2. November 2023Peter Pionke
Jan Filipzik: Unser Roadtrip mit dem Mietwagen durch Japan
Hatte ich schon erwähnt, wie genial Japan ist? Falls ja, macht das nichts, denn gefühlt kann ich das gar nicht oft genug sagen. Mit jedem Tag wird das Land mehr und mehr zu einem Highlight unserer bisherigen Weltreise – allein schon, weil es sich so fundamental von allen anderen asiatischen Ländern unterscheidet.
Hinzu kommt, dass wir nach knapp zehn Monaten Sommer nun so richtig im Herbst ankommen und das sehr genießen. Das Licht ändert sich, die Farben werden goldener, die Sonne steht tiefer und es wird merklich kühler. Die T-Shirts und kurzen Hosen wandern in unseren Rucksäcken immer weiter nach unten, während wir Pullover und schließlich sogar Schals, Mützen und Handschuhe aus den hintersten Winkeln zurück ans Tageslicht befördern.
In Lenas & Jans Reiseblog „reisen-ist.jetzt – Unterwegs ist da, wo wir sind“ finden Sie noch viel mehr Fotos, Infos und Impressionen:
Wobei es in Kyoto – hier hatte der letzte Blogartikel geendet – zunächst noch einigermaßen warm ist. Von Anfang an war ich begeistert von dieser Stadt, und der Eindruck bestätigt sich in den Tagen nach unserer Ankunft. Es gibt so viel zu entdecken, zu sehen und zu erleben, dass ich allein darüber seitenweise schreiben könnte.
Wir laufen mit tausenden anderen Touristen durch Gassen mit traditionellen Häusern, sehen zu, wie Gruppen von Europäern in geliehenen Kimonos Selfies vor den zahlreichen Tempeln machen, essen ein traditionelles Sushi mit Makrele.
Wir versuchen dem gerade eröffneten Nintendo Store einen Besuch abzustatten und stellen fest, dass er hoffnungslos überlaufen ist, lassen einen Teil unseres Kleingelds in einem der zahlreichen Automaten-Geschäfte, ergattern dabei ein meditierendes Krokodil und ein Schnabeltier, und bestaunen die überraschend große Auswahl an Socken und Unterwäsche, die es hier in den Supermärkten zu kaufen gibt.
Dabei erfülle ich mir in Kyoto auch einen Traum, von dem ich vorher noch nicht wusste, dass ich ihn habe: einmal einen Otter füttern und streicheln. Möglich ist das im sogenannten Otter-Café, wobei solche Tiercafés, üblicherweise vor allem mit Katzen und Hunden, aber auch mit Igeln und Eulen, in Japan allgemein sehr beliebt sind.
Dabei wird – was uns beruhigt – mittlerweile sehr auf eine gute Haltung der Tiere geachtet. So hat auch unser Otter mit dem einprägsamen Namen Wasabi, dessen kleine Pfoten gerade das Futter aus meiner Hand klauben, so etwas wie feste Arbeits- und Ruhezeiten. Und darf nach seinem kurzen und turbulenten Auftritt wieder zurück in sein Zuhause, das sich im hinteren und für uns nicht zugänglichen Bereich des Cafés befindet.
Nachdem wir uns von Wasabi verabschiedet haben, fahren wir am nächsten Tag von Kyoto aus mit dem Nachtbus nach Tokio. Um die Zeit bis zur Abfahrt zu überbrücken, gehen wir traditionelle Curry-Udon-Nudeln essen, schauen einen Film in einem kleinen Arthouse-Kino und steigen schließlich müde und schlafbereit in den kurz vor Mitternacht startenden Bus.
Erholsam ist die Nacht allerdings nicht – die Sitze sind zu eng und lassen sich nicht weit genug nach hinten klappen. Wir sind ziemlich übermüdet, als wir schließlich in den frühen Morgenstunden in Tokio ankommen. Nach einem stärkenden Frühstück im Supermarkt, machen wir uns in einem überfüllten Zug auf den Weg zum Flughafen – wo wir nun endlich zum namensgebenden Teil des Artikels kommen: Wir holen unseren Mietwagen ab, mit dem wir eine Woche lang durch Japan fahren.
Nach zehn Monaten Pause, sitze ich damit zum ersten Mal wieder am Steuer. Linksverkehr, was aber schon nach wenigen Minuten kein Thema mehr ist. Zum Autofahren in Japan könnte ich viel sagen. Zum Beispiel, dass der internationale Führerschein nicht anerkannt wird und man vorher unbedingt eine Übersetzung besorgen muss, die man online beantragt und dann im Supermarkt ausdruckt.
Die wichtigste Erkenntnis aber ist, dass Autofahren hier im Wortsinn absolut entschleunigt ist. Die Menschen sind super entspannt, kaum jemand hupt – und vor allem sind die Geschwindigkeitsbeschränkungen sehr restriktiv: In der Stadt 40 Kilometer pro Stunde, auf der Landstraße 50 und auf der kostenpflichtigen und meiner Meinung nach überteuerten Autobahn, sind es auch nur 80. Was dazu führt, dass wir zwangsläufig sehr langsam reisen, was uns aber entgegenkommt. Denn schließlich wollen wir auch etwas sehen.
