14. September 2023Peter Pionke
Künstler Klaus Burandt: Mit einer Urne durch Österreich
So hat es jedenfalls eine Leserin und alte Freundin des Autors formuliert. Bisher sind hier Erika Schneider, Klaus Schumann und Michael Walter porträtiert worden. Diesmal steht der Künstler Klaus Burandt im Fokus.
Klaus Burandt sagt man vielfältige Interessen und Fertigkeiten nach. Geboren wurde er am 17. März 1940 im pommerschen Stargard. Er war noch keine fünf, als am 05.01.1945 die Flucht begann. Zu Fuß nach Mecklenburg.
Die Volksschule besuchte er in Neu Wokern, das an der Strecke zwischen Teterow und Güstrow liegt. Den berühmten Bildhauer Ernst Barlach (02.01.1870 – 24.10.1938) hat er schon als Heranwachsender sehr geliebt und wäre selbst gern Steinmetz geworden. Stattdessen – die DDR garantierte jedem einen Arbeitsplatz, von freier Wahl wollte sie aber nichts wissen – machte er eine Lehre zum Gebrauchswerber. So nannte sich das.
Klaus Burandt malte „Ami, go home“-Plakate oder Friedenstauben und gestaltete „Friedensecken“, die es in jedem Betrieb gab, aus Zeichnungen, Fotos und Agitprop. Beliebtes Motiv: Sowjetsoldat plus deutscher Arbeiter.
Lehre als Schirmmacher
Er erinnert sich mancher Hauruckaktion. „So hieß es in einer MTS, einer Maschinen-Traktor-Station, an einem Montag: Samstag kommt eine Delegation, bis dahin muss die Friedensecke fertig sein. Und die Bühne gleich dazu.“ Dafür gab es zwar keine Knete, aber beispielsweise zwei Reifen.
Mit der Lehre in Teterow war er 1957 fertig geworden, zwei Jahre später türmte er in den Westen, und zwar alleine. Die Mutter, Maßschneiderin in Königsberg bis zu ihrer Heirat, zog ihm später nach. Den Vater, unselbständiger Kaufmann, hat er nie kennengelernt: Er fiel 1944 in der UdSSR. Ob er ein Grab hat und wo es liegt: Man weiß es nicht.
In der DDR hatte Klaus eigentlich keine Schwierigkeiten. Doch dann steckte ihm ein Schulkamerad, dass die SED-Kreisleitung ihn auf dem Kieker habe und er womöglich am nächsten Tag verhaftet würde. Und da erschien es Klaus Burandt sinnvoll, das Weite zu suchen und nachts um drei Uhr in einen Interzonenzug einzusteigen. Er erinnert sich, dass es der östliche deutsche Staat mit seinem antifaschistischen Engagement bei der Erziehung der Jugend ernster gehalten habe als der westliche.
Erste Station im Westen war Köln. Dort arbeitete er zur Probe, bis er davon hörte, dass in Elberfeld ein Hertie-Haus gebaut würde. 1959 stellte man ihn dort ein. Fünf Jahre blieb er dort, bei „maßvollem Verdienst“, wie er heute sagt.
Dann wechselte er in eine Lehre als Schirmmacher. Man köderte ihn damit, dass er „weiter dekorieren“ und dabei einen neuen Beruf lernen könne. „Schirm Potell“ hieß der Laden (gegenüber Pasche), der heute nicht mehr existiert. Sein Gesellenstück war ein Herrenschirm mit geschnitztem Griff, einem Pferdekopf aus Lindenholz.
In der Zeitung las er Mitte der 1960er Jahre, dass der Telefon- und Schulbuch-Verlag Schwann in Düsseldorf Leute mit zeichnerischem Talent suche. Beworben und angenommen. Später ging er nach Essen auf eine Schule, nach deren Abschluss er sich Farbtiefdruckretuscheur nennen durfte. Letzte und zeitlich ausgedehnteste berufliche Station war die Stadt Wuppertal, für die er als technischer Zeichner arbeitete.
