaären bis hin zu kleinsten Mikroorganismen. Natürlich werde auch die Gesundheit des Menschen und die Wirkung schädlicher Stoffe auf den Organismus diskutiert. „Es gibt Stoffe, die in kleinen Mengen vom menschlichen Organismus benötigt werden, prominente Beispiele sind Zink oder Selen, die auch in Nahrungsergänzungsmitteln enthalten sind. Aber wenn eine gewisse Dosis überschritten ist, dann werden diese Stoffe toxisch, also giftig. Genau das untersuchen wir dann. Bei Arsen ist es ähnlich gelagert. Das sehen sich die Fachleute an.“
Die Bodenbelastung in den Fokus der Öffentlichkeit rücken
Jörg Rinklebes persönliches Hauptanliegen ist seiner Profession entsprechend die permanente Bodenbelastung, die weltweit noch immer nicht im Fokus steht. „Da fragt man dann, woran das liegt?“, sagt er, denn man müsse auch an die Langzeitfolgen denken. „Wenn die Luft verschmutzt ist, dann merkt das jeder sofort. Bei Smog haben Menschen Atembewschwerden, sie husten. Wenn das Wasser vergiftet ist, merken das alle auch sofort, denn sie werden krank. Wenn der Boden vergiftet ist, merkt man es nicht sofort, sondern es tritt ein verzögerter Effekt ein, oft erst Wochen, Monate, Jahre oder sogar Jahrzehnte oder Jahrhundert später.“
Wir wissen heute, dass frühere Industrien weltweit, auch in NRW und natürlich auch hier in Wuppertal, ihre Industrieabfälle einfach in den Gewässern beseitigt haben. „Diese Abfallstoffe lagerten sich in die Sedimente und Böden ein und der Effekt war nicht schnell messbar“ erklärt Rinklebe. „Aber heute, viele Jahre später, merken wir dann plötzlich den verzögerten Effekt, denn der Boden ist verschmutzt. Daher möchte ich gerne Böden und Sedimente in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses rücken, denn das ist der Ausgangspunkt für unsere Nahrungskette.“
Giftige Stoffe wandern aus den Böden ins Wasser, werden von Pflanzen und Tieren aufgenommen, die dann am Ende der Mensch auch konsumiert. „Diese Stoffe bewegen sich in der Nahrungskette, und das muss bewußt gemacht werden. Alles hängt miteinander zusammen. Wir sprechen da von ökosystemaren Zusammenhängen.“
Starke Wuppertaler Beteiligung im Organisationskomitee
Zur Konferenzvorbereitung und –durchführung konnte Rinklebe auch auf die interdisziplinäre Hilfe seiner Kolleginnen und Kollegen anderer Fächer zählen, die im Organisationskomitee aktiv mitgearbeitet haben und sagt: „Da haben wir Experten aus der Lebensmittelchemie, die wissen, wie schädliche Stoffe in die Nahrung kommen, Kollegen aus der analytischen und physikalischen Chemie, die Botanik ist vertreten und die Molekulare Zell- und Mikrobiologie ist dabei.“
Mit über 18.000 Kilometern Entfernung haben die neuseeländischen Gäste die weiteste Anreise ins Tal. Dem Anlass entsprechend findet die Eröffnung in Gegenwart politischer und wissenschaftlicher Prominenz statt und das ist wichtig, denn die Ergebnisse dieser intensiven wissenschaftlichen Tage in Wuppertal müssen auch über die Politik in die Gesellschaft getragen werden.
Am Ende der Tagung werden Schlussfolgerungen zusammengefasst, diverse Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Fachzeitschriften werden folgen. „Ich glaube, dass viele wissenschaftliche Ergebnisse viel stärker in die Gesellschaft und die Politik hineingetragen werden müssen“ fordert Rinklebe.
Der Wissenschaftler weiter: „Die Hauptbotschaft ist, dass wir uns stärker um die Umweltverschmutzung und die schädlichen Stoffe kümmern müssen. Im öffentlichen Bewusstsein ist bisher nur CO2 und der Klimawandel verankert. Das ist natürlich gut und richtig, aber dabei werden die schädlichen Stoffe fast ganz vergessen und spielen noch eine untergeordnete Rolle. Das muss sich ändern. Und auch die Politiker müssen über eine Legislaturperiode hinaus denken, auch wenn sie vielleicht dann nicht mehr im Amt sind.“
Die Konferenz “Clean Environment, Human Health, Our future” findet vom 08. – 10. September 2023 an der Bergischen Universität im Gebäude K, Gaußstraße 20, 42119 Wuppertal, statt.
Weitere Informationen unter https://icobte-ichmet-2023.com
Uwe Blass
Über Prof. Jörg Rinklebe
Univ.- Prof. Prof. mult. Dr.-Ing. agr. Jörg Rinklebe ist seit 2006 Professor für Boden- und Grundwassermanagement an der Bergischen Universität Wuppertal. Er gilt weltweit als einer der einflussreichsten Wissenschaftler in seinem Fachgebiet. Seine Arbeiten werden sehr häufig zitiert, weshalb er zum „Highly Cited Researcher“ gekürt wurde.
Auf der Weltrangliste für Umweltwissenschaften steht er auf Platz 4, wobei bisher nur wenige deutsche Wissenschaftler überhaupt unter den ersten 100 Plätzen gelistet sind. Von 1997 bis 2006 war er als Wissenschaftler, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter in der Sektion Bodenforschung des UFZ-Umweltforschungszentrums Leipzig-Halle GmbH in Halle tätig.
Er studierte ein Jahr Ökologie an der Universität Edinburgh in Schottland (UK). An der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg studierte er Landwirtschaft und spezialisierte sich auf Bodenwissenschaften und Pflanzenernährung.
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