12. Mai 2024Peter Pionke
TV-Star Martin Semmelrogge: Ein sympathischer „Bad Boy“
Lange her – und dennoch haftet ihm auch heute immer noch ein wenig das Image des „Bad Boys“ an. Doch damit hat er sich längst abgefunden: „Ich bin eben eine eigene Marke und wollte nie angepasst sein“, gibt er ehrlich zu.
Ein begnadeter Schauspieler war der Waldorfschüler schon immer. Seine TV-Karriere startete er im Alter von 16 Jahren „blutig“ – nämlich als Vatermörder in der legendären Krimi-Serie „Der Kommissar“ mit Erik Ode und Fritz Wepper.
Später spielte Martin Semmelrogge, der am 08. Dezember 68 Jahre alt wird, in Kino-Welterfolgen wie Wolfgang Petersens „Das Boot“ (1981) oder Steven Spielbergs „Schindlers Liste“ (1993). Dazu kamen zahlreiche deutsche Kino- und TV-Filme. Es gibt kaum eine erfolgreich TV-Serie, in der Martin Semmelrogge keinen Fußabdruck hinterlassen hat.
Heute lebt Martin Semmelrogge mit seiner dritten Ehefrau Regine und mehreren Hunden in einem kleinen Dorf auf der Balearen-Insel Mallorca. Doch an Ruhestand und Rente verschwendet der begeisterte Harley-Fahrer keinen einzigen Gedanken. Er spielt regelmässig Theater und steht für TV-Produktionen und Werbefilmen vor der Kamera.
Und jetzt hat er auch noch in ein weiteres künstlerischen Genre hineingeschnuppert: In Kürze kommt ein alternatives Weihnachts-Album, produziert vom Essener Komponisten und Autoren Andreas A. Sutter, auf dem Markt, in dem Martin Semmelrogge auf drei Titeln vertreten ist – zweimal als Rapper, einmal als Sprecher.
Ebenfalls mit seiner sonoren Stimme zu hören: Claus-Theo Gärtner, u.a. Darsteller des Detektivs Matula in der erfolgreichen TV-Serie „Ein Fall für zwei“ (ZDF). Erscheinungstermin des Albums zum Fest: Voraussichtlich 15. November bei allen Musik-Download-Portalen.
Der STADTZEITUNG hat Martin Semmelrogge, der sympathische „Bad Boy“ mit der unverwechselbaren Stimme, ein Interview in der Reihe „Hand aufs Herz“ gegeben, bevor er mit seinen Hunden im November bei 24 Grad Celsius auf Mallorca im türkisfarbenen Mittelmeer schwimmen gegangen ist.
DS: Als Schauspieler spielen Sie seit vielen Jahren eine große Rolle. Jetzt treten Sie auch noch noch als Sänger ins Rampenlicht. Pünktlich zur Adventszeit erscheint ein Album mit Weihnachtsliedern von Ihnen. Also ‚o Du Fröhliche‘?
Martin Semmelrogge: „Das sind auch keine klassischen Weihnachtslieder, wie etwa „Jingle Bells“ – das wäre auch vermessen. Das sind schon ziemlich schräge Songs. Es hat aber richtig Spaß gemacht. Meine Stimme ist auf drei Songs zu hören: ‚Weihnachts-Junky“, „Leise wandelt das Klima“ und „Das Für und Wider ein Schneemann zu sein“.“
DS: Was bedeutet Weihnachten für Sie persönlich?
Martin Semmelrogge: „Das bedeutet für mich in erster Linie Ruhe. Ich genieße alles, bei dem ich meine Ruhe habe. Ich bin gern Weihnachten in Amerika, da gibt es überall die tolle Weihnachtsbeleuchtung. Aber auch hier in Spanien in dem Dorf auf Mallorca, in dem ich lebe, ist Weihnachten auch immer sehr schön. Alles ist toll geschmückt. Auch ich habe sogar noch Lametta zuhause. Und es macht mir riesig viel Spaß, als geiler Weihnachtsmann verkleidet mit einem Riesenbart gemeinsam mit meiner Frau auf einer Harley durchs Dorf zu fahren. Auf Mallorca ist es Weihnachten immer noch schön warm, da kann man sogar noch schwimmen gehen.“
DS: Was entgegnen Sie Leuten, die sagen: Jetzt singt er auch noch?