Burandt hat über 50 Plakate und Postkarten entworfen, im Jubiläumsjahr des Zoologischen Gartens etliche Pinguine geschaffen, zahlreiche Karnevalsorden, Briefmarken, Plattencover, Altarbilder und ein Bühnenbild, Ostereier, Gebäckdosen und eine „Hummel“-Figur gestaltet und Bücher illustriert, darunter einen Reiseführer für Kinder und einen „Stadtbummel durch Berlin“, gehört der Gruppe „Henri Rousseau“ an und hat sich an zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland beteiligt.
Mit Orden und Auszeichnungen dekoriert
Seine Arbeiten hängen im Clemens-Sels-Museum (Neuss), im Altonaer Museum (Hamburg), der kürzlich geschlossenen Sammlung Holzinger (München) und in Pariser Museen, aber auch dem Von-der-Heydt-Museum. Eine Ausstellung ist ihm aber bislang verwehrt worden.
In dieser Beziehung sieht er sich ähnlich ignoriert wie der Wuppertaler Maler Walter Wohlfeld (26.06.1917 – 26.02.2002) und wie die Bildhauerin Ulle Hees (19.03.1941 – 09.07.2012), die u.a. die Skulpturen der Wuppertaler Originale „Mina Knallenfalls“ und „Zuckerfritz“ schuf.
Stichwort Orden: Klaus Burandt ist Hauptmann der Prinzengarde und Träger von Auszeichnungen wie des Toleranzordens, der auch Johannes Rau und Pina Bausch verliehen wurde, sowie jederzeit gern gesehener Gast auf Veranstaltungen der fünften Jahreszeit.
Themen, mit denen er sich seit langem beschäftigt, sind Preußen und der große Kurfürst, Dietrich Bonhoeffer, Katharina von Bora und Albert Schweitzer – für eine Kirche in Bremen hat er zum Lutherjahr einen lebensgroßen Bonhoeffer gestaltet. Er begeistert sich für die Geschichte und die Gegenwart Russlands und liest neben Biographischem (zuletzt über Heinrich Heine) mit Vorliebe Mundartliches von Theodor Tarnow und Fritz Reuter.
Klaus Burandt hat an ungezählten Ausschreibungen teilgenommen wie an dem Wettbewerb „Schiffe und Häfen“ der Zeitschrift „stern“ und des Altonaer Museums, Untertitel „Laienmaler“ zeigen ausgewählte Arbeiten aus dem Wettbewerb deutscher Laien- und Sonntagsmaler. Das war Anfang bis Mitte der 1970er Jahre. Burandt erhielt den 15. Preis bei insgesamt 11.330 Einsendungen.
Eine Freundschaft verband ihn mit Jiří Gruša, der mit Václav Havel im Gefängnis saß und die letzten Lebensjahre in der Bundesrepublik verbrachte. Dessen in einem Diplomatenkoffer deponierte Urne sowie dessen Witwe kutschierte Klaus Burandt vor fünf Jahren bei eisigen Temperaturen von hier nach Wien und weiter nach Prag, wo der Schriftsteller, Dissident und Diplomat schließlich im Familiengrab seine letzte Ruhr fand.
Verheiratet ist Klaus Burandt mit Birgitta, die ebenfalls in Diensten der Stadt Wuppertal stand, und zwar als Schulsekretärin und in der Stadtbibliothek. Das Interesse an Vergangenem hat er dem Sohn Boris Alexander vererbt, der als Archäologe an der Frankfurter Universität arbeitet.
Mittlerweile sind die beiden Burandts pensioniert, gehen aber, was nicht verwunderlich ist, denselben Hobbys und Leidenschaften nach wie vorher. Und vererben ihre Steckenpferde. So hat sich Klaus‘ Interesse für Geschichte, für die preußische und die deutsche Geschichte auf den Sohn übertragen. Boris Alexander Burandt hat schon als Siebenjähriger einen römischen Legionär gespielt. Später als Archäologe erforschte die Epoche des Römischen Reiches und ist heute Direktor des Museums Burg Linn.
Klaus Burandt ist übrigens einer der Protagonisten, die ich in meinem Buch „Männer im Tal“ porträtiert habe.
DR. MATTHIAS DOHMEN
„Männer im Tal“
Dr. Matthias Dohmen
Porträts
Weilerswist – Ralf Liebe – 2018
116 Seiten – 14,00 €
ISBN 978-3-944566-83-2
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