17. September 2023Peter Pionke
Jan Filipzik: Und, wie ist es so in Südkorea?
Komisch eigentlich, dass ich das Land vorher nie wirklich auf dem Schirm hatte. So oft bin ich schon in Asien gewesen, aber auf die Idee, mir Südkorea anzuschauen, wäre ich wohl ohne die Weltreise nicht gekommen. Ein Fehler – denn das Land hat unglaublich viel zu bieten. Deswegen kommt hier mein ganz persönlicher Eindruck der ersten knapp zwei Wochen, die wir bislang hier verbracht haben.
Südkorea ist so ganz anders als die Länder, die wir bislang in Asien bereist haben. Während Thailand und Malaysia und Laos und Vietnam und Indonesien sich auf eine gewisse Weise durchaus ähneln, spielt Südkorea in einer anderen Liga.
Das Land ist deutlich moderner und weiter entwickelt und versprüht aus meiner Sicht in einigen Teilen sogar eher ein amerikanisches Flair. Was daran liegen mag, dass die USA nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Abzug der Japaner maßgeblich am Wiederaufbau beteiligt waren.
Die Reisequalität ist sehr hoch. Überall gibt es saubere, kostenlose, öffentliche Toiletten, die meisten Museen sind gratis und sehenswert, an fast jedem Ort findet sich ein kostenloser Zugang ins WLAN, der öffentliche Nahverkehr ist sehr gut ausgebaut und kostet für fast jede Strecke – egal wie weit – meist umgerechnet etwa einen Euro. So entspannt sind wir lange nicht mehr unterwegs gewesen.
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Seoul ist für mich eine der interessantesten Städte, die ich bislang bereisen durfte. Ich kann auf Anhieb verstehen, warum viele Korea-Reisende hier eine oder sogar zwei Wochen bleiben – denn langweilig wird einem garantiert nicht. Die Stadt ist umgeben von grünen Bergen, von denen aus man eine wunderbare Weitsicht hat.
Es gibt unzählige kostenlose Parks und Gärten, der Fluss Hangang, der einmal quer durch die Stadt fließt, ist an zahlreichen Stellen renaturiert und es gibt eine wunderschöne Altstadt mit Häusern wie vor 1.000 Jahren. Vom Lotte Tower, mit 555 Metern einem der höchsten Gebäude der Welt, hat man einen atemberaubenden Blick.
Und es macht einfach unglaublich viel Spaß, sich durch die Stadt treiben zu lassen und immer wieder neue Dinge zu entdecken – wie etwa eine riesige, kostenlose Bücherei mitten in einer belebten Mall, zahlreiche Selfie-Stationen oder die Gangnam Style-Statue, die auf den gleichnamigen Welthit hinweist, der hier seinen Ursprung hat.
Mit der bewegten Geschichte des Landes und der Grenze zu Nordkorea gleich um die Ecke, ist das Thema Militär im Alltag der Menschen allgegenwärtig. Ständig fliegen Hubschrauber und Düsenjets von Süd nach Nord und wieder zurück, an vielen Ständen in den Städten kann man Militaria kaufen, in den Bussen und an zahlreichen öffentlichen Orten laufen oft Nachrichten – die vorzugsweise über Neuigkeiten rund um den anhaltenden Konflikt der beiden Länder berichten. Denn offiziell befinden die sich nach wie vor im Krieg, ein Friedensabkommen gibt es bis heute nicht.
Vor dem Hintergrund lohnt sich ein Besuch der demilitarisierten Zone (DMZ), der mehrere Kilometer breiten Grenze zwischen Nord- und Südkorea, die unter der Verwaltung der UN steht. Hier besichtigen wir einen der Tunnel, den Nordkorea Richtung Süden gegraben hat – und durch den für einen Angriff theoretisch 30.000 Soldaten und Material pro Stunden hätten transportiert werden können.
Einem Zufall ist es zu verdanken, dass er rechtzeitig vor seiner Fertigstellung entdeckt worden ist. Wenige Kilometer, rechts und links unserer Straßen liegen Minenfelder, weiter lässt sich von einem Aussichtspunkt ein Blick auf Nordkorea werfen.
Durch eines der Ferngläser sehen wir Dörfer und ein paar Einwohner, die in Reisfeldern arbeiten und auf Motorrädern über staubige Landstraßen fahren. Es fühlt sich sehr seltsam an zu wissen, dass diese Menschen in ihrem eigenen Land eingesperrt sind.
Trotz dieser schwierigen Momente gefällt es uns in Südkorea außerordentlich gut. Was auch daran liegt, dass wir hier – im Gegensatz zu etwa Thailand und Laos – nicht als die reichen Touristen wahrgenommen werden. In Südkorea sind wir eher die Mittelschicht. Es gibt niemanden, der uns ständig etwas verkaufen möchte, wir werden deutlich seltener angesprochen – und wenn doch, dann wollen die Menschen vor allem wissen, woher wir kommen. Und dann stellt sich heraus, dass die meisten von ihnen drei, vier Wörter Deutsch sprechen, oft so etwas in die Richtung wie „Guten Abend“ oder „Guten Tag“.