Martin Semmelrogge: „Ich singe ja eigentlich gar nicht. Das ist Sprechgesang, Rap eben. Ich bin Schauspieler, kein Sänger. Ich liebe Iron Maiden, Metallica und die Rolling Stones. Ich bin mit den Beatles aufgewachsen. Wenn ich Sänger hätte werden wollen, hätte ich einen ganz anderen Weg eingeschlagen und eine Band gegründet. Meine Stimme ist ja schon ziemlich interessant.“
DS: Sie haben bei vielen den Ruf des ‚Bad Boys‘ – War das Kalkül oder hat sich das einfach so ergeben?
Martin Semmelrogge: „Jedes Auto hat sein Image. Und so habe ich das Image des „Bad Boys“ gekriegt. Ich wollte früher eben nicht so angepasst sein, das bin ich auch heute noch nicht. Mir war immer wichtig, mein eigenes Leben zu leben. Ich wollte unabhängig sein, frei sein, so wenig Kompromisse wie möglich eingehen müssen. Wenn man verheiratet ist, will man auch nicht so einen Spießerpartner haben. Ich muss zugeben, dass mein Image nicht immer hilfreich war, in Deutschland wird man immer direkt in eine Schublade gesteckt. Dabei habe ich als Künstler Sachen gemacht, die für sich alleine sprechen, darüber muss ich eigentlich gar nicht reden. Ich bin halt schon eine eigene Marke, daran kann ich auch nichts mehr ändern. Ich bin halt der „Bad Boy“, aber das sehe ich mit Humor. Sorge macht mir dagegen der große Hass, der sich gerade auf der ganzen Welt ausbreitet und auch vor den Familien nicht Halt macht.“
DS: Bereuen Sie etwa ihre Vergangenheit, in der bekanntlich nicht alles glatt lief?
Martin Semmelrogge: „Ich genieße mein Leben. Ich bin jetzt fast 68 Jahre alt und Rentner, aber fit und aktiv. Das hält mich frisch und jung. Ich will nicht den ganzen Tag Golf spielen oder mit der Harley durch die Gegend fahren. Ich bin heute viel entspannter. Ich möchte noch arbeiten, aber ich muss nicht. Aber solange die Leute mich sehen wollen, mache ich auch weiter. Mein Job macht mir Spaß. Es gibt zwar Leute, die sagen, die Schauspielerei sei keine Arbeit. Aber die täuschen sich gewaltig. Es ist sogar harte Arbeit – Texte lernen, Proben, abends auf der Bühne stehen. Man braucht bei jeder Vorstellung neue Energie.“
DS: Sie sind ein begnadeter Schauspieler und hatten Rollen in Klassikern wie „Das Boot“ oder auch in „Schindlers Liste“. Sind Sie mit dem Verlauf Ihrer Karriere zufrieden oder haben Sie aus heutiger Sicht mit Ihrem großen Talent zu sehr geschludert?
Martin Semmelrogge: „Was soll ich jetzt darauf sagen. Wenn ich jetzt noch jung wäre, würde ich ein paar Sachen vielleicht anders machen. Aber dann wäre ich ja nicht der, der ich jetzt bin. Man muss sich ja auch entwickeln, man ist ja kein Roboter. Für mich war einfach wichtig, nach Amerika zu fahren, mein Leben zu leben. Vor kurzem war ich wieder da. Ich habe ja auch ein Privatleben. Es wäre doch schlimm, wenn ich nur vor der Filmkamera oder auf der Bühne glücklich wäre. Dann kann man auch gar nicht gut sein, weil man keine eigenen Erfahrungen gemacht hat und diese einbringen kann. Mir war es nie wichtig, unbedingt jede Rolle zu spielen. Ich habe gearbeitet, um mit dem verdienten Geld mein Leben zu gestalten. Die Rollen zu bekommen ist wie Roulette. Mal kriegst du die Rolle, die du unbedingt haben willst, mal kriegst du sie nicht. Ich freue mich über Angebote, wie jetzt gerade für eine Werbung. Vielleicht hätte ich als junger Schauspieler nach Amerika gehen sollen. Aber da hatte ich noch nicht die Reife, die ich heute habe.“
DS: Man sieht Sie in den letzten Jahren auch auf der Theaterbühne. Haben Sie Ihre Liebe fürs Theater entdeckt?