Unsere mehr oder weniger ungeplante Route, bei der wir morgens manchmal noch nicht wissen, wo wir abends schlafen werden, führt uns zunächst zum Mount Fuji. Irgendwie ist dieser ikonische Berg für mich immer ein Symbol für die Ferne gewesen – und es ist so beeindruckend, als er plötzlich hinter einer Kurve auftaucht und einfach da ist.
Wir halten an einem See, den wir zu Fuß ein ganzes Stück umrunden, machen viel zu viele Bilder, trinken einen guten Kaffee, fahren noch einige Kilometer weiter Richtung Nordwesten, wo wir die Nacht in einem abgelegenen Hotel verbringen, dessen Zimmer unter anderem mit einer großen Auswahl an erotischen Manga-Comics bestückt ist, was für uns zwar etwas befremdlich, aber Bestandteil der japanischen Kultur ist.
Der nächste Tag führt uns durch wunderschöne Täler in zwei alte Postdörfer. Von denen gab es früher über 40 Stück – und gemeinsam verbanden sie auf dem sogenannten Postweg die beiden zentralen Städte Kyoto und Tokio miteinander. Mit der Erfindung der Eisenbahn wurden die Postdörfer zwar überflüssig, doch zum Glück erkannten die Bewohner den Wert dieser kleinen Dörfer früh und setzten sich für ihren Erhalt ein. So bekommt man heute noch einen sehr lebhaften Eindruck davon, wie es gewesen sein muss, als Samurai mit Pferden und Gefolgschaft durch diese Gegend Japans reisten.
Lebendig wird die Vergangenheit auch im Freilichtmuseum Hida Folk Village, das wir am nächsten Tag besuchen. Dabei ist unser Mietwagen ein echter Segen – denn so haben wir die Möglichkeit, viele Gegenden und Orte des Landes zu erkunden, die wir mit Bussen oder Zügen nicht gesehen hätten.
Das gilt vor allem für die langen Fahrten vorbei an Weinreben, Apfelplantagen und Vulkanen – und natürlich durch die Berge und über schmale, serpentinenreiche Passstraßen, die uns teilweise bis auf über 2.000 Meter Höhe führen. Hier oben ist es kalt, die Temperaturen liegen knapp über dem Gefrierpunkt und Eis und erste Schneeflocken haben sich auf den Bäumen gesammelt. Auf dem Weg hinunter ins Tal fahren wir durch malerisch bunte Herbstwälder.
Während wir zuvor vor allem in den großen und größeren Städten Japans waren, fahren wir mit unserem Mietwagen einfach dorthin, wo es uns gefällt. Dabei lernen wir auch das Konzept der Stundenhotels kennen. Denn anders als bei uns werden die in Japan auch ganz normal von Reisenden genutzt, die einen Platz zum Schlafen suchen – wobei die Stundenhotels oft deutlich günstiger und besser ausgestattet sind als die klassischen Hotels. Das kann zum Beispiel Massagesessel, Gesichtsmasken und Glätteisen beinhalten.
Dafür aber ist der Check-in meist erst relativ spät möglich und es kann vorkommen, dass man sein Zimmer nach dem Betreten nicht mehr verlassen darf. Da muss man dann schauen, dass man nichts im Auto vergisst, sonst zahlt man doppelt – wenn man nicht, wie wir, Glück hat und der Portier eine Ausnahme macht.
Viel Zeit verbringen wir in der Region rund um Nagano, wo es an einem Morgen so kalt ist, dass wir auf unserer kleinen Wanderung zu einem nahegelegenen Wasserfall sogar lange Unterhosen anziehen. Hier sehen wir auch zum ersten Mal sogenannte Bärenglocken, die einige Wanderer und Pilzsucher an ihrer Kleidung angebracht haben und die mit ihrem hellen Läuten helfen sollen, Bären fernzuhalten, mit denen es in Japan immer wieder zu gefährlichen Zusammenstößen kommt.
Da wir keine Glocke haben, spielen wir stattdessen laut Musik auf dem Handy und kommen erst später auf die Idee, dort einfach nach einem Glockensound zu suchen. Letztlich funktioniert beides – jedenfalls sehen wir weit und breit keine Bären, was dann fast schon wieder ein wenig schade ist.
Die Freiheit, einfach überall hinfahren zu können, genießen wir an jedem Tag. Manche Ziele, wie etwa der höchstgelegene See Japans, der an einigen Stellen so überlaufen ist, dass wir allein bei der Anfahrt stundenlang im Stau stehen, sind zwar im Nachhinein eher verzichtbar, dafür aber entdecken wir unerwartet andere Orte, indem wir auf der Karte schauen, was um uns herum eingezeichnet ist und hinfahren.
So stoßen wir auch auf die Gegend rund um den Mount Bandai, nahe der Ortschaft Koriyama. Dort sehen die Seen mit ihrer intensiv-blauen Farbe im Herbstlicht fast schon künstlich aus – und zählen für uns ganz unerwartet zu einem der landschaftlich schönsten Orte Japans.
Wir genießen es, noch einmal ausgiebig in der Natur zu sein. Denn schon bald könnte der Kontrast größer kaum sein: in wenigen Tagen geht es zurück nach Tokio – und damit in die größte Metropole der Welt.
Jan Filipzik
31. Oktober 2023
In Lenas & Jans Reiseblog „reisen-ist.jetzt – Unterwegs ist da, wo wir sind“ finden Sie noch viel mehr Fotos, Infos und Impressionen:
Weiter mit:
Kommentare
Neuen Kommentar verfassen