Die Koreaner sind unglaublich freundlich, höflich und zurückhaltend. An U-Bahn-Stationen und Rolltreppen stellen sie sich vorbildlich in eine Reihe, nirgendwo wird gedrängelt, für ältere Menschen – von denen es hier in dem tendenziell überalterten Land auffallend viele gibt – steht man auf und bietet ihnen einen Platz an. Und auch zu uns sind die Koreaner ausnahmslos nett.
Einmal essen wir gerade etwas Reis vor einem Supermarkt, als ein Arbeiter vom Nebentisch extra noch einmal zurückgeht und uns beiden eine Sojamilch holt. Reis ohne Milch sei einfach zu trocken und schmecke nicht, deutet er an.
Wirklich verstehen tun wir ihn leider nicht, denn mit Englisch kommt man gerade abseits der Großstädte oft nicht wirklich weiter. Was auch daran liegen mag, dass es insgesamt nicht so viele westliche Touristen gibt, die es nach Südkorea verschlägt.
Deswegen sind wir froh, uns trotz des gut ausgebauten WLAN-Netzes eine lokale SIM-Karte gekauft zu haben. Für eine 30 Tage-Datenflatrate zahlen wir umgerechnet rund 50 Euro – und können so zu jeder Gelegenheit die Übersetzungs-App von Google nutzen. Entweder, weil wir etwas fragen oder wissen wollen – aber auch um Schilder, Hinweise und Speisekarten zu entschlüsseln, die es nur selten auf Englisch gibt.
Gerade bei Speisekarten lohnt sich ein genauer Blick. Denn das Essen in Südkorea ist absolut fleischlastig. Als Vegetarier hat man es hier schwer, als Veganer dürfte es außerhalb von Seoul tatsächlich schwierig werden. Zum Glück essen wir seit etwa einem Jahr immerhin wieder Fisch – was es ein wenig leichter macht. Aber wirklich einfach ist es nicht.
Und immer wieder passiert es, dass ein Sandwich eben doch mit einer fetten Scheibe Schinken belegt ist oder würziges Pulled-Pork zum eigentlich vegetarischen Porridge gereicht wird. Und weil noch dazu die Preise relativ hoch sind, verzichten wir auf so manchen Besuch im Restaurant und essen stattdessen in einem der Supermärkte. Die nämlich haben, anders als in Deutschland, sogar dafür eingerichtete Sitzplätze mit Besteck, heißem Wasser und Mikrowellen.
Die im Vergleich zu anderen asiatischen Ländern hohen Preise merken wir nicht nur im Restaurant, sondern teilweise auch an den Straßenständen. Einmal machen wir den Fehler und kaufen Obst, ohne vorher zu fragen, wie teuer es ist. Was in Indonesien nie schief gehen könnte, kostet uns hier umgerechnet 14 Euro – für zwei Pfirsiche und einen Apfel. Und ja, alle drei sind wirklich riesig, anormal groß, könnte man sagen, trotzdem ist der Preis überzogen.
Nicht nur in Seoul, sondern auch abseits davon ist Südkorea sehr grün. Und bergig. Mit dem Bus auf dem Weg nach Sokcho fahren wir stundenlang durch die Natur – etwa 70 Prozent des Landes bestehen aus Bergen, meine ich irgendwo gelesen zu haben. Wobei die Schweizer und vor allem die Nepalesen sie wohl eher als Hügel bezeichnen würden – der höchste Berg ist gerade einmal knapp 2.000 Meter hoch.
Trotzdem, oder gerade deshalb, lässt es sich hier auch prima wandern, beispielsweise im Seoraksan National Park, den wir bei unserem Aufenthalt im an der Küste gelegenen Sokcho besuchen. Hier verbringen wir einen kompletten Tag und erlaufen uns einen schweißtreibenden, aber umso sehenswerteren Aussichtspunkt, von dem aus wir sogar das Meer sehen können.
Gerade weil wir in Südkorea so viel sehen wollen und entsprechend viel unterwegs sind und in den Städten eher kürzer bleiben, ist unsere Reise derzeit auch ein wenig anstrengend. Busfahren in die neue Stadt, vom Terminal zum Hotel, auspacken, zwei Tage bleiben, unglaublich viel anschauen, tausend neue Eindrücke, alles wieder einpacken und weiter.
Neue Stadt, neue Unterkunft, neue Eindrücke. Nach Hongkong und Seoul, Sokcho, Andong und aktuell der Insel Jeju, habe ich zwischendurch das Gefühl, gerne mal eine längere Pause machen zu wollen. Aber irgendwie wäre es auch schade, die einmalige Zeit einfach so verstreichen zu lassen. Und so bin ich gespannt, was uns in den kommenden zwei Wochen noch alles erwartet.
Jan Filipzik
16. September 2023
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