Martin Semmelrogge: „Ich habe in meinem Leben eigentlich immer Theater gespielt. Das ist ja auch eine schöne Sache, aber anstrengend und eine echte Herausforderung. Man hat bei einem Stück zwar immer den gleichen Text, kann aber jeden Abend etwas verändern, wenn man das will und einen guten Partner hat, der mitspielt. Im nächsten Jahr mache ich auch wieder die ‚Rocky Horror Picture Show‘. Da bin ich der Erzähler. Das werde ich machen, solange es geht, weil das nicht so viel Arbeit bedeutet. Für mich spielt nicht immer der Inhalt eines Filmes die wichtigste Rolle, oft ist es auch der Drehort. Wenn ich irgendwo an tollen Orten drehen kann, ist mir Inhalt nicht so wichtig. Hauptsache die Kohle stimmt (lacht).“
DS: Und woran liegt es, dass man Sie nicht so oft Theater spielen, obwohl die Leute Sie sehr gern auf der Bühne sehen?
Martin Semmelrogge: „Theater spielen kann ich ja eigentlich nur in Deutschland, aber ich wohne nun einmal nicht in Deutschland. Das ist dann für mich ein ganz schöner Aufwand und der muss sich lohnen. Es gibt in Deutschland eine Menge Schauspieler, die nichts zu fressen haben. Und die spielen dann in ihrer Not für kleines Geld Theater. Aber solange ich mit meinem Namen die Leute ins Theater ziehe, möchte ich auch mein Geld haben und angemessen bezahlt werden. Was anderes ist es, wenn ich beispielsweise in München engagiert werde. Dann spielt die Gage nicht die wichtigste Rolle, weil ich dort meine Familie und meinen Enkel sehen kann. Und das ist eine feine Sache.“
DS: Gibt es eine Rolle, die Sie richtig reizen würden?
Martin Semmelrogge: „Ich hätte sehr gern eine Gastrolle in der tollen US-Serie „Yellowstone“. Es wäre auch toll, einmal in einem geilen amerikanischen Kinofilm mitzuspielen. In Deutschland werden doch nur Independent-Filme oder staatlich geförderte Filme produziert. Da redet dann jeder mit und da tauchen dann immer wieder nur dieselben Schauspieler auf.“
DS: Wie wichtig ist Ihnen das Privatleben?
Martin Semmelrogge: „Familie war mir immer sehr wichtig. Jetzt habe ich meine Frau, meine Hunde und mein Mallorca. Das ist meine Basis. Von dieser aus kann ich immer noch meine Leistung abrufen.“
DS: Würden Sie junge Leute heute ermuntern oder ihnen abraten, Schauspieler zu werden?
Martin Semmelrogge: „Eigentlich kann man jedem nur abraten. Die meisten Schauspieler haben nichts zu drehen, nichts zu spielen. Sie sind schlichtweg arbeitslos. Heute zählen Influencer, die gar nichts können, mehr als ausgebildete Schauspieler. Einige wenige werden ständig engagiert, dazu kommen einige junge Spieler, die eingesetzt werden, weil sie billig sind. Am Ende werden sie dann wieder ausgespuckt und stehen ohne Job da. Junge Leute sollten heute eine vernünftige, fundierte Berufsausbildung machen, statt von einer tollen Karriere als Schauspieler zu träumen.“
DS: Sie waren immer eine Schauspieler mit Ecken und Kanten. Solche Typen, die den Unterschied machen, müssten doch gerade in der heutigen Zeit gefragt sein?
Martin Semmelrogge: „Nee, im Gegenteil! Die glatten Typen haben heute die besseren Chancen. Wenn Ihre Annahme stimmen würde, hätte ich ja viel mehr zu tun. Es gibt auch nur ganz wenige Rollen für ältere oder alte Schauspieler. Das ist im Ausland ganz anders. Wir kennen in Deutschland auch keinen schwarzen Humor, den es in vielen Filmen in England und Amerika gibt. Humor in Deutschland bedeutet, sich über andere lustig zu machen.“
Das Interview führte Peter Pionke
VITA Martin Semmelrogge
Der Schauspieler und Synchronsprecher Martin Semmelrogge wurde am 08.12.1955 in Bad Boll (Baden-Württemberg) geboren. Sein Vater ist der Schauspieler Willy Semmelrogge (15.03.1923 – 10.04.1984), u.a. bekannt als Kommissar Willy Kreutzer – Partner des von Hansjörg Felmy (31.01.1931 – 24.08.2007) verkörperten Kommissars Heinz Haferkamp – in der ARD-Sonntagabend-Krimiserie „Tatort Essen“.
Martin besuchte eine Waldorfschule. Inspiriert durch den Beruf seines Vaters übernahm er bereits mit 12 Jahren beim Bayerischen Rundfunk einen Job als Hörspielsprecher. Auf seinen späteren Beruf als Schauspieler bereitete er sich mit Privat-Unterricht vor.
Seine erste Rolle war bereits „blutig“. In der TV-Serie „Der Kommissar“ spielte er als 16jähriger einen Vatermörder. Schon bald bekam er Fernseh-Rollen in „Tadellöser & Wolff“, „Powenzbande“ und „Die Straßen von Berlin“. Außerdem stand er oft für Krimi-Serien-Klassiker wie „Derrick“, „Tatort“, „Der Alte“ oder „Ein Fall für zwei“ vor der Kamera.
Schon damals war er nicht zuletzt auf die Darstellung von zwielichtigen Figuren – wie in „Die Vorstadtkrokodile“ – spezialisiert. Der endgültige Durchbruch gelang ihm durch seine überzeugend gespielte Rolle in Wolfgang Petersens Film „Das Boot“ (1981), ein weltweit erfolgreiches Kino-Drama. 1993 der nächste Ritterschlag: Martin Semmelrogge verkörperte den SS-Offizier Willi Riesenhuber in Steven Spielbergs bewegendem Welterfolg „Schindlers Liste“ mit Liam Neeson in der Hauptrolle.
Es folgten Auftritte u.a. in bekannten TV-Produktionen wie „Die Männer vom K3“, „Freunde fürs Leben“, „Küstenwache“, „Die Straßen von Berlin“, „Siska“, „Die Rosenheim-Cops“ oder „Pfarrer Braun“. Seit 2008 stand er auch immer wieder auf der Theaterbühne: U.a. als Erzähler in der „Rocky Horror Picture Show“, als Darsteller des Colonel Brinkley in „Schatz im Silbersee“ bei den Karl-May-Festspielen in Bad Segeberg, als Gangster-Boss Weller in „Unter Geiern“ bei den Karl-May-Festspielen in Elspe oder wie zuletzt mit Kollegin Mariella Ahrens in der Komödie „Das Abschiedsdinner“. Außerdem war er in TV-Reality-Shows wie „Promi Big Brother“ (Sat1) und „Das Sommerhaus der Stars“ (RTL) am Start.
In Privatleben von Martin Semmelrogge lief es dagegen nicht so rund wie in seiner beruflichen Karriere: Wegen Alkoholdelikten, Fahren ohne Führerscheins, Ladendiebstahls und Drogenbesitzes wurde er zu mehreren Geld- und Haftstrafen verurteilt. Und er musste auch Privatinsolvenz anmelden. Martin Semmelrogge hat seine Alkoholprobleme mittlerweile überwunden und ist seit mehr als zehn Jahren „trocken“.
Er lebt heute auf der Balearen-Insel Mallorca (Spanien). Er ist in dritter Ehe mit Regine Prause verheiratet. Seine Kinder Joanna und Dustin sind ebenfalls in der Schauspielbranche unterwegs.